F.C. Hansa Rostock: Die letzten Worte zu einer verkorksten Saison

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MB Updated 04 Juli 2015
F.C. Hansa Rostock: Die letzten Worte zu einer verkorksten Saison

Hansa - msv 2014Noch nie hatte die erste Mannschaft des F.C. Hansa Rostock unterhalb des Profifußballs gespielt. Seit dem Fall der Mauer bis 2010 war der F.C. Hansa stets in der 1. und 2. Bundesliga auf Achse. Groß genug war der Schock, als es am Ende der Spielzeit 2009/10 noch eine Etage tiefer ging. Glücklicherweise dämpfte die kurz zuvor geschaffene 3. Liga den sportlichen Absturz, zumal ein Jahr später gemeinsam mit der SG Dynamo Dresden die Rückkehr in die zweite Liga gelang. Allerdings konnte die Klasse nicht gehalten werden und seit nun mehr drei Jahren steckt die Kogge in der 3. Liga fest. Und schlimmer noch. In der zurückliegenden Saison drohte der sportliche Absturz in die Regionalliga (vom finanziellen Problem mal ganz abgesehen). Haarscharf schlitterte der F.C. Hansa am Abstieg vorbei, aus eigener Kraft konnte der Klassenerhalt nicht gepackt werden. Am Ende durfte man sich für die Schützenhilfe des FC Rot-Weiß Erfurt bedanken. 

erfurtAllerdings schienen bereits im Dezember 2014 die Lichter im Ostseestadion auszugehen. Mit Trainer Peter Vollmann wurde die Sache mächtig in den Schlamm gesetzt. 0:2 gegen den SC Preußen Münster vor 5.600 Zuschauern, ein völlig desolates 1:4 in Erfurt (bereits mit dem neuen Coach Karsten Baumann an der Linie) und ein noch erschreckenderes 0:4 gegen Holstein Kiel vor immerhin 7.900 Zuschauern folgten. Und das vier Tage vor Heiligabend! Im wahrsten Sinne des Wortes brannte an der Küste der Baum. 

HalleEs wurde ausgemistet. Es wurden neue Spieler geholt. Es wurde viel gesprochen. Ein beachtlicher Mob Hansa-Fans begleitete die neu zusammengestellte Mannschaft ins Trainingslager. Aussprache am Pool. Klärende Worte. Jedem war nun klar: Es ging um alles. Und siehe da: Nach der Winterpause gelang dem F.C. Hansa eine beeindruckende Aufholjagd. Mit einem 2:1 beim SV Wehen Wiesbaden hatte am 31. Januar 2015 alles begonnen. Hansa kletterte stetig höher und schien den Klassenerhalt bereits vor Saisonende sichern zu können, doch am Ende ging dann doch die Puste aus. Zwar wurde in Greifswald noch der Landespokal gesichert, doch das folgende Heimspiel gegen den FC Energie Cottbus ging vor vollen Rängen mit 0:1 verloren. Bibbern und Zittern am letzten Spieltag. Ausgerechnet bei der SG Dynamo Dresden musste der F.C. Hansa Roctock gewinnen. Dazu das große Hickhack um die Gästetickets. Boykott? Demo in Dresden? Am Ende durfte der eigentliche Gästeblock doch recht ansehnlich gefüllt werden.

Arg mitgelitten hatte unsere Autorin Mia B., die dem F.C. Hansa Rostock die Daumen drückt und in den vergangenen Jahren von Thüringen aus zu fast allen Heim- und Auswärtsspielen reiste. Aus beruflichen Gründen wird sie in Zukunft weniger Berichte über ihren Verein schreiben können. Aus diesem Grund erhält sie an dieser Stelle die Möglichkeit, die letzten Monate der nervenzehrenden Saison Revue passieren zu lassen. Hier ihre Eindrücke:

