Für viele Fans im Norden, Osten oder Westen der Republik löst der Ausblick auf ein Spiel gegen den SV Sandhausen keine großen Jubelstürme aus. Schon gar nicht an einem Freitagabend. Gähnend leerer Gästeblock vorprogrammiert und tendenziell geringeres Interesse bei den Heimfans – es fragt sich nur, ob man die Auswärtsfans an einer oder an zwei Händen abzählen kann. So ging es wohl auch den Union-Anhängern zu Beginn der Saison. Fairerweise sei darauf verwiesen, dass Sandhausen 6 Autostunden entfernt liegt und auch nur 14,902 Einwohner hat, mit allen also gerade mal 68 Prozent der Alten Försterei füllen könnte. An ein ausverkauftes Spiel dachte somit eingangs also niemand.
Hexenkessel Alte Försterei: 21.922 Unioner peitschen ihr Team zum 2:1 über Sandhausen
Umso größer ist die Geste des Entgegenkommens aus Sandhausen, den Gästeblock für Heimfans freizugeben und die eigenen Fans auf der Haupttribüne zu platzieren. Ganze 90 hatten sich immerhin auf den Weg gemacht, 9 davon in weißen T-Shirts deren Buchstaben in Kombination „Toni Pledl“ zeigten. Der Spieler Thomas Pledl hatte also von seinen Fans eine eigene kleine Dauer-Choreo bekommen.
Eine blockfüllende zweiteilige Choreo gab es erneut auf der Waldseite zu sehen: „Rot, immer federführend, färbt unser Liedgut stets gebührend“. Untermalt zunächst von einem Bild mit Buch, Unionschal, roter Tinte und Federkiel über das dann Zitate aus Union-Liedern eingerahmt von Violinschlüsseln in die Höhe gezogen wurden: „Rot und weiße Fahnen werden ewig..“ / „Fußballclub Union Berlin in weiß und rot!“
Und genauso wie die Fans legte auch Union los wie die Feuerwehr, doch war in der ersten halben Stunde trotz druckvollem Spiel und guter Chancen der Druck zu spüren, unter dem das Team stand. Gewinnen müssen, um oben dranzubleiben, da schaltete sich das eine oder andere Mal doch der Kopf ein und wurde ein Sicherheitspass gespielt. Sei es drum, in der 33. Minute spitzelte Philipp Hosiner eine Kopfballverlängerung von Simon Hedlund durch die Beine des Sandhäuser Torhüters ins rot-weiße Jubelglück. Beide Spieler kamen zuletzt nur von der Bank, durch die Verletzung des Offensivmannes Steven Skrzybski und Umstellung auf ein 4-4-2-System rückten beide in die Startelf und dankten es ihrem Trainer gebührend. Zwei Minuten später traf Kreilach dann den Pfosten, plötzlich war Feuer auf dem Platz.
Auf den Rängen sowieso – angefeuert von 21.922 Union Fans rundherum war die Stimmung in Halbzeit eins prima. Halbzeit zwei sollte eine andere Wendung erhalten. Zunächst ging es gut weiter für die Eisernen – nach einer kleinen Druckphase der Gäste konnte Damir Kreilach mit seinem 9. Saisontor nach einer Ecke für Beruhigung sorgen, diese hielt aber nur zwei Minuten an. In der 56. Minute grätschte Unions Stürmer Sebastian Polter etwas unbeholfen an der Seitenauslinie – Schiri Jablonski zückte den roten Karton. Kann man geben, muss man aber nicht.
Die harte Entscheidung und vor allem Schwächung der Eisernen im nächsten so wichtigen Spiel in Braunschweig verwandelte die Alte Försterei von diesem Moment an in einen wahren Hexenkessel. Nun zeigte sich, dass alle Blöcke prallgefüllt mit Berliner Fans waren, denn die Pfiffe für die Sandhäuser Spieler bei jedem Ballkontakt und die „Schieber! Schieber“-Rufe gen Schiedsrichter schallten bis Spielende ohrenbetäubend durch das Stadion, während die eigene Mannschaft aber nun noch inbrünstiger unterstützt wurde.
Union spielte trotz Unterzahl tapfer weiter nach vorne, jedoch etwas planloser und mit weniger Zug zum Tor. Auf der anderen Seite verkürzte der eingewechselte Lucas Höler per Kopf zum 2:1. Da waren noch 14 Minuten zu spielen. Doch auch wenn der Spielstand eng und die Stimmung auf den Rängen intensiv war, anbrennen ließen die Berliner nichts mehr.
Als dann vier Minuten Nachspielzeit aufblinkten, konnten die Union-Fans ihre Mannschaft bei etwas beobachten, das Seltenheitswert hat: Zeitspiel. Clever wurden Ecken ausgedehnt und so gespielt, dass gleich die nächste dabei heraussprang. So blieb es beim knappen Ergebnis und Union bleibt im Aufstiegsrennen. Am nächsten Spieltag reist der eiserne Tross nach Braunschweig und kann sich je nach den weiteren Ergebnissen an diesem Wochenende und je nach Torverhältnis einen Aufstiegsplatz im direkten Duell zurückerkämpfen.
Text & Fotos: Felix