Sein jugendliches Lächeln bewahrte er sich bis zum Ende seiner aktiven Karriere. So auch beim Warmmachen vor dem Auswärtsspiel beim Everton FC am 20. April 2014 (siehe Foto). Die Partie wurde verloren, und zwei Tage später übernahm Ryan Giggs bei Manchester United den Posten als Interimstrainer. Zuvor war er bereits unter Cheftrainer David Moyes spielender Co-Trainer. So kam es, dass er sich bei seinem letzten Spiel im Old Trafford am 06. Mai 2014 selbst eingewechselt hatte. Gegen Hull City kam er in der 70. Spielminute für Tom Lawrence in die Partie. Gefeiert wurde ein 3:1-Sieg - ein sauberer Abschluss seiner äußerst langen Spielerkarriere! In den Profilen auf weltfussball, transfermarkt und wikipedia musste unter dem Namen Ryan Giggs nicht viel eingetragen werden. Vereine als Aktiver: 1990 bis 2014 Manchester United. Allein für diesen Verein hatte der im walisischen Cardiff geborene Giggs gespielt. Wahnsinn! Vom Anfang bis zum Ende als Profi bei einem einzigen Verein! Nachdem er von 1985 bis 1987 in der Jugend beim Stadtrivalen Manchester City gespielt hatte, wechselte er zu Manchester United. Trainer-Legende Alex Ferguson hatte sofort erkannt, welch ein Juwel dieser junge Waliser ist. Treu blieb Ryan Giggs auch seinem Heimatland. Er hatte sich ganz klar dafür entschieden, für die walisische Auswahl anzutreten. Zwar hätte er sowieso nach Stand der Dinge keine Spielberechtigung für die A-Nationalmannschaft Englands gehabt, doch auch unter anderen Umständen hätte er sich zu jedem Zeitpunkt für Wales entschieden. Auch hierbei gilt: Man darf den Hut ziehen! Am heutigen Tag wird Giggs, der am 29. November 1973 geboren wurde, 43 Jahre alt. Dass er mit satten 41 Jahren noch Profifußball gespielt hatte, ist kaum zu glauben. Und das bei der Frequenz der Spiele auf der Insel. Grund genug, punktuell noch einmal einen kleinen Rückblick in die 1990er zu werfen. Keine Frage, bereits im Frühjahr 1993 fiel uns Giggs ins Auge. Und zwar am 10. April 1993, als Manchester United das erste Mal seit langer Zeit im Meisterschaftsrennen lag und daheim die Mannschaft von Sheffield Wednesday empfing. Wir waren damals dabei.
Happy Birthday Ryan Giggs! Als der walisische Jungbrunnen einst für Freudentränen sorgte
Jene Partie war eines der „Key games in Sir Alex Ferguson´s 25 years at Old Trafford“, schrieb der „Telegraph“ in einem Rückblick. Es war DAS Premier League Spiel des Jahrzehnts für Manchester United. Gemeinsam mit Blackburn, Aston Villa und Norwich City wurde um Rang eins gerangelt. Nur im Fall eines Sieges konnten die Red Devils Anschluss halten. Im Umbau befindlichen „Theatre of Dreams“ ging es an jenem Osterwochenende hoch dramatisch zu. Vor 40.200 Zuschauern wurde es ein Wahnsinnspiel. Manchester spielte verdammt gut. Denis Irwin, Ryan Giggs, Steve Bruce, Mark Hughes, Paul Ince, Paul Parker, Gary Pallister, Brian Mc Clair, Lee Sharpe und Eric Cantona kannten nur eine Richtung: Das Tor von Wednesday! Zwischen den eigenen Pfosten der dänische Weltklassetorhüter Peter Schmeichel. Alex Ferguson hatte sein Team optimal eingestellt. Nicht blind anrennen. Offensiv spielen und Geduld haben.