HansaEs ist ein verregneter und kalter Samstag im beschaulichen Thüringen. Erst beim Blick auf den Kalender realisiere ich, dass es exakt einen Monat her ist, als ich einen der anstrengendsten Tage in meinem noch jungen Leben hinter mir habe. Es war Samstag, der 23. Mai 2015. Ein Tag, den letztendlich viele von uns Hansa-Fans zum Glück eher positiv im Gedächtnis behalten werden. Nachdem das letzte Heimspiel gegen den FC Energie Cottbus verloren wurde, war es traurige Gewissheit. Ausgerechnet in Dresden mussten wir uns nun den eigentlich schon sicher geglaubten Klassenerhalt jetzt noch sichern. Was in diesem Moment in mir selbst vorging, kann ich nicht mehr wirklich beschreiben. Nur, dass einige Leute eine ganze Zeit lang zu tun hatten, mich wieder aufzubauen. Als dann einer der verbliebenen Leute auf der Süd ein lautes “SCHEISSE!” durch das mittlerweile leere Stadion brüllte, war das so ziemlich die beste Beschreibung für das Gefühl der kommenden Woche.

Kaum Schlaf, keine Konzentration in der Schule und auf Arbeit, dazu die ständigen Sticheleien von den schlauen Anhängern erfolgsverwöhnter Vereine, die sich überall tummeln. All das waren keine wirklich guten Voraussetzungen, um fit und erholt in den entscheidenden Tag zu starten.

Im Prinzip hatte ich keine andere Wahl und so fand auch ich über einige, zum Teil dann doch recht nervige Umwege, den Weg nach Dresden. Umso näher es dem Anpfiff entgegenging, desto nervöser wurde ich. Wie da eine junge Gruppe von Hansa-Fans noch zu Disco-Mucke um den Transporter tanzen und so tun konnte, als wäre dies ein Spieltag wie jeder andere auch, bleibt mir bis heute ein Rätsel. Das war allerdings auch eine Ausnahme. Noch nie hab ich auf dem Gästeparkplatz vor einem Spiel so viele Leute mit Wasser statt Bier in der Hand gesehen und trotz der vielen Leute war es extrem ruhig, wenn man mal von der Musik aus besagtem Transporter absieht.

HansaIrgendwann kam dann für mich der Zeitpunkt, an dem ich einfach nur für mich allein sein wollte. Weg von der Gruppe, ab in den nächsten Bus zum Stadion und dann gewartet, dass das Spiel angepfiffen wird und möglichst schnell vorbei geht. Ich muss zugeben, gefühlt ging das Spiel letztendlich wirklich ziemlich schnell rum. Nachdem sich in der Halbzeitpause der Zwischenstand aus Erfurt herumgesprochen hatte, sorgte das für Beruhigung. Da das Ergebnis dort so blieb, war es letztendlich auch fast egal, dass wir selber das Spiel noch verloren. Auch wenn der Torjubel meines Hintermannes dafür gesorgt hat, dass die Erinnerungen an den Tag teilweise nur noch verschwommen im Geiste verblieben, sind diese so ziemlich das emotionalste, was ich in meiner jungen Zeit als Hansa-Fan erlebt habe. Dieser Wechsel von Angst, über kurze Erleichterung, dann doch wieder das Zittern, die grenzenlose Freude und letztendlich dann doch die vielen Fragen, die man sich stellte.

Egal, wie man letztendlich diesen Spieltag deuten mag. Für die einen haben wir nur durch Schützenhilfe den Klassenerhalt geschafft. Für die anderen, und dieser Meinung schließe ich mich an, haben wir mit einer starken Aufholjagd nach der Winterpause noch den Sprung über den Strich geschafft.

