Samstagnachmittag, 13:45 Uhr. Während im Gästebereich sich die