Hut ab vor der sportlichen Leistung des Bundesligaaufsteigers Hertha BSC! Wer hätte das im Vorfeld gedacht? Ein 6:1-Sieg gegen den Europapokalteilnehmer Eintracht Frankfurt! Hut ab zudem vor beiden Fanlagern im mit knapp 55.000 Zuschauern recht ordentlich gefüllten Berliner Olympiastadion! Auf Hertha-Seite wusste die Ostkurve beim Bundesligaauftakt zu gefallen, auf Gästeseite war indes erfreulich, dass trotz der bösen Klatsche auf dem Rasen bis zum Ende supportet und nach Abpfiff sogar die eigene Mannschaft gefeiert wurde.
Hertha BSC vs. Eintracht Frankfurt: Furioser 6:1-Sieg und Pluspunkte für beide Fanseiten
Der Nachmittag begann um 13 Uhr mit einem Trauermarsch vom U-Bahnhof Olympiastadion bis hin zum Eingang an der Ostseite des Stadiongeländes. Grund war der plötzliche Tod des 1983 geborenen Hertha-Fans Philip, der in der Ostkurve eine echte Größe war. Schweigend zogen die meist jüngeren Hertha-Anhänger mit einer „Mighty Mob“-Fahne unter dem Motto „Philip – Herthaner über den Tod hinaus“ zum Stadion. Dort wurde sich vor den olympischen Ringen für ein Erinnerungsfoto aufgestellt. Nach einem kräftigen „Ha ho he!“ löste sich die Gruppe auf und zog in Richtung Ostkurve.
Nach Anpfiff gab es noch eine Schweigeminute der Fans, an der auch der gut gefüllte Gästebereich teilnahm. Wer als Frankfurter nicht im Bilde war und etwas rief, wurde von einem der Capos der Ultras Frankfurt lautstark ermahnt. Jedoch schien die Masse informiert gewesen zu sein und beteiligte sich an dieser begrüßenswerten Aktion. Apropos Frankfurt. Nach dem vergangenen Auftritt bei Hertha BSC kursierten vor dem jetzigen Spiel einige Gerüchte, dass es wieder ungemütlich werden könnte. Allerdings zeigte bereits das im Großen und Ganzen entspannte Beisammensein im Umfeld des Olympiastadions, dass es wohl ein friedlicher Nachmittag werden würde.
Durchaus angenehm war die Einlasssituation an den Eingängen des Stadions, und auch die zweite Kontrolle am Block G (Gästeblock) verlief entspannter als bei manch einer Partie in den Spielzeiten zuvor. Einige tausend Eintracht-Fans hatten sich von Nah und Fern auf den Weg gemacht, um ihr Team im ersten Saisonspiel lautstark zu unterstützen. So waren der Gästeblock und der darüber liegende Block im Oberrang gefüllt. Außerdem waren einige Frankfurter im Nachbarblock und im Block K auf der anderen Seite des Marathontors anzutreffen. In Kombination mit der stimmgewaltigen blau-weißen Ostkurve bot sich eine für die erste Liga angemessene Fußballatmosphäre.
Nach dem DFB-Pokalspiel in Neumünster, das fast in die Hose ging und denkbar knapp mit 3:2 nach Verlängerung gewonnen werden konnte, meldeten sich in der Hauptstadt bereits wieder die ersten Skeptiker. Und dann solch ein fulminantes Spiel gegen die Frankfurter Eintracht! Dabei fing das Spiel aus Sicht der Hessen gar nicht mal so übel an. Den Schwung aus der letzten Saison mitnehmend, erspielte sich die Eintracht in der ersten Viertelstunde ein paar gute Möglichkeiten, die jedoch nicht in Tore umgemünzt werden konnten. Nach 15 Minuten legte jedoch Hertha ein Schippchen drauf und erhöhte gewaltig den Druck auf das Gästegehäuse. Nach Vorarbeit von Allagui und Ben-Hatira schließlich der 1:0-Treffer, erzielt von Ramos, der von links mustergültig bedient wurde.