HansaAuch wenn ich wie immer nur sehr kurz die Schnauze voll vom Fußball hatte, bleibt diese Saison durchweg negativ in Erinnerung. Das ist auch der Grund, warum es wirklich einen Monat gedauert hat, bis ich mich aufraffen konnte, ein paar Zeilen dazu zu schreiben. Zu schlecht waren aus meiner Sicht die Darbietungen besonders zum Ende der Hinrunde. Die top Rückrunde ist natürlich super, aber schafft es leider auch nicht, diese miesen Erfahrungen komplett auszugleichen. Es wurde einfach zu viel verspielt und bei manch einem Spieler, dem jetzt hinterhergetrauert wird, bin ich ganz und gar nicht böse, dass er sein Glück bei einem anderen Verein “mit seinen großartigen Fans und der tollen Stimmung bei Heim- und Auswärtsspielen” versuchen darf.

HansaAuch was die Fahrten angeht, war diese Saison – um es vorsichtig auszudrücken – zum Kotzen. Gefühlt jedes zweite Heimspiel wurde uns durch die Streiks der Lokführergewerkschaft versaut (bzw. verteuert, abgehalten hat uns das natürlich nicht) oder wir kamen dadurch ziemlich in Bedrängnis. Zum Heimspiel gegen Halle beispielsweise, als wir durch den ersten Streik die komplette Fahrt mit dem WET-Mob aus Halle zusammen genießen durften. Aufgrund eines nicht vorhandenen Planes gab es kein Entkommen und so sah man sich immer wieder den Fragen der Hallenser ausgesetzt. Es ist natürlich auch nicht gerade unauffällig, wenn drei junge Leute, die angeblich absolut gar nichts mit Fußball zutun haben, ausgerechnet an diesem Tag in Richtung Rostock fahren. Zum Glück spielte uns die Dummheit des fragenden Personals in die Karten und weil dort die Meinung herrschte, dass Warnemünde in Schleswig-Holstein liegt, waren wir letztendlich fein raus.

FanhausAuch wenn nicht gestreikt wurde, schaffte es die Deutsche Bahn trotzdem, aus einer eigentlich ganz normalen Fahrt ein (teures) Erlebnis zu machen. Zum Heimspiel gegen Dortmund, als wir nach fast sechs Stunden Fahrt immer noch in Sachsen-Anhalt rumeierten und eine Ankunft in Rostock vor Ende der Spielzeit nicht mehr in Sicht war, ging es kurzerhand mit zwei Mietwagen ab Magdeburg weiter. Ein Glück waren genau zwei Leute dabei, die zu dem Zeitpunkt noch fahrtauglich waren. Das größte Glück des Tages war allerdings, dass genau diese beiden dann auch noch die einzigen Besitzer eines Führerscheins waren. Am Rande des Erlaubten und mit zwischenzeitlichem Pullerpausen-Verbot, unter dem vor allem der Beifahrer des zweiten Autos sehr zu leiden hatte, startete dann also der nächste Versuch, das Spiel noch zu erleben.

HansaEtwa zehn Minuten vor Anpfiff fand sich auch der letzte Mitfahrer der Gruppe im Stadion ein, sodass man das Experiment durchaus als gelungen ansehen kann. Wenn man den Spielverlauf betrachtet, hat es sich für uns auf jeden Fall gelohnt und wir waren uns einig, dass wir uns selbst in den Arsch gebissen hätten, wenn wir in Magdeburg einfach umgedreht und wieder nach Hause gefahren wären. Eine Wiederholung ist meinerseits übrigens nicht erwünscht und auf die Antworten aus den Beschwerden und Geldforderungen an die Deutsche Bahn wartet man bis heute vergebens. Also im Prinzip eigentlich nichts neues. Sänk ju for noffing.

