Ente quak, quak! Da sitzt man in einem Marketing-Kurs für Freiberufler, als das Mobiltelefon vibriert. Eine Nachricht. Als Papa ist man stets standby. Kann ja sein, dass sich das Söhnchen in der Schule die Birne gestoßen oder das Baby zu Hause die Kackerei bekommen hat. Ja Scheiße, denkt man, als die Nachricht von einem Kumpel gelesen wird. Nein, keine volle Windeln! Schlimmer noch! Das fest eingeplante Drittligaspiel 1. FC Magdeburg vs. Hallescher FC wird vor leeren Rängen ausgetragen. Eine Zeitungs-Ente? Ein Witz, oder? Da verarscht mich doch jemand! Nächste Vibrationen. Weitere Nachrichten! „Haste schon gelesen?“, „Schon gehört? Eine Frechheit! Statik-Probleme in MD!“ Um die entsprechenden News zu lesen, bleibt im Kurs keine Zeit. Als auch noch eine Nachricht mit „Wir sind pleite!“ reinplatzt, springen die Gedanken im Dreieck. Wie, wer, wo? Pleite? Magdeburg? Ach nein, der Chemnitzer FC! 3 Millionen Schulden. Krisensitzung im Rathaus. Was für ein Tag. Und ich hänge im besagten Kurs fest und berichte über meine Missionen und Visionen. Die da heißen: Fußball-Berichte verfassen. Also, zu Hause nichts wie ran und in die Tasten hauen.
Das „Vorwärts Magdeburger Jungs!“ verstummt: Heimspiel gegen HFC vor leeren Rängen
HotSeit 9 Uhr nicht online gewesen (von den Nachrichten überfliegen mal abgesehen) - was sich inzwischen im Netz tat, kann man sich vorstellen. „Nutzungsuntersagungsverfügung der Landeshauptstadt“, gab der 1. FC Magdeburg vor zirka sechs Stunden bekannt. Kopfschütteln. Ausgerechnet jetzt, zwei Tage vor dem Heimspiel gegen den Halleschen FC wird diese Entscheidung getroffen? Was für ein Zufall! Dass es statische Probleme im Magdeburger Stadion gibt, wurde bereits vor geraumer Zeit bekannt. Die ganze Hüpferei soll nach Angaben die erwartete Lebensdauer der Tribünen mächtig verkürzen. Dass plötzlich die Zuschauer komplett ausgeschlossen werden müssen - das kommt dann doch sehr aus der Kalten. Und das genau zum Zeitpunkt, in dem durchsickerte, dass wohl doch etliche HFC-Fans sich auf dem Weg machen würden, um ihre Mannschaft in Magdeburg zu unterstützen. Bekannt wurde auch, dass die Magdeburger „Freunde der dritten Halbzeit“ nichts von der „Weichspülerei“ der beiden Ultra-Gruppierungen halten und beim Rückspiel in Halle dabei sein werden. Zwischen den Zeilen konnte somit entnommen werden, dass auch beim Heimspiel gegen den Erzrivalen mit voller Kapelle zu rechnen sei.
Mag alles Zufall sein. Gut möglich, dass aktuelle Gutachten ergeben, dass es wirklich nötig ist, die Ränge leer zu lassen und weitere Untersuchungen anzustellen. Dass viele FCM-Fans skeptisch sind, ist indes völlig verständlich. So meinte ein User unter dem entsprechenden Facebook-Eintrag des 1. FCM: „Wenn man konsequent sein will müssten wir für alle weiteren Spiele ausgesperrt werden bis es baulich nachgebessert wurde. Wenn ihr aber das Stadion nach dem HFC Spiel wieder ganz normal öffnet ist es nen Faustschlag ins Gesicht!!“ Andere fragen ganz einfach: „Wer soll euch das glauben?“ Sei es, wie es sei. Der Zufall spottet jeder Beschreibung. Das Heimspiel gegen den HFC birgt nach dem Tod von Hannes enorme Brisanz - und zwei Tage vor der Austragung platzt solch eine Meldung herein. Warum nicht vor einer Woche? Weshalb dermaßen kurzfristig?
