Schauplatz: Ein Bahnsteig. Der Vorfall: Fünf Männer haben einen kurzzeitig am Boden Liegenden mächtig am Wickel. Aus einem gegenüber stehenden Zug hatte jemand mit einem Smartphone ein kurzes Video angefertigt. „Absolut scheiße“, murmelt jemand im Hintergrund, während auf der anderen Bahnsteigseite voll zugelangt wurde. „Was nen los?“, nuschelt jemand dazwischen. „FCM - Halle. Fußball“, wird der Fragende aufgeklärt. In diesem Moment wird das Handy gesenkt, der 30-sekündige Clip, der vielerorts in aller Munde ist, endet abrupt. Zu Beginn dieses Clips ist zu sehen, wie Magdeburger - bei zwei, drei Personen sind die Vereinsfarben erkennbar - über den Bahnsteig hasten. Typische Szenen vor / nach einem Fußballspiel, doch eher selten gelangen solche Aufnahmen ins Netz. Das Echo war dementsprechend. „Ich wünsche mir, dass Ihr von Dresden überrannt werdet! Kein Verein boxt so feige wie ihr!“ Dass es allerdings nirgendwo immer fair zugeht, dürfte sowieso klar sein. Das einzig Überraschende an dem Video ist sowieso nur der Fakt, dass ein Polizeibeamter (ohne Ausrüstung) daneben stand und zum reinen Zuschauen verurteilt war.
Hallescher FC vs. 1. FC Magdeburg: Nachbetrachtung zum hitzigen Derby-Geschehen
HotDiese Einleitung soll allerdings nicht der reinen Erheiterung dienen, sondern vielmehr die Problematik bei den Duellen zwischen dem Halleschen FC und dem 1. FC Magdeburg zeigen. Während bei anderen brisanten Begegnungen wie F.C. Hansa Rostock vs. SG Dynamo Dresden oder SG Dynamo Dresden vs. 1. FC Magdeburg im Großen und Ganzen die jeweilige Einsatztaktik der Polizei umgesetzt und An- und Abreisewege abgesichert werden können, ist dies beim Aufeinandertreffen des HFC und des 1. FCM ungleich schwerer. Aus ganz Sachsen-Anhalt reisen die Anhänger an, die Anfahrtswege sind mitunter dieselben. Ist es in den Städten und Ortschaften der „Grenzregionen“ an normalen Fußball-Wochenenden bereits überaus heikel, wenn die HFC-Fans nach A und die FCM-Fans nach B reisen, so wird es an den Derby-Tagen richtig derb. Dessau, Köthen, Bernburg, Staßfurt, Aschersleben. Es ist schier unmöglich, sämtliche Knotenpunkte abzusichern.
So kam es am gestrigen Sonntag vor dem Spiel in Halle am Hauptbahnhof von Dessau zu Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Fanlagern. Dabei wurden zwei Personen schwer verletzt, ein Bundespolizist musste ebenso in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Die Behörden sind nun auf der Suche nach Video- und Bildmaterial, wie es beim oben geschilderten Fall entstanden ist. Allerdings wird sich in den sozialen Netzwerken nur äußerst wenig Material finden lassen. Aufnahmen, die auf anonymen Wegen zu großen Ultrà- / Hooligan-Seiten gelangen, gibt es von solchen Ereignissen eher selten zu sehen.
Apropos „Grenzregionen“ der Einzugsgebiete des HFC und des 1. FCM. Beim Ticketvorverkauf stellten genau diese „Grenzregionen“ eine Problematik dar. An einigen Verkaufsstellen konnten sich FCM-Fans mit Tickets für die Hintertor-Tribüne (BWG-Tribüne im Läuferweg) für das mit Spannung erwartete Aufeinandertreffen der Erzrivalen eindecken. Als dies bekannt wurde, mussten HFC-Fans, die im Besitz einer dort gültigen Eintrittskarte waren, ihr Ticket gegen ein anderes umtauschen. Schweren Herzens musste den Magdeburgern die komplette Tribüne überlassen werden. 3.200 FCM-Fans konnten somit diese und den eigentlichen Gäste-Stehblock fluten. Dass der HFC-Anhang stinksauer war und harsche Kritik übte, ist verständlich.
