Nein, es macht einfach keinen Sinn! Da hilft es auch nicht, eine Nacht drüber zu schlafen. Aus Sicherheitsgründen wurde das Auswärtsspiel des 1. FC Lokomotive Leipzig beim FC Erzgebirge Aue II von Sonntag auf Mittwochabend verlegt. Auswärts 18 Uhr im Erzgebirgsstadion. Prima Sache für Oberliga-Spieler, die tagsüber auch noch einer anderen Arbeit nachgehen müssen. Dass manch einer beim 1. FC Lok in Rage war, ist allzu verständlich, zumal Aue II gleich sieben Spieler eingesetzt hatte, die auch in der 2. Bundesliga zum Einsatz kamen. Nun aber das Krönchen: Auswärts in Aue am Sonntagnachmittag geht nicht, aber das brisante Duell RasenBallsport Leipzig II vs. 1. FC Lokomotive Leipzig kann durchaus am Samstag in Markranstädt im Stadion am Bad ausgetragen werden?! Wo bleibt die Logik?!
RB Leipzig II vs. 1. FC Lok Leipzig: Ein Duell ohne Tore und mit vielen offenen Fragen
HotEs gab Zeiten, in denen wurden die Oberligaspiele der ersten Mannschaft von RasenBallsport gegen die Stadtrivalen FC Sachsen Leipzig und 1. FC Lokomotive (vor dem Umzug aus Markranstädt nach Leipzig) ins Zentralstadion verlegt. Gegen die Loksche in den Spielzeiten 2008/09 und 2009/10 sowie gegen den damaligen FC Sachsen in der Saison 2009/10. Man erinnere sich: RB Leipzig vs. FC Sachsen Leipzig genau an jenem Ort am 06. Dezember 2009. Nun mögen manche sagen: Na, okay, das ist über fünf Jahre her und das Stadion in Markranstädt wurde inzwischen gewiss aufgemöbelt. Die Frage ist nur wo. Für rund 2.000 Gästefans gibt es einen einzigen Eingang, der anliegende Parkplatz bietet gewisse Möglichkeiten für einen seitlichen Blocksturm und ein Häufchen Heimfans durfte sich hinter das Tor auf die abschüssige Grasfläche unter der Anzeigetafel stellen. Wie gesagt, irgendwie ergab das Ganze keinen Sinn.
Der Reihe nach. 1.750 Tickets würde der 1. FC Lokomotive Leipzig erhalten, hieß es im Vorfeld. Macht Sinn, da wie gesagt das Stadion nicht wirklich für einen Massenansturm ausgelegt ist. Allerdings darf der Spielort ernsthaft hinterfragt werden, zumal immer wieder zu vernehmen war, dass trotzdem rund 3.000 Lok-Fans anreisen werden. Auch ohne Eintrittskarte. Für reichlich Brisanz war gesorgt. Von Stadt, Verband und örtlichen Medien fühlt sich der 1. FC Lokomotive im Stich gelassen, zum Teil sogar mächtig in den Hintern getreten. „In Leipzig zählt nur noch Red Bull. Ist so. Geld regiert die Welt!“ erklärte später ein neutraler Zuschauer im Stadion. „Die können machen was sie wollen. Red Bull möchte nicht nur ein Stück vom Kuchen, die wollen die ganze Torte. Auch die Amateure sollen schnellstmöglich hoch. 3. Liga in wenigen Jahren.“
Um zu zeigen, dass Leipzig inzwischen nicht nur rot-weiß ist, wie es immer groß und breit auf sauber gemalten Bannern zu lesen ist, sondern neben den chemischen Farben grün und weiß auch blau und gelb ist, hatte die Fanszene des 1. FC Lokomotive Leipzig mobil gemacht. Alle sollten sich ab 12 Uhr mittags auf dem Marktplatz in Markranstädt treffen. Zudem sollten sämtliche Kneipen und Imbisse besetzt werden, um ein klares Zeichen zu setzen. In der Tat, selbst in einem Café fanden sich zahlreiche Lok-Fans ein. Manche schmausten Stachelbeertorte und tranken einen Eierlikör. Die ersten hatten sich das schwarze angefertigte Motto-Shirt mit der Aufschrift „Bullen schlachten“ übergezogen. Welches Motiv dieses Shirt haben würde, blieb bis zum Spieltag geheim. Auch der Verein wurde anscheinend nicht in Kenntnis gesetzt.
