Ein Heimsieg gegen die Jungs von der Bremer Brücke? Verdammt lang her! Da müssen selbst „Viecher“ & Co. ganz tief in den Gehirnwindungen wühlen. Ah ja, fast exakt 24 Jahre ist es her! Am 17. Oktober 1992 konnte der F.C. Hansa vor gerade einmal 3.500 Zuschauern im alten Ostseestadion den VfL Osnabrück mit 2:0 schlagen. Die Treffer erzielten damals Jörg Schmidt und Juri Schlünz. Bei den jüngeren Hansa-Fans (und natürlich auch bei den alten) dürfte ein anderes Heimspiel gegen Osnabrück noch gut im Gedächtnis sein. Vor zwei Jahren lag Rostock vor 9.200 Zuschauern mit 0:2 zurück. Als in der 83. Minute die Gäste per Elfmeter den zweiten Treffer erzielt hatten, dürften die meisten gedacht haben: Das war´s dann wohl! Aber denkste! In der 90. Minute machte Mustafa Kučuković gleich zwei Tore und sicherte somit Hansa Rostock einen Punkt. Den damaligen Jubel über den nicht mehr geglaubten Ausgleich kann man sich sicherlich ausmalen. Kučuković hatte insgesamt gerade mal fünf Tore in der 3. Liga für den FCH geschossen. In der Gegenwart ist er wieder bei Hansa unter Vertrag, allerdings nicht bei Hansa mit der Kogge im Emblem, sondern beim Lüneburger SK Hansa, der in der Regionalliga Nord aufläuft. Und was das heutige Spiel betrifft: Man durfte gespannt sein. Ein Spitzenspiel gab es schließlich seit gefühlter Ewigkeit nicht mehr im Ostseestadion. Ein Sieg - und Rostock würde in der Tabelle hinter Duisburg mit ganz oben stehen. Gleiches galt selbstverständlich auch für die Gäste aus Osnabrück. Nachdem zuvor in fünf Partien vier Siege eingefahren wurden, gab es zuletzt allerdings zwei Niederlagen zu verdauen. Ein überraschendes 0:3 in Chemnitz und ein 1:2 daheim gegen Regensburg. Hansa hatte indes zuletzt dreimal überzeugend gewinnen können. Hinzu kam ein deutlicher Auswärtssieg im Landespokal. Also dann, mit voller Kraft voraus!
Hansa Rostock vs. VfL Osnabrück: Das blau-weiß-rote Happy End blieb aus
Hot13:30 Uhr. Bei echtem Oktoberwetter wurden auf der Südtribüne die letzten Vorbereitungen getroffen. Im Gästeblock herrschte indes noch Leere. Erst zehn Minuten vor Anpfiff trafen die meisten VfL-Fans ein und befestigten all die mitgebrachten Banner und Fahnen. Mehr Stoff als Menschen. Einige violett-weiße Stoffe wurden auseinandergerollt und in den verschiedenen Ecken des geräumigen Gästeblocks befestigt. Am Ende waren es schätzungsweise 300 Osnabrücker, die den Weg an die Ostseeküste auf sich genommen hatten. Mit etwas mehr hatte man sicherlich gehofft, allerdings schienen die letzten beiden Niederlagen - vor allem die Klatsche im einstigen Karl-Marx-Stadt - etwas auf den Magen geschlagen zu sein. So blieb eine violette Invasion aus, mehr oder weniger die Allesfahrer konnten in Rostock begrüßt werden.
Beim Einlaufen der Mannschaften wurden auf der Süd in gekonnter Manier die Zettel hochgehalten. Oben Blau, unten Rot, in der Mitte Weiß mit einem gelben Strich. Die Landesflagge von Mecklenburg-Vorpommern. Und genau dies war Weiß auf Rot in fetten Buchstaben auf einem riesigen Banner zu lesen. In der Mitte die aufgemalten Wappen von Mecklenburg, des F.C. Hansa Rostock und von Vorpommern. Etwas verzögert wurden die auf Pappen aufgemalten Wappen der wichtigsten Städte (Wismar, Schwerin, Rostock, Stralsund, Greifswald, usw.) hochgehalten. 18 an der Zahl. Angeordnet in einer Reihe am unteren Rand der Choreo. Und ja, dieses Mal war es eine Choreographie, die wohl jedem auf den Rängen des Ostseestadions gefallen hatte. Über einen Kampfhund mit gezogenen Materialien im Maul - darüber ließ sich prächtig streiten. Eine Choreo, die Heimatverbundenheit zeigt - diese wurde mit Applaus auf den anderen drei Tribünen bedacht.
In gewohnter Form ging es mit einem kraftvollen „Forza FCH!“ in die Partie. Nachdem Osnabrück in der vierten Minute den ersten Schuss abgegeben hatte, kam in der achten Minute auf der Gegenseite Tobias Jänicke brandgefährlich über die linke Seite. Er arbeitete sich vor und gab aus spitzem Winkel einen Schuss auf die Lücke zwischen Torwart und kurzem Pfosten ab, doch VfL-Keeper Marius Gersbeck konnte den Ball parieren. Die Süd nutzte diese Gelegenheit und sendete in Form eines „Scheiß Osnabrück“ einen Gruß in Richtung Gästefans ab. Leichter Nieselregen setzte ein und Jänicke startete über die linke Seite einen weiteren vielversprechenden Angriff. Das schaute gar nicht so schlecht aus für Rostock. Allerdings spielten die Gäste munter mit und erzielten sogar den ersten Treffer. Ecke in der 22. Minute. Robert Kristo setzte den Ball freistehend mit dem Kopf auf das Gehäuse. Ahlschwede konnte zwar zunächst den Ball vor der Linie abwehren, doch bevor Keeper Schuhen zum entscheidenden Sprung ansetzen konnte, bugsierte ihn Tobias Willers in die Maschen. 1:0 für Osnabrück. Spieler und Fans waren aus dem Häuschen.
