430 Kilometer pro Strecke. Aus dem Stegreif hätte man sogar noch mehr Kilometer gedacht. Koblenz und Zwickau - das sind im Kopf dann doch völlig unterschiedliche Welten. Aber für ein Montagabendspiel langt diese Strecke allemal, zumal es ja eigentlich ein Heimspiel sein sollte. Hammer! Eine Heimpartie, die man in über 400 Kilometern Entfernung austrägt. Klingt wieder nach einer der drakonischen DFB-Strafen. In diesem Fall hat das Ganze jedoch einen anderen Grund. Es ließ sich in der Umgebung von Koblenz (das eigene Oberwerth-Stadion ist derzeit aufgrund von Baumaßnahmen nicht tauglich für den DFB-Pokal) einfach keine Spielstätte finden. Das mag man kaum glauben. Mainz? Mannheim? Aachen? Sogar das Kölner Südstadion wäre ja um einiges dichter gewesen. Es war nichts zu machen. 50 Anfragen wurden rausgeschickt. Nur Absagen! Entweder war das Stadion an diesem Wochenende bereits belegt, es war schlichtweg zu teuer, der Betreiber wollte es für diese Partie gegen die SG Dynamo nicht hergeben, oder das Stadion genügte den Ansprüchen des DFB nicht. Die Richtlinien sind nicht ohne. Um ein DFB-Pokalspiel im Jahr 2017 austragen zu können, muss eine ganze Latte an Anforderungen abgearbeitet werden. Da wäre vielleicht in diesem Fall der Kritikpunkt am Verband. Die Anforderungen sind bereits so hoch, dass es für kleinere Vereine manchmal gar nicht einfach ist, solch eine Partie zu stemmen. Dass die Partie TuS Koblenz vs. Dynamo Dresden dann auch noch am Freitagabend ausgetragen wurde, ist natürlich wirklich unglücklich. Als Anhänger von TuS Koblenz war es demzufolge alles andere als einfach, mal eben zum „Heimspiel“ zu düsen. Urlaub nehmen, früher Schluss machen, bei der Anreise mit dem Zug kam mal eben noch die Übernachtung dazu. Um das Ganze wenigstens etwas finanziell abzufedern, beschloss die Fanszene in Dresden, Gelder für die Fans aus Koblenz zu sammeln. Wenigstens ein halbwegs gefülltes Koblenzer Blöckchen sollte doch auch am Freitagabend möglich sein. Manch einer in Koblenz traute seinen Augen und Ohren nicht. Doch nicht der berüchtigte „Wilde Osten“, in dem die Wessis „aufgefressen“ werden?!
TuS Koblenz vs. SG Dynamo Dresden: Hochspannung bis zu letzten Minute beim Heimspiel in der Ferne
Also dann rein ins Auto und die 430 Kilometer auf der A4 gen Westsachsen abgeschrubbt! Wer mit dem Zug angereist war, musste eine Fahrtzeit von über sechs Stunden in Kauf nehmen. Über Frankfurt am Main und Leipzig auf nach Zwickau. Im Stadion Zwickau wurde der angereisten Anhängerschaft aus Koblenz der Gästeblock zu Verfügung gestellt. Die Fans der SG Dynamo Dresden bevölkerten die Heimtribüne, auf der sonst die befreundete Anhängerschaft des FSV Zwickau steht. Klar, dass einige von Red Kaos & Co die SGD unterstützten, doch im restlichen Bereich des Stadions war die Farbe Rot nicht allzu häufig zu sehen. Und was die Farben betrifft: Auf der Haupttribüne durften keine Koblenzer Farben getragen werden. Für ein „Heimspiel“ natürlich eine sehr merkwürdige Maßnahme, zumal im Vorfeld aus Dresden signalisiert wurde, dass man statt auf Konfrontation in diesem Fall ganz klar auf gegenseitige Unterstützung setzen würde. Der Koblenzer Trainer Petrik Sander zeigte sich auf der anschließenden Pressekonferenz über die Maßnahme sehr verärgert. Die Spieler von TuS Koblenz mussten zudem als Heimteam die Gästekabine nutzen. Davon abgesehen lobte Sander die Unterstützung von Seiten der Dresdener.