Dass sich letztendlich an der Kirche am Markt nicht 3.000 Lok-Fans getroffen haben, liegt an zwei Punkten. Zum einen ist der 1. FC Lokomotive nicht der F.C. Hansa Rostock, der solch einen Marsch stramm vorbereiten und umsetzen kann, zum anderen ist die Fanszene des 1. FC Lok ziemlich zersplittert. Zum einen all die Leute um die „Gauner“ (einst Scenario Lok), zum anderen die Ultras von der Fankurve 1966 und all die älteren Lok-Fans, die komplett ihr eigenes Ding machen. Aber immerhin, rund 450 Lok-Fans konnten gebündelt werden. Mit 350 Mann ging es als Marsch los, auf dem Weg zum Stadion schlossen sich zahlreiche weitere Anhänger an. Für einen Oberligisten ganz gewiss keine schlechte Hausnummer. Kurz vor dem Abbiegen in den Wald stieß eine Gruppe Lok-Fans mit einem markanten Frontbanner dazu. „Wir sind Leipzig, Ihr F*tzen!!!“ war unübersehbar weiß auf schwarz zu lesen.
Kurz vor dem Eintreffen am Stadion stieg die Anspannung. Viele Polizisten rechneten mit einem Losrennen der Lok-Fans und einem Sturm des Gästeblocks. Das Anrennen blieb jedoch aus. In Seelenruhe wurde sich vor dem Einlass platziert. Die Ansage der Ordner war klar und deutlich. Mit dem T-Shirt „Bullen schlachten“ würde niemand in das Stadion kommen. Somit wurden Shirts umgedreht, untergezogen oder als Schal um den Hals gebunden. Nicht immer nutzte das was. Der Karton für die Zwischenlagerung stand bereit. Ausziehen und hineinwerfen. Oder draußen bleiben. Die Atmosphäre erhitzte sich. Einzelne warfen sogar die Eintrittskarten den Ordnern vor die Füße und bahnten sich durch das Unterholz den Weg zum Heimbereich. Andere versuchten auf anderem Wege in den Gästeblock zu gelangen.
Während es am eigentlich Einlass hektisch wurde, drängten einige Lok-Fans über den Parkplatz über einen Zaun ins Stadion. Gefährliche Situationen, die man hätte entschärfen können. Vom Spielfeld aus war die Aufschrift der Shirts beim besten Willen nicht erkennbar. Kurzum: Man hätte einfach ein Auge zudrücken können. Dass auf den Einsatz auf Pyrotechnik im Stadion verzichtet wird, war im Vorfeld eh zu vernehmen. Nur nicht dem Verband und den Medien Futter in Form von Pyro und Platzsturm geben. Der größte Sieg sei, wenn es auf den Rängen friedlich bleibe, erklärte ein älterer Lok-Fan, der bereits seit über 30 Jahren zu den Spielen geht.
Als es sich am Einlass mächtig knubbelte, eilte sogar Sportdirektor Mario Basler zum Einlass des Gästeblocks, um das Gespräch zu suchen. Wie andere Vereinsverantwortliche des 1. FC Lok schüttelte auch er nur den Kopf über die Zustände im Markranstädter Stadion. Apropos Mario Basler, immer wieder war er an diesem Nachmittag zu sehen. Immer wieder war er vor Ort, wenn es hitzig wurde. Er beschwichtigte, stand mit Rat und Tat zur Seite. Keine Frage, dieser Mann ist ein echter Zugewinn für den Verein. Ein Mann, der weiß, wie Fans ticken, und einschätzen kann, wenn es an diversen Ecken hakt und quietscht.
Kurz vor Anpfiff stellte sich eine weitere Frage. Warum um Himmelswillen standen auf der Wiese hinter dem Tor Anhänger von RasenBallsport Leipzig? Und tat es Not, bei solch einem aufgeheizten Duell ein riesiges Spruchband mit der Aufschrift „Auch bei den Amateuren weiß man Bescheid - Leipzig ist rot-weiß“ aufzuhängen? Logisch, es ist ihr Heimspiel und somit ihr Recht, aber etwas mehr Dampf hätte man aus diesem Oberligaspiel nehmen können. Bei einem Sicherheitsspiel in solch einem Stadion müsste eine Sache klar sein: Heimfans nur auf der Seite der Haupttribüne, Gästefans auf der Gegengerade. Basta. Pufferzonen in beiden Kurven - fertig. Auch wenn es zwischen der kleinen Gruppe Heimfans unter der Anzeigetafel und den rund 2.000 Lok-Fans einen mit Bauzäunen abgesperrten Bereich gab, so stellte sich trotzdem die Frage, weshalb die RB-Fans nicht mit zu den anderen an die Seite der überdachten Haupttribüne platziert wurden. Schließlich blieben auf der gegenüberliegenden Seite auch zwei Stehblöcke komplett leer.