Aber es war ja auch nicht alles schlecht. Gerade die wenigen gelungenen Fahrten, vor allem zu Heimspielen, die ohne jegliche Zwischenfälle abliefen, haben viele von uns deshalb umso mehr genossen. Auch wenn sich das Wort “genießen” bei manchen dann einfach nur im übermäßigen Alkoholkonsum bzw. verschütten des selbigen ausdrückt. Die, die dabei waren und mich kennen, werden wissen, was und vor allem wie das ganze gemeint ist.

suptrasEine im absolut positiven Sinne unvergessliche Fahrt hat diese Saison dann allerdings doch zu bieten. Ein eigentlich eher trauriger Anlass, nämlich die Abschiedsfeier eines Gruppenmitgliedes, bot den Rahmen dafür. Auch wenn unsere Gruppe und der sogenannte Dunstkreis mittlerweile ganz schön gewachsen ist, gibt es einen Kern von ungefähr zehn Leuten, die (zumindest fast) von Anfang an dabei waren. Genau diese waren es dann auch, die an dem Abend den Weg nach Halle fanden. Während der DJ mal wieder den Titel als Gruppenvollster abstaubte (Dimitri, beruhig dich!), genossen andere einfach nur den Abend. Mir wurde sogar berichtet, dass die alkoholfreie Fraktion beim Genuss von geklautem Alkohol erwischt wurde. Meiner Meinung nach sind das aber pure Gerüchte. 

HansaMit einem guten Mob ging es dann nach Bielefeld, wo zwar zum ersten Mal in der Rückrunde das Ergebnis nicht stimmte, aber der Einsatz der Leute auf dem Platz war in Ordnung sodass man durchaus positiv auf das kommende Heimspiel blicken konnte. Dieser Optimismus zeigte sich dann auch auf der Rückfahrt und während Minden dann noch in den Genuss der Mitteldeutschen Chor-Version vom Eiermann kam, mussten die Leute am Braunschweiger Bahnhof bei der Suche nach einem Verbrechertrio helfen. Schon stark, wie pflichtbewusst die Leute dort waren, denn einige haben die Aktion wohl wirklich ernst genommen.

Sportlich bleibt im Nachhinein nicht mehr viel, was man fast wörtlich nehmen kann. Wieder einmal verlassen viele Spieler den Verein und wieder geht ein Neuanfang seinen Gang. Ganz besonders freue ich mich, dass mit Tobias Jänicke ein Spieler zu uns zurückkommt, den ich nie gerne in den Reihen unserer Gegner gesehen habe. Es kann sein, dass der Eindruck trügt, aber ich glaube er hat sich als Gegner des F.C. Hansa auch nicht gerade wohl gefühlt.

HansaDen Optimismus, den einige aufgrund der Transfers und der ersten Trainingseindrücke haben, teile ich allerdings nicht. Zu schwer wiegen da die Enttäuschungen der letzten Jahre. Wenn es nach mir geht, könnten wir als Saisonziel mal den Klassenerhalt und ein positives Torverhältnis ausgeben. Damit schürt man keine riesige Erwartungen und erspart sich vor allem die Reaktionen, wenn diese nicht erfüllt werden. Das heißt nicht, dass ich mir nicht wünsche, dass es mehr wird. Es ist nur eine Art Schutz vor Enttäuschung. Nichts gegen irgendwen persönlich, aber wenn man sich im eigenen Stadion von hundert Kielern verspotten lassen muss, dann ist es eben echt nicht das Größte der Gefühle.

HansaViel Erfolg, Glück und vor allem Spaß bei den Fahrten wünsche ich auch denen, die in Zukunft weiterhin aus dem mitteldeutschen Raum den Weg zu Hansa, ganz besonders zu den Heimspielen finden. Auch wenn ich am Anfang der neuen Saison eventuell noch dabei bin, werde ich mich spätestens im Verlauf der Hinrunde aus dem Sendegebiet verabschieden. Und auch wenn mir einige Angewohnheiten gewisser Gruppenmitglieder oftmals ganz schön gegen den Strich gingen, war es eine unvergessliche Zeit mit Euch. Hab Euch lieb, Jungs!

Fotos: Marco Bertram, Arvid Langschwager (gegen Cottbus)

> zur turus-Fotostrecke: F.C. Hansa Rostock

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Artikel wurde veröffentlicht am
25 Juni 2015

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Der Schrecken steckt mir immer noch in den Knochen. Bin ich froh das das gut ging. Immerhin spielen wir im Pokal gegen Lautern.
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