Zur Pause stand es noch 0:0. In der 65. Minute passierte das, was niemand erwartet hatte: Sheffield ging in Führung. Sheridan verwandelte einen umstrittenen Elfmeter. Was für ein Rückschlag! Das Publikum peitschte das Team weiter nach vorn. „Come on you reds!“ Schmeichel gestikulierte wild und trieb seine Mannschaftskollegen an. Mit seinen weiten Abwürfen brachte er den Ball in die gegnerische Hälfte. In der 86. Minute dann endlich der Ausgleich. Steve Bruce, der in der Saison erst dreimal getroffen hatte, lochte zum 1:1 ein. Was für ein Szenario, was für Jubelszenen auf den Rängen! Weiter, weiter! Ein Eckball nach dem anderen. Wednesday verteidigte nun mit Mann und Maus. In der Nachspielzeit dann der Gipfel der Gefühle. Ryan Giggs konnte eine weitere Ecke herausholen. Diese trat er gleich selbst. Noch konnte der Ball von Wednesday herausbugsiert werden, doch von der rechten Seite folgte eine Hereingabe von Pallister, die unfreiwillig verlängert wurde. Und dann! Kopfball, 2:1. Wieder war es Steve Bruce! Es gab kein Halten mehr, den Fans standen die Tränen in den Augen. Gänsehaut, gefühlte Zentimeter dick! Abpfiff. Sieg. Das Old Trafford stand Kopf. „Always look on the bright side of life...“
Wenige Wochen später konnte Ryan Giggs mit seinen Mannschaftskameraden den Meistertitel 1992/93 feiern. Und es sollten noch 12 (!) weitere Meistertitel folgen! Ja, auf den quirligen Ryan Giggs wurden wir bereits im April 1993 aufmerksam. Er war damals neben Torwart Peter Schmeichel und dem französischen Stürmer Eric Cantona der Hingucker, wenn gleich die gesamte Mannschaft der Star war und überaus homogen wirkte. Zwei Jahre später kam ich noch einmal in den Genuss, Ryan Giggs live spielen zu sehen. War es bereits 1993 nur möglich, auf dem Schwarzmarkt ein Ticket zu erwerben, so waren die Umstände im Februar 1995 noch glücklicher. Gerade in dem Moment, als ich in der Geschäftsstelle mein Bestes versuchte, gab ein älterer Herr seine Eintrittskarte zurück. Schwups, schon war ich der glückliche Besitzer.
Das Old Trafford war gerade frisch ausgebaut worden, so dass es seitdem nur noch Sitzplätze auf den Tribünen gab. Auch das legendäre "Stretford End", die ehemalige Stehplatztribüne der eingefleischten Manu-Fans, wurde dem restlichen Stadion angepasst. Somit ergab sich nun (aus damaliger Sicht) ein rundum perfektes Antlitz. Alle Sitzplätze waren rot, auf der Seitentribüne prangte der Vereinsname und hinter den Toren waren die Schriftzüge der damaligen Sponsoren - Sharp und Umbro - zu lesen. 1995 passten rund 44.000 Zuschauer auf die Ränge. Allmählich füllte sich das Stadion. Das Old Trafford war etwa halbvoll, als plötzlich der Gästemob aus West Yorkshire auf die Tribüne hinter dem Tor strömte. Mit hochgerissenen Armen brüllten die Peacocks-Supporters in brachialer Lautstärke: "We are Leeds!!! We are Leeds!!!" Schätzungsweise satte 7.000 Anhänger waren aus Leeds angereist. Kurz vor Anpfiff war das gesamte Stadion rappelvoll. Nun stimmten auch die MUFC-Fans ihre Lieder an. Die Stimmung kam auf den Siedepunkt, die Tribünen bebten. Als die beiden Mannschaften auf den Rasen liefen, gab es kein Halten mehr. Wirklich jeder jubelte, sang und schrie. Feuchte Augen, wenn man an den aktuellen Stand der Dinge denkt...