Am Ende hatten sich offiziell insgesamt 2.770 Zuschauer auf den Rängen eingefunden. Die Ultras von der Fankurve 1966 hatten zu Beginn einen kleinen Hingucker vorbereitet. Blaue Luftballons und ein Spruchband mit der Aufschrift „Wer noch nie am Abgrund stand, dem werden auch keine Flügel wachsen.“ Dazu eine weiße aus Pappe angefertigte Figur mit Flügeln, die der Viktoria (deutsche Meistertrophäe) sehr ähnlich sah. Im Bereich der „Gauner“ wurde das lange alte Banner „1. FC Lokomotive Leipzig“ befestigt. Weitere optische Aktionen waren weitgehend nicht möglich. In der zweiten Halbzeit wurden zwei aus Stoff angefertigte Spruchbänder präsentiert: „Derby wollen …? Aber 110 wählen!!!“ Zudem holten einige die Motto-Shirts hervor, streiften sie über oder hielten sie einfach in die Höhe.
Auf dem Rasen gab es indes eine spannende Partie zu sehen, in der beide Mannschaften engagiert zu Werke gingen und in der die Loksche auf Augenhöhe spielen konnte. Bereits nach sieben Minuten hatte Lok, über die linke Seite kommend, die erste fette Möglichkeit. Die wohl dickste Chance der Blau-Gelben ergab sich in der 37. Minute, doch den guten Kopfball konnte der RB-Keeper klären. In der zweiten Halbzeit der gleiche Anblick: Ein couragiertes Spiel auf beiden Seiten, bei dem die Lokomotive durchaus den Siegtreffer hätte erzielen können. Während aus drei Ecken die Wechselgesänge des 1. FC Lok ertönten (auch auf Seite der Haupttribüne befanden sich ein paar Gästefans), streifte in der 80. Minute ein Schuss knapp über das Gehäuse der RasenBallisten. Fünf Minuten später wurden zwischen Gästeblock und begrünter Heimkurve die ersten polizeilichen Einsatzkräfte abgezogen. Kurz vor Spielschluss hatte Lok noch einen Möglichkeit per Freistoß von der Strafraumgrenze, doch der geschossene Ball landete in den Händen des Keepers.
Es blieb beim 0:0 und während die Lok-Spieler die letzten Fans abklatschten, wurde es seitlich der Haupttribüne kurzzeitig hektisch. Eines dieser schwarzen Motto-Shirts war wohl Anlass für eine Rangelei zwischen ein paar Lok-Fans und einer jungen überaus motivierten Gruppe RB-Fans. Es wurde für zwei, drei Minuten sehr erhitzt, doch an dieser Stelle ein großes Lob an die heraneilenden Ordner, welche die Situation gekonnt entschärfen konnten. Das war auch nötig, denn einzelne überaus erregte RB-Anhänger wollten es wirklich wissen. Lob auch an dieser Stelle an Mario Basler und einige Betreuer, die sich beschwichtigend dazwischen stellten.
Während jedoch diese Situation geklärt war, konnte mit Erstaunen auf der Gegengerade eine Laufbewegung festgestellt werden. Rund 10 Personen eilten von der besagten begrünten Kurve kommend in Richtung Gästeblock, der jedoch bereits ziemlich leer war. Schnell füllte sich dieser mit heranstürmenden Lok-Fans. Als die Polizisten hinzu eilten, erfolgte die Laufbewegung wieder in die andere Richtung. Ob dies wirklich ein versuchter Angriff von zehn RB-Fans war, blieb ungeklärt. Auch hier gilt, wie bei anderen Spielen: Man weiß nie, wer sich bei solchen Partien unters Volk mischt.
Vor dem Stadion wurde auf dem Parkplatz noch reichlich Pyrotechnik gezündet. Nachdem die RB-Fans mit bereitgestellten Shuttle-Bussen abtransportiert wurden, beruhigte sich die Situation nach und nach. Auch wenn es unter dem Strich trotz all der Brisanz weitgehend friedlich blieb, so bleiben etliche ungeklärte Fragen im Raum …
Fotos: Marco Bertram
Ligen
Benutzer-Kommentare
Nein, beim Spiel gegen Darmstadt 98 war ich nicht vor Ort. Der Grund war ein ganz einfacher: Es war abzusehen, dass nur sehr wenig Darmstädter Fans nach Leipzig reisen werden.
Um jedoch aber das Thema RasenBallsport Leipzig weiter schreiben zu können, fahre ich am kommenden Sonntag nach Hamburg, um ausführlich über das Duell FC St. Pauli vs. RasenBallsport Leipzig zu berichten.
Beste Grüße
Marco (turus.net)
konnten Sie sich von den Einlasskontrollen überzeugen und dem Spiel beiwohnen?
War alles im grünen Bereich?
VG