Im Stadion selbst wurde auf Dynamo-Seite gerade die Fahnenchoreo abgeschlossen (aufgrund der last-minute-Ankunft haben wir von dieser keine Aufnahmen), da ließ es der Regionalligist - unterstützt von rund 600 TuS-Fans - bereits klingeln. Der Ball wurde vorn rein gespielt, Florian Ballas bekam die Kugel nicht raus aus der Gefahrenzone, Dejan Bozic schaltete schnell und besorgte das 1:0 für Koblenz. Lautstarker Jubel im Gäste-, ähm, Heimblock. Nur fünf Minuten später ertönte jedoch auf der schwarz-gelben Wand der Torjubel. Fix wurde über die rechte Seite gespielt, Horvath brachte den Ball scharf rein, am zweiten Pfosten drückte Berko das Spielgerät problemlos über die Linie.
In der Folge hatte Dynamo Dresden weitaus mehr Ballbesitz, doch was die Chancen betraf, so gestaltete sich das Ganze ausgeglichen. Großmöglichkeiten auf beiden Seiten. Flugparade auf der einen Seite, Außenpfosten auf der anderen Seite. Weitere Treffer fielen bis zum Pausentee nicht. Dann aber! In der 49. Minute legte sich Philip Heise die Kugel zurecht und verwandelte anschließend den direkten Freistoß mit Bravour! 2:1 für die SGD! Würde es nun für den Zweitligisten ein Selbstläufer werden? Ein klares Nein! Es blieb spannend bis zur letzten Minute! Zehn Minuten vor Schluss fing Dimitrios Popovits den Ball ab, in der Folge eilte er gleich selbst nach vorn und schloss mit dem linken Fuß trocken ab. Ausgleich.
2:2! Im Hintergrund war unübersehbar am Koblenzer Block in fetten Lettern ein „Scheiß DFB“ zu sehen. Über das ganze Spiel hinweg kam es immer wieder zu Wechselgesängen „Scheiß DFB!“ und „Fußballmafia DFB!“ Klare Vorzeichen für einen heißen Herbst in Fußballdeutschland?! Die große grüne Blockfahne mit dem durchgestrichenen DFB-Logo, welche anfangs auf Dresdener Seite zu sehen war, tauchte später auch im Block der Koblenzer Fans auf und wurde dort gut sichtbar hochgehalten. Was den Austragungsort in Zwickau betraf, so hatten die Koblenzer Fans noch eine Botschaft parat: „Heimspiel in Disneyland ... wäre (fast) näher gewesen. Scheiß DFB!“
Zurück zum grünen Rasen. Die Schlussphase hatte es wahrlich in sich! Vier Minuten nach dem Koblenzer Ausgleich - sprich sechs Minuten vor Ablauf der regulären Spielzeit - holte Aosman mal einfach den Hammer raus! Knapp außerhalb des Strafraumes Maß genommen und den Ball ins rechte Eck gehauen. Was für Tor! Und noch war nicht Schluss. In der 86. Minute zeigte Schiedsrichter Markus Schmidt auf den Punkt. Strafstoß für TuS Koblenz! Andreas Glockner übernahm Verantwortung und trat zum Punkt. Im SGD-Gehäuse war nun Nachwuchstorwart Markus Schubert, der erst ein Ligaspiel in der ersten Mannschaft absolviert hatte, gefordert. Glockner trat an, schoss gar nicht mal so übel, doch Schubert ahnte die Ecke und konnte den Ball zur Seite abwehren. Was für ein Wechselbad der Gefühle für beide Seiten! Am Ende blieb es beim 3:2 für die Sportgemeinschaft Dynamo. Die Spieler von TuS Koblenz ließen sich nach Abpfiff zurecht von ihren mitgereisten Fans feiern.
Fotos: Steven Mohr
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Claus