Die Berliner blieben am Drücker. In der 32. Minute bekamen die Frankfurter den Ball nicht weg, John Anthony Brooks (seit 2007 im Verein) erzielte den zweiten Treffer seiner Laufbahn für Hertha BSC. Glückseligkeit bei den Hertha-Fans, lange Gesichter beim Gästeanhang. Allerdings sollten sich nur fünf Minuten später die Gesichtszüge der Frankfurter Fans mächtig aufhellen. Zunächst klatschte der abgelenkte Ball an den Pfosten, dann wurde Jan Rosenthal von Ramos von den Beinen geholt. Alexander Meier, bereits seit Juli 2004 bei der SGE und somit schon ein echtes Urgestein, übernahm Verantwortung und trat zum Elfmeterpunkt und verwandelte souverän den fälligen Strafstoß. 1:2-Anschlusstreffer der Eintracht. Hoffungsvoller Jubel beim Gästeanhang.
In der zweiten Halbzeit dann die große Hertha-Show. Nicht, dass die Eintracht überaus mies gespielt hatte, vielmehr wussten die Berliner die Schwächen der Gästeabwehr exzellent zu nutzen. Bei zwischenzeitlichem Regen ließ es Sami Allagui in Form eines Doppelschlages in der 58. und 60. Minute krachen. 4:1 für Hertha BSC, so schnell kann´s gehen! Die Ostkurve feierte ihr Team. Den Gästefans war klar, dass hier nichts mehr zu holen war. Miese Laune oder gar Wut? Kaum zu spüren. Nachdem sozusagen der Drops gelutscht war, hieß es bei zahlreichen Eintracht-Fans: Was soll´s, wird halt trotzdem gefeiert. Die Freude über die zurückliegende Saison und die Vorfreude auf die kommenden Aufgaben in der UEFA Europa League überwiegen derzeit ganz klar. Sollte die play-off-Runde (22. und 29. August) gegen den aserbaidschanischen Vertreter FK Qarabag Agdam gemeistert werden, winkt schließlich die lukrative Gruppenphase.
Während die Ostkurve lautstark „Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey!“ rief, ertönte es vor allem im unteren Bereich des Gästeblocks noch immer „Eintracht! Eintracht!“ Die Berliner ließen auf dem Rasen indes nicht locker und konnten in der 71. Minute (Ramos) und 89. Minute (Ronny) zum 5:1 bzw. 6:1 nachlegen. In den Köpfen vieler Eintracht-Fans war dieses Spiel im Kopf bereits abgehakt. „... und den Eintracht-Fraaaankfuuurt-Waaalzer tanzen wir ...“, erklang es nun lautstark. Glücklich wird gewiss niemand über diese derbe Klatsche gewesen sein, doch der schwarz-rot-weiße Anhang nahm diese Auftaktniederlage überaus fair und sportlich hin. So wurde nach Abpfiff sogar die Mannschaft herangerufen und beklatscht. Eine Geste, die man gewiss nicht allzu häufig nach solch einer hohen Niederlage sieht.
Hertha BSC steht nun auf dem Platz an der Sonne – und das vor den üblichen Verdächtigen Borussia Dortmund, Bayer 04 Leverkusen und FC Bayern München. Wer weiß, vielleicht können die Berliner in der kommenden Woche beim 1. FC Nürnberg nachlegen und weiterhin die Bundesligawelt von oben betrachten. Auf Eintracht Frankfurt wartet indes am 17. August eine echte Herausforderung. Zu Gast ist dann kein geringerer als der deutsche Rekordmeister. Vielleicht jetzt erst recht, wenn nach solch einer Pleite kaum einer die Mannschaft auf der Rechnung hat, gelingt nach dem Motto „zu verlieren gibt es jetzt eh nichts mehr“ einen Überraschungserfolg...
Fotos: Marco Bertram
> zur turus-Fotostrecke: Hertha BSC
> zur turus-Fotostrecke: Eintracht Frankfurt