Bereits die Hinreise von Berlin nach Warschau war ein echtes Abenteuer. Man schrieb den 06. Dezember 1995. Mit dem Nachtzug ging es in die polnische Hauptstadt, um dort die Champions-League-Partie Legia Warschau – Spartak Moskau zu sehen. Ein Duell, das richtig nach Ostblock schnupperte und uns trotz Eiseskälte hinter dem Ofen vor lockte. Also mit einem Kumpel rein in den D-Zug und im Abteil die Beine hochgelegt. Zur Ruhe kamen wir jedoch kaum, denn auf den Gängen stromerten finstere Typen herum, die Ausschau nach etwaigen Wertgegenständen hielten.
Zeitreise: Als Spartak Moskau bei minus 25 Grad bei Legia Warschau gewann
Bereits die Hinreise von Berlin nach Warschau war ein echtes Abenteuer. Man schrieb den 06. Dezember 1995. Mit dem Nachtzug ging es in die polnische Hauptstadt, um dort die Champions-League-Partie Legia Warschau – Spartak Moskau zu sehen. Ein Duell, das richtig nach Ostblock schnupperte und uns trotz Eiseskälte hinter dem Ofen vor lockte. Also mit einem Kumpel rein in den D-Zug und im Abteil die Beine hochgelegt. Zur Ruhe kamen wir jedoch kaum, denn auf den Gängen stromerten finstere Typen herum, die Ausschau nach etwaigen Wertgegenständen hielten. Immer wieder hielt der Zug auf offener Strecke, irgendwelche Gestalteten fuchtelten draußen auf den Gleisen mit Taschenlampen herum und leuchteten in die Abteile. Wir hatten das Abteil für uns allein und die Wertsachen lagen unter unserem Kopf. Wir hätten schwören können, dass wir nur gedöst und keine einzige Minute geschlafen hatten. Wohl geirrt, denn am Morgen erlebte mein Reisebegleiter eine kleine Überraschung. All sein Bargeld war weg. Das Portmonee samt Papiere wurde vom Dieb wieder zurückgelegt. Wie das geschehen konnte, blieb ein Rätsel. Keine Frage, es mussten echte Profis am Werk gewesen sein. Wilder Osten, Mitte der 90er.
Willkommen in Warschau. Kein Vergleich zu heute. Damals erschien die polnische Hauptstadt weitaus grauer und trister. Das Winterwetter tat sein übriges. Eine eiskalte Brise pfiff uns am frühen Morgen um die Ohren. Dachten wir, in Deutschland sei es bereits kalt gewesen, so wurden wir in Warschau eines Besseren belehrt. Sibirische Kälte in reinster Form. Gefühlte minus 35 Grad Celsius.
Gebäck naschen am Kiosk, mit dem Fahrstuhl (verbotenerweise) den Kulturpalast hinauf und quer durch die Straßen der Innenstadt. Der Tag musste über die Runden gebracht werden. Am Abend stand im Stadion Wojska Polskiego das Spiel der Gruppe B Legia Warszawa – Spartak Moskva auf dem Programm. Wie jenes bei diesen harten Witterungsbedingungen stattfinden sollte, war uns noch ein Rätsel. Kalt ist anders, es war eiskalt. Besser gesagt erbärmlich kalt. Mein Kumpel und ich waren eigentlich gut vorbereitet. Eine Jogginghose unter der Jeans, eine warme Jacke, eine Mütze. Handschuhe, zwei paar Socken in den Wanderstiefeln. Es half nichts. Die Kälte kroch durch jede Textilfaser.
Immerhin 5.972 Zuschauer fanden sich am Abend in dem Stadion ein. Auf der Gegengeraden standen auch zahlreiche Soldaten mit wärmenden Ohrenklappen-Mützen. Im Gästeblock hatte sich ein gutes Dutzend Spartak-Fans eingefunden, die von reichlich Polizei bewacht wurde. Und schau an, selbst die russischen Spieler, unter ihnen der in Deutschland gut bekannte Torhüter Stanislav Tschertschessov, trugen lange Unterhosen und Handschuhe. Einzig die reichlich gezündeten Bengalfackeln sorgten für ein wenig Wärme. Wenn auch nur für wenige Minuten.
Das Geschehen auf dem gefrorenen Acker geriet zur Nebensache. Einzig und allein hieß es, die Zeit über die Runden zu bringen, ohne anzufrieren. Bibbern, diskret wippen und Hände reiben. Zum Affen wollten wir uns selbstverständlich nicht machen. Und Aufgeben galt nicht. Durchhalten war die Parole.
Gespielt wurde natürlich auch noch. Tore gab es nur eins. Dieses fiel drei Minuten vor der Pause. Ramiz Mamedov erzielte für die Gäste aus der russischen Hauptstadt den goldenen Treffer des Tages. Kurzzeitiges Warmjubeln im Gästekäfig. Als letztendlich nach 90 Minuten die Partie abgepfiffen wurde, fiel allen ein gefrorener Stein vom Herzen. Ab nach Hause in die warme Stube. Für uns hieß es hinein in den Nachtzug und zurück nach Berlin. Dort waren es nur 18 Grad Minus.
Apropos. Zuvor am 27. September 1995 hatte Spartak zu Hause gegen Legia mit 2:1 gewinnen können. 18.000 Zuschauer sahen im Stadion Luzhniki die Tore von Nikiforov und Sergej Yuran für Moskau und Marek Jozwiak für Warschau.
Ein Wiedersehen gab es am vergangenen Donnerstag im Stadion Legia im Rahmen der play-offs der Europa League. Die Partie ging 2:2 aus nachdem die Hausherren zweimal geführt hatten. Das Rückspiel wird an diesem Donnerstag in Moskau ausgetragen.
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