Anstoß. Und schon ging alles sehr schnell. Der erste Angriff von Manchester, Leeds konnte gerade noch zur Ecke klären. Es folgte eine gefühlvolle Ausführung von Ryan Giggs, und Steve Bruce hämmerte den Ball mit den Kopf in die Maschen. 1:0 für Manchester! Unfassbarer Jubel. Die Gesichter der Leeds-Fans verzerrten sich dagegen voller Wut und Hass. Der Schock saß tief. Um so größer die Schadenfreude bei den Heimfans. Tausende zeigten auf den Gästebereich und sangen: "You´re shit and you are knowing that!!!" Die Leeds-Fans tobten und gestikulierten wütend. Ab und an mussten Ordner und Polizisten dazwischen gehen. Die Nerven lagen blank. Als nur wenige Minuten später Brian McClair das 2:0 für Manchester schoss, bebte das Stadion endgültig. Das Team aus Leeds bewies Moral und auch die Gästefans supporteten in ungebremster Manier weiter. Der Fleiß der Gäste wurde kurz nach der Pause belohnt. Yeboah - bekannt aus Zeiten bei Eintracht Frankfurt - wurde in der 46. Minute für Masinga eingewechselt und schoss prompt den Anschlusstreffer zum 1:2 in der 52. Minute. Ab nun wogte das Pokalspiel hin und her. Auf beiden Seiten erfolgten die Angriffe im Minutentakt. Die Zuschauer standen mehr, als dass sie saßen. "Uuuuuh". "Aaaaaah" ertönte es immer wieder im weiten Rund. In der 80. Spielminute dann die Erlösung für die Anhänger von Manchester United. 3:1! Der Sack war zugeschnürt. Hier würde nix mehr anbrennen! Das Stadion war ein Freudenmeer. Zehn Minuten lang gab es Standing Ovations. „Glory, glory Man United…“, „Oh, it is so fu**ing easy, soooo fu**ing easy!!“, „You are a fu**ing Yorkshire, aha, aha…“, ertönte es von den Rängen.
Hey, Ryan, für diese beiden Partien bin ich Dir für ewig dankbar! Was für Erlebnisse! Und ja, es kam noch ein Highlight dazu! 26. Mai 1999. Das CL-Finale gegen den FC Bayern München! Bei diesem Spiel in Barcelona konnte ich nicht dabei sein. Ich werkelte mit drei Freunden in einer Scheune an zwei Segelbooten. Zwischendurch flitzte ich fix hoch und drückte Manchester vor dem Fernsehbildschirm fest die Daumen. Mario Basler hatte die Bayern bereits in der sechsten Minute mit 1:0 in Führung gebracht. Und dann! Der Knaller! In der 89. Minute schaltete ich aus. Ich konnte es nicht mehr ertragen, ich wollte - ich konnte - die Bayern nicht jubeln sehen. Effenberg, Matthäus, Jancker… Meine Halsschlagader schwoll an. Ich biss auf meinen Fingern herum. Doch noch mal die Kiste an. Vielleicht glückte ja doch noch der Ausgleich. Ich konnte nicht glauben, was ich sah. Es war nicht zu verstehen. Wie jetzt? Ryan Giggs, Teddy Sheringham, David Beckham & Co jubelten?! Keine Verlängerung? Das Blut wummerte vor Aufregung. Meine Fresse, das war zu geil! Anders kann man es nicht beschreiben. Ich dachte an 1993, an 1995. Hey, Fergie! Hey, Giggsy! Wahnsinn! In der 90.+1. Minute hatte Giggs Vorarbeit geleistet, und Teddy Sheringham machte den Ausgleich. In der 90.+3. Minute machte dann Sheringham die Vorlage. Ole Gunnar Solskjaer köpfte Manchester United ins Glück!
Auch wenn im Neuen Jahrtausend mein persönliches Interesse für den englischen Fußball merklich nachließ, Ryan Giggs hatte ich jeden weiteren Titel mit Manchester United von Herzen gewünscht. Und sein jugendliches Lächeln ist eh unvergessen! Alles Gute zum 43. Geburtstag!
Fotos: Claude Rapp, Marco Bertram, Karsten Höft
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