Im Nachfeld entschuldigten sich die Vereinsverantwortlichen bei den Fans und kündigten Änderungen beim zukünftigen Vorverkauf an. So wurden im Vorfeld des Heimspiels gegen den 1. FC Magdeburg von einigen VVK-Stellen die Vorgaben des Vereins und des dafür gebundenen Ticketing-Dienstleisters nicht umgesetzt. Die Folge: Ab sofort wird der komplette Vorverkauf über den HFC-Ticketonlineshop und an den überregionalen VVK-Stellen gestoppt. Eintrittskarten für die Partie gegen die SG Dynamo Dresden gibt es demzufolge nur im WOSZ Fan-Shop in der Bertramstraße, bei TiM Ticket im Galeria Kaufhof und bei PS Union in der Selkestraße. Zudem gilt: Tickets gibt es nur HFC-Mitglieder, HFC-Dauerkartenbesitzer und für Personen, die eindeutig dem HFC zuzuordnen sind. Für die Zukunft wird ein neues Konzept vorgestellt, mit dem hoffentlich auch die Fans außerhalb von Halle zufrieden sein können.
Sei dem wie es sei, so schnell wird der 1. FC Magdeburg nicht noch einmal mit 3.200 Mann in Halle einreiten. Es sei denn, im einstigen Kurt-Wabbel-Stadion (Erdgas-Sportpark) wird das Landespokalfinale ausgetragen. Dass der große blau-weiße Mob die räumliche Situation im Stadion des HFC am gestrigen Sonntag zu nutzen wusste, dürfte aufgrund der Hinrunde nicht wirklich überraschen. Beim allseits bekannten Lied „Hey, Fußballclub Magdeburg, Magdeburg … 1. FCM, hey!“ lag die Mitmachquote im beeindruckenden Bereich. Auf den Einsatz von Pyrotechnik verzichteten an diesem Nachmittag beide Seiten. Auf der Heimseite zeigten Saalefront & Co zu Beginn der Partie den zweiten Teil der Choreographie zum 50. Geburtstages des HFC. Hieß es beim Heimspiel gegen den FC Energie Cottbus „Vor Niederlagen warst du nie gefreit …“, so lautete es nun: „… doch deine Kurve stand hinter Dir, all die Zeit. Auf der gesamten Länge der Heimtribüne wurden drei große Überziehfahnen mit verschiedenen Motiven bis in die Ecken reibungslos hochgezogen.
Und auf dem Platz? Bereits nach fünf Minuten der erste Schock für den Gastgeber. Sebastian Ernst, im Winter aus Hannover an die Elbe gekommen, bekam nach einer Kopfballvorlage den Ball vor die Füße und fackelte nicht lange. Aus zentraler Position brachte er den Ball zum 1:0 unter. Was für ein Einstand. Seine Mitspieler, die Fans und auch er selber konnten es kaum glauben. Erstes Pflichtspiel - und das beim Erzrivalen, der zwei Tage später seinen 50. Geburtstag feiert - und gleich nach nicht einmal fünf Minuten den Ball versenkt. Freudentaumel bei den Blau-Weißen.
In der Folgezeit entwickelte sich eine flotte Partie. Es ging mächtig zur Sache und der HFC drängte zum Ausgleich. Mit Erfolg. Während es im Gästebereich eine Schalparade nach der nächsten zu sehen gab, konnte Lindenhahn nach vorherigem Querpass von Aydemir den Ball extrem platziert am langen linken Pfosten unterbringen. Nach dem langsamen Aufbau von hinten kam das 1:1 in jenem Moment dann doch etwas überraschend. Kurz vor der Pause hätte er von schräg rechts sogar nachlegen können, doch FCM-Keeper Glinker war auf dem Posten und konnte den Ball abwehren.
In der zweiten Halbzeit sollte schließlich der Siegtreffer der Gäste fallen. Und wieder war es Neuzugang Sebastian Ernst, der die blau-weiße Gemeinde glücklich machte. Nach unglücklicher Arbeit der Hallenser Hintermannschaft kam Ernst an den Ball und brachte das Spielgerät trocken von schräg links im Gehäuse unter. 2:1 für Magdeburg. Die Gästefans außer Rand und Band. Logisch, dass der HFC noch einmal alles probierte, doch ein Treffer wollte nicht mehr herausspringen. Zum zweiten Mal in der laufenden Saison musste sich Halle geschlagen geben.
Fotos: Tim Seidenberg