Feste drauf! Jetzt wird durchgegriffen. Mit harter Hand soll das Problem im Nordosten unserer Republik gelöst werden. Immer diese ostdeutschen Problemkinder! Gespräche? Wozu? Ein Kind, das freidreht, bekommt Stubenarrest. Basta! Die SG Dynamo Dresden wird aus dem DFB-Pokal verbannt. So einfach ist das! Hm ja, nur das Problem ist: Das weggesperrte Kind wird noch bockiger. Und das Problem bei Dynamo Dresden wird auch kein bisschen kleiner werden. Ganz im Gegenteil. Gut möglich, dass der Riss durch die Republik noch tiefer wird. Klubs in der Region Nordost und der DFB in Frankfurt am Main. Eine Sache für sich.
Dynamo Dresden und Hansa Rostock: Immer auf die Schmuddelkinder des Ostens?
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Das ganze Desaster fing doch bereits nach dem Fall der Mauer an. Dynamo Dresden und der F.C. Hansa Rostock als einzige Vertreter der einstigen DDR-Oberliga in der gesamtdeutschen Bundesliga. Das war eindeutig zu wenig, das war beschämend. Von einer gleichberechtigten Wiedervereinigung kann im Nachhinein kaum die Rede sein. Schutz für die Klubs in der Region Nordost? Fehlanzeige! Die dortigen Fußballklubs waren Freiwild auf der gesamtdeutschen Wiese. Ausweiden, Ausbluten lassen, den Geiern zum Fraß vorwerfen. Baulöwen und zwielichtige Gestalten brachten manch einen Ostklub an den Rand des Ruins. Viele werden jetzt aufstöhnen. Wird das nun schon wieder alles aufgewärmt? Der arme Osten. Bla, bla, bla.
Fakt ist, das Ganze zieht sich wie ein roter Faden bis in die Gegenwart. Von Gleichberechtigung und Gleichbehandlung spürt manch ein Verein in den neuen Bundesländern herzlich wenig. Nicht von Seiten der Medien und auch nicht von den Verbänden. Vorurteile. Alle über einen Kamm scheren. Sippenhaft. Generalverdacht. Böse Jungs aus dem Osten. Ohne die Zwischenfälle schön zu reden: Schnell schleicht sich das Gefühl auf, dass in Köln und Frankfurt schon mal ein Auge zugedrückt wird. Für Dresden, Rostock & Co gibt es dagegen kein Pardon mehr.
In einem Fanforum war zu lesen, dass die Zwischenfälle beim Spiel F.C. Hansa Rostock – FC St. Pauli vor allen Dingen einen Grund hatten. Und zwar die seit Jahren aufgestaute Wut. Die Gängeleien und all die Drangsalierungen. Die einseitige Berichterstattung, die manchmal sogar in regelrechte Medienhetze ausgeartet war. Bei jedem Auswärtsspiel die gleiche Leier. Hochsicherheitsspiel. Polizeibegleitung vom Bahnhof bis zum Stadionklo. Eingangskontrollen bis auf Hemd und Schlüpfer. Macht so Fußball noch Spaß?
In Rostock brodelte es bereits seit Jahren. Ultras / Fans des F.C. Hansa beklagten immer wieder, dass sie keinen, bzw. wenig Rückhalt vom eigenen Verein bekommen. Zudem das ständige Hickhack bei den Auswärtsspielen. Duelle in Dresden, in Cottbus und beim 1. FC Union Berlin? Selten ein echter Grund zur Freude. Gegen St. Pauli entlud sich all die Wut. Zu entschuldigen sind die fliegenden Leuchtkugeln und der Applaus dennoch nicht. Man stelle sich vor, aus jedem bockigen Kind, das mit Stubenarrest belegt wurde, wird ein Gewalttäter oder Psychopath.
Natürlich werden Fußballfans im ganzen Land fragen: Werden die Ausschreitungen beim Revierderby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 Folgen haben? Und weshalb wurde bei Fall SG Dynamo Dresden gleich der ganze Verein bestraft? Ist ein Verein nicht völlig machtlos, wenn sich bei Auswärtsspielen Wut und Hass entladen? Was hätte die SG Dynamo denn tun können? Den Gästeblock geschlossen halten? Das wäre Sache der Polizei gewesen. Beim letzten Spiel FC St. Pauli – FC Hansa Rostock legte die Hamburger Polizei Veto ein und gab nur 500 Plätze für Gästefans frei. Letztendlich verzichteten die Rostocker komplett auf Gästetickets. Und in Dortmund? Freies Haus für alle? Zehntausend Gästefans – kein Problem?
