Diverse Studiengänge erfordern in Greifswald einen Leistungsnachweis in den Landes- und Kulturstudien. Das heißt, dass man an der Slawistik zum Beispiel die Möglichkeit bekommt, sich einen Einblick in die Kultur und Charakteristik Polens zu verschaffen. Da sich unter den Teilnehmern des Seminars „Entlang der Ostseeküste“ auch ein bekanntes Gesicht aus dem Bereich Fankultur befindet, gab es die Gelegenheit einer Lesung eines turus-Autors in Kombination mit einem Fachvortrag jenes „alten Polen-Hasens“. Die Rahmenbedingungen waren perefekt und auch ohne Vorankündigung war die Veranstaltung gut besucht. An einem Freitag zur abendlichen Zeit hätte es sich vielleicht sogar gelohnt, einen kompletten Hörsaal zu mieten.
Fußball an der polnischen Ostseeküste: Die letzte Lesung in Greifswalds Slawistik?
Die Themenvorgabe war klar. Bei Vortrag und Lesung musste es um den polnischen Ostseeraum gehen. Da haben sich die Berichte (aus dem Buch „Zwischen den Welten“) über die Spiele zwischen Pogoń Lębork und Gryf Słupsk sowie Szczecin und Lechia Gdańsk förmlich angeboten. Den Beginn machte jedoch der Vertreter der alten Polen-Fahrer-Garde, der nach wie vor zu Polen hält, aber seine Aktivitäten doch sehr zurückgeschraubt hat.
Beim Vortrag fing er sogleich an, über einen der emotionalsten Momente zu berichten und bezog sich dabei auf den Regierungsbeschluss vom 13. Mai 2011, als, um eine schlechte Berichterstattung vor der EURO 2012 zu unterbinden, dem ganzen polnischen Volk das Auswärtsfahren verboten wurde. Mit dem Verabschieden des Gesetzes über das Abhalten von Massenveranstaltungen unter erhöhtem Risiko wurde ein kritischer Zustand erreicht. Die festgelegten Strafen, die sogar einen Freiheitsentzug für Nichtigkeiten nach sich ziehen können, sind so abstrus und aggressiv, dass man glauben könnte, in düstere Zeiten der europäischen Geschichte zurückversetzt worden zu sein.
Der Begriff „düstere Zeit“ ist gar nicht so abwegig, da man mittlerweile an einem Punkt angelangt ist, wo die staatlichen Mächte teilweise scheinbar machen was sie wollen. Das jüngste Beispiel ist die Tötung eines Górnik-Fans aus Knurów vom 2. Mai 2015. Zwar wurde im ersten Moment „Tod für Tod“ ausgerufen, doch auf diese niedrige Niveau-Stufe wird man sich nicht stellen. Die Fans leben noch nach traditionellen Werten entgegen der Art der immer schneller verlaufenden Entwicklung ringsherum. Fans scheinen aufgrund ihres patriotischen und kritischen Charakters ein Dorn in den Augen vieler zu sein.
Nach der Vergabe der Europameisterschaft, wurde das Klima immer rauer. Während es in den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende überall bunte Fanblöcke gab (auch in kleinen Städten), schaut man sich in vielen Stadien um und überlegt, wo nur die Atmosphäre geblieben ist. Ganz klar - die Großen ziehen noch immer viele Leute an, aber die kleinen Vereine haben es schwer. Die sportlichen Darbietungen sind nicht die besten und das Rahmenprogramm stimmt einfach nicht mehr. So veränderte sich das Publikum in wenigen Jahren. Die Jugend fehlt. Es ist einleuchtend, dass ein Jugendlicher es nicht so prickelnd findet, sich dem paranoiden Hass des Staates auszusetzen. Niemand möchte es erleben, dass der eskortierte Bus einfach so für eine Prügelorgie der begleitenden Polizei-Einheit zur terroristischen Gefahrenabwehr gestoppt wird. Durch viele dokumentierte Fälle konnte bei Vortrag und Lesung den Studenten ein realistischer Blick auf die Fußballwelt in Polen vermittelt werden. Es ist unverständlich, wie solch ein gut funktionierender Mikrokosmos, der Amateurfußball heißt, nun vom Aussterben bedroht ist.
Auch in der Bundesrepublik sind einige Sachen nicht verständlich. Eine grandiose Veranstaltung wie diese, wird demnächst in diesem Rahmen eventuell nicht mehr zu ermöglichen sein, da auch laut eines Artikels und einer Unterschriftensammlung die Slawistik von Kürzungen bis hin zur Schließung bedroht ist. Weitere dieser Einrichtungen, welche auch noch mit der ausgezeichneten Lage glänzen, gibt es im Prinzip in Deutschland nicht. Egal, was bzw. wer nun dahinter steht, es läuft etwas verkehrt. Aufgrund der fehlenden Transparenz wird man als Außenstehender den Verursacher nicht ermitteln können. Man sieht es immer sehr schön, wenn sich auch kleine Kommunen über Fehler der Lokalpolitik aufregen, wenn sie beispielsweise für deren Versäumnisse zahlen müssen. Seriös und logisch ist eine Schließung der Slawistik Greifswald jedenfalls nicht! Mal ehrlich - sogar hier findet man eine Verbindung zum polnischen Fußball. Während man es in Polen auf kritisierende Fans abgesehen hat, „rottet“ man hier die Geisteswissenschaften aus. Ein denkender Mensch bringt dem einen oder anderen wohl nichts – außer Ärger!
Wer die Slawistik Greifswald unterstützen möchte:
Benutzer-Kommentare
Interessengruppen, die sonst das Maul aufreißen bei jeglicher internationaler Kooperation, zeigen bei den Geisteswissenschaften überraschenderweise kein Interesse...
Wo ist Brüssel, wenn man es braucht...?!
Trzymajcie się!
Slawistyka też!