Und die Gäste blieben nun dran, auf Heimseite wurde das Spiel indes zunächst stockender. Es roch nach einem zweiten Treffer des VfL. Immer wieder marschierte Osnabrück flott nach vorn und erspielte sich Möglichkeiten. Ganz klar, in der heute gezeigten Form ist diese Mannschaft ein Kandidat für die oberen drei Plätze. Erstaunlich, wie man in Chemnitz dermaßen von der Rolle sein konnte. Allerdings konnte Hansa vor dem Pausentee auch ein Schippchen drauf legen. Und wie! In der 34. Minute kamen die Rostocker über die rechte Seite. Andrist brachte den Ball herein, und Marcel Ziemer hätte die Bude machen können. Müssen. Er kam jedoch nicht richtig ans Spielgerät. Der auf den Rängen angesetzte Torjubel wurde zum lauten Raunen, Stöhnen und Durchatmen. Bis zur Pause war Hansa bemüht, doch ein Distanzschuss wurde in der 42. Minute gehalten, ein in der 43. Minute von der Außenlinie hereingebrachter Freistoß brachte auch keine Gefahr mit sich.
Ab in die Kabinen. Haare trocknen, Tee trinken und den Ansprachen der Trainer lauschen. Vorerst blieb der leichte Regen. Hansa hatte sich was vorgenommen. Aus den Lautsprechern und von den Rängen ertönte noch schnell das „F.C. Hansa, du bist so genial…“ Und ja, es wurde gleich mal Druck gemacht. Doch was nutzte all der Druck? Osnabrück spielte clever, und war zu jeder Zeit hochgefährlich. So arbeitete sich in der 51. Minute Alexander Dercho nach vorn und brachte den Ball von links kommend gefühlvoll in den Strafraum. Völlig allein gelassen stand Kwasi Okyere Wriedt bereit und vollendete mustergültig zum 2:0 für Osnabrück. Jubelorgie im Gästeblock, blankes Entsetzen auf den heimischen Rängen. Auf der Süd regnete es mitunter Bier. Als Hansa-Fan muss man wahrlich leiden. Nun gibt es mal endlich wieder nach einer kleinen Erfolgsserie ein Spitzenspiel - und dann steht es plötzlich 0:2. Der Hoffnungsschimmer verblasste schon wieder am Ostseehorizont.
Aber noch war ja genügend Zeit. Und man denke an das eingangs beschriebene Spiel vor zwei Jahren! Man muss nur wollen! Und einer wollte so richtig! In der 53. Minute kam Kerem Bülbül, der im heutigen Programmheft ein ausführliches Interview gegeben hatte, für Tommy Grupe in die Partie. Nur elf Minuten später machte er nach einer Flanke von Jänicke per Kopf den 1:2-Anschlusstreffer. Jubel nun bei den über 13.000 Hansa-Fans. Der Knoten war geplatzt. Der Hoffnungsschimmer wurde mit einem Schlag wieder um einiges breiter. Alles oder nichts. Noch gab es genügend Zeit, um die Partie umzubiegen. Logisch, dass sich nun viel Raum für den VfL Osnabrück ergab. Immer wieder brachen sie pfeilschnell nach vorn durch. Syhre und Wriedt hatten prima Möglichkeiten. Zudem gingen die VfL-Spieler ab und an schon mal hart rein, um Rostock erst gar nicht locker flockig ins Spiel kommen zu lassen. In der 76. Minute musste VfL-Keeper Gersbeck den Ball über die Latte lenken. Wenig später forderte die Süd das restliche Publikum auf: „Steht auf, wenn Ihr Hansa seid!“
In der Schlussphase eilte sogar Hansa-Torwart Schuhen mit nach vorn und forderte frei stehend den Ball. Allerdings wurde in den letzten drei, vier Minuten ein richtig brachiales Aufbäumen vermisst. Die Luft schien raus. Da ging nichts mehr. Als der Schiedsrichter die Partie abpfiff, wurde es still auf den Rängen. Keine Pfiffe. Dafür war das Gezeigte dann doch zu gut. Doch die Enttäuschung war wirklich groß. Ja, Mensch, mit einem Dreier hätte Hansa mal wieder mit ganz oben gestanden. So aber? Kommende Woche geht es zum Tabellenführer MSV Duisburg, der ganz vorn einsam seine Kreise zieht und ein Sieg nach dem anderen eintütet. Die meisten möchten ja nicht schwarz malen, aber der Absturz ins untere Mittelfeld geht in dieser ausgeglichenen Liga eben schneller als man denkt. Aber ja, vielleicht gelingt ja doch ein Achtungserfolg oder gar ein Sieg, denn wer hätte die Dreier in Köln und Paderborn vorausgesagt? Und Osnabrück? Logisch, dass der heutige Erfolg ausgiebig gefeiert wurde. Die kurze heftige Talfahrt wurde beendet. Gegen Sonnenhof Großaspach kann nach Möglichkeit am kommenden Samstag nachgelegt werden!
Fotos: Marco Bertram