Vor allem muss jedoch gefragt werden: Was für ein Stadion wurde gebaut? Wurde das Stadion einst für ein reines Popcorn-Klatschpappen-Publikum konzipiert? Bei aller Liebe, aber Ränge in einem Stadion müssen in der Berechnung stets viel Luft nach oben haben. Man muss mit rechnen, dass gewippt, gesprungen, getrampelt und gerannt wird. Gerade das rhythmische Wippen in einem Stadion ist ein verdammt alter Hut und keine neue Erfindung der Magdeburger Fußballfreunde. Meine Güte, wo wurde nicht schon überall tausendfach beim „Wer nicht wippt, der ist ein Schalker / Kölner / Wessi“ gehopst?! Dass der Beton in Bewegung gerät, ist bekannt. Im Dortmunder Westfalenstadion kann man ein Liedchen davon singen. Nach der Melodie von „Hey Pippi Langstrumpf…“ wurde im Block 13 bereits in den 90ern gewippt was das Zeug hält. Den Architekten und der Baufirma der Magdeburger Arena dürfen demzufolge einige Fragen gestellt werden. Wie kann das sein? Wie kann das passieren? Vor allem: Wie soll das jetzt weitergehen?! Wenn man bedenkt, wie in Lateinamerika Stadionränge ausgelegt werden müssen, um das tausendfache Hüpfen und Wippen ohne weiteres zu verkraften, muss man doch ein wenig Schmunzeln. Allerdings ist einem nicht nach Schmunzeln. Man wird wütend. Es liegt einem auf der Zunge: Was kann eigentlich in Deutschland problemlos gebaut werden? Dass der Berliner Flughafen auf sich warten lässt, wundert ja niemanden mehr. Nun bereitet sogar ein Stadion Probleme? In der Fußballhochburg Deutschland? Na herzlichen Glückwunsch! Die Erklärung, dass das 2006 eröffnete Stadion nicht für solche Wipp-Belastungen konzipiert wurde, mag man kaum glauben. Dass in einem gefüllten Gästeblock völlig „die Sau abgeht“ - damit muss gerechnet werden. Und auch in anderen Fan-Bereichen musste mit einem steten „Wer nicht wippt, der ist ein …“ kalkuliert werden. Oder dachte man, der 1. FC Magdeburg würde für immer und ewig im Amateurfußball herum dümpeln? Oder aber rechnete man damit, dass in zehn Jahren die aktive Fankultur eh am Boden ist?
Hüpf-Verbot in Magdeburg. Nicht ohne weiteres umsetzbar, wird in der Pressemitteilung erklärt. Also wie weiter? Es dürfte spannend werden. Ein schriftliches Gutachten eines Ingenieurbüros steht noch aus. Wenn dieses kommt, wissen wir allesamt mehr. Wenn es dann heißt, na okay, das Stadion wird das Wippen schon verkraften, zumindest für die kommenden zehn Jahre, wird der Aufschrei groß sein. Weshalb die Sperre ausgerechnet beim brisanten Heimspiel gegen Halle? Wird es indes heißen, das Stadion muss umgebaut werden, müssen sich Verein und Fans umstellen. Die Frage wird dann sein: Wo werden die Heimspiele ausgetragen? Fakt ist, für den 1. FC Magdeburg dürfte die ganze Situation existenzbedrohend sein. Aber ja, schauen wir mal, was am morgigen Freitag beim geladenen Gespräch des Oberbürgermeisters Dr. Trümper mit Vertretern des 1. FCM, der MVGM und der Fanclubs herauskommt. Man darf gespannt sein. Fakt ist, die Laune der Anhängerschaft könnte derzeit kaum mieser sein…
Update 25.11.2016, 14:30 Uhr:
Es werden nun doch Zuschauer zugelassen sein. Weshalb diese Lösung nicht von Beginn an angestrebt wurde, bleibt ungeklärt. Fakt ist, dass das rhythmische Wippen zu unterlassen sei. Hüpfen und Springen beim Torjubel sind erlaubt, doch die zuletzt erreichte Dimension des Wippens stelle eine Gefahr dar. Es müsse nun Verhaltensänderungen geben. Es wird ein Maßnahmenkatalog geben. Bei Nichteinhalten der neuen Verhaltensregeln werden die Fans zur Rechenschaft gezogen. Im Ernstfall droht ein Spielabbruch. Fakt ist nun, dass die Stimmung in Magdeburg nie mehr so ausgelassen sein wird wie in der Saison 2015/16.
Fotos: Marco Bertram
Ligen
Benutzer-Kommentare
-> http://meyview.com/huepf-verbot-wort-des-jahres/
| MeyView.com | 25.11.2016 |
& :-) -Gruß
Es werden nun doch Zuschauer zugelassen sein. Weshalb diese Lösung nicht von Beginn an angestrebt wurde, bleibt ungeklärt. Fakt ist, dass das rhythmische Wippen zu unterlassen sei. Hüpfen und Springen beim Torjubel sind erlaubt, doch die zuletzt erreichte Dimension des Wippens stelle eine Gefahr dar. Es müsse nun Verhaltensänderungen geben. Es wird ein Maßnahmenkatalog geben. Bei Nichteinhalten der neuen Verhaltensregeln werden die Fans zur Rechenschaft gezogen. Im Ernstfall droht ein Spielabbruch. Fakt ist nun, dass die Stimmung in Magdeburg nie mehr so ausgelassen sein wird wie in der Saison 2015/16.
In der Summe bin ich aber komplett bei dir: Die ganze Sache ist unfassbar!