Was soll einen das DFB-Urteil nun sagen? Wegsperren sei der richtige Weg? Ab jetzt wird es drakonisch? Kopfschütteln in der ganzen Republik. Selbst bei den Fans der Erzrivalen gibt es Sympathiebekundungen. Dynamo Dresden bestrafen? Ja! Aber ein Ausschluss aus dem Wettbewerb? Das geht zu weit! Wie formulierten es die Fans von Hertha BSC in der Ostkurve des Olympiastadions beim Heimspiel gegen Bayer 04 Leverkusen? „Musterbeispiel Pokalausschluss. Der DFB hat seine eigenen Gesetze.“ Das angestimmte „Fußballmafia DFB“ schallte unüberhörbar durch das weite Rund. Selbst beim Spiel Jahn Regensburg gegen Rot-Weiß Oberhausen wurde ein Spruchband mit der Aufschrift „Bauernopfer Dynamo. Ein Armutszeugnis des DFB!“ auf den Rängen präsentiert.
Und apropos Dortmund. In einem Forum fragte ein User, wie es überhaupt möglich gewesen sei, so viel Pyrotechnik in das Stadion zu bringen? Habe nicht der Ordnerdienst des BVB beim Pokalspiel gegen Dresden komplett versagt? Mit Kopfschütteln nehmen zahlreiche Fans zur Kenntnis, dass der BVB als mit verantwortlicher Hausherr sogar die 8.000-Euro-Strafe anfechten wolle.
Zurück zum Aufhänger dieses Berichts. Gibt es eine Benachteiligung der ostdeutschen Vereine? Das Dresdner Fußballmuseum sieht das in jedem Fall so, denn dieses kündigte am 25. November die Zusammenarbeit mit dem DFB. Der Geschäftsführer Jens Genschmar erklärte hierzu recht passend: „Hiermit ziehe ich diese Bereitschaft in vollem Umfang zurück und erkläre mit sofortiger Wirkung bis auf weiteres jegliche Zusammenarbeit mit der Stiftung DFB-Museum von meiner Seite für beendet. Dafür gibt es gute Gründe. Das gestrige Urteil des DFB-Schiedsgerichtes gegen die SG Dynamo Dresden und den damit verbundenen Ausschluss aus dem Pokalwettbewerb 2012/2013 wertet das Dresdner-Fußball-Museum als weiteren Höhepunkt einer langen Kette von Ungleichbehandlungen und Benachteiligungen der Vereine aus den neuen Ländern. Dies lässt sich aus Sicht des Dresdner-Fußball-Museums mit verschiedenen Beispielen seit 1990 begründen. Dazu gehören unter anderem der Punktabzug in der Saison 1993/94 und der Zwangsabstieg in der Saison 1994/95. Dem Dresdner-Fußball-Museum geht es hierbei nicht um die Strafen im Allgemeinen, sondern um das Strafmaß im Vergleich zu Vergehen anderer Vereine – besonders aus dem Gebiet der alten Bundesrepublik. Der Eindruck, hier werde mit zweierlei Maß gemessen, wird aus unserer Sicht nun bestätigt. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist für uns mit den Vertretern des DFB bis auf Weiteres nicht möglich...“
Ein deutliches Zeichen kam auch aus Hamburg. Das Präsidium des FC St. Pauli hatte erklärt, dass 5.000 Euro an das Fan-Projekt der SG Dynamo Dresden gehen werden. Die gleiche Summe werde an das Hamburger Projekt Fanräume e.V. gezahlt. Da die Zweitligapartie gegen Dynamo Dresden auf Grund des leeren Gästeblocks kein Sicherheitsspiel mehr war, konnte – nicht zuletzt durch den Ausschank von Vollbier – ein Mehrerlös erzielt werden.
Und in Rostock? Die Kogge sei bereits voll Wasser und pfeife auf dem letzten Loch, beklagt ein User in der Hansa-Community. Und nun kamen die „Waldmenschen“ und machten mit ihrem Verhalten noch mehr den F.C. Hansa kaputt. Der Hintergrund: Am Freitagabend loderte es beim Heimspiel gegen den 1. FC Union Berlin im Gästeblock lichterloh. Gewiss, es wurde friedlich Pyrotechnik gezündet und es kam zu keinen Ausschreitungen, dennoch liegen in Rostock derzeit die Nerven blank. Auch dort wird befürchtet, dass der DFB schon recht bald mit harter Hand zupackt...
Anmerkung der Redaktion: Nehmen wir das vergangene Bundesliga-Wochenende. An jenem rauchte und qualmte es in fast allen Gästeblöcken: Schalke, Hamburg, Bayern München oder Borussia Mönchengladbach (alles Wiederholungstäter!). Nun, wenn der DFB hart und Mann genug wäre, müsste er hier ebenso rigorose Strafen aussprechen wie im Fall Dresden. Wir von turus.net wollen das natürlich nicht, jedoch wären Punktabzug oder Wettbewerbsausschluss eigentlich die folgerichtige Maßnahme.
Fotos: Marco Bertram, UiSF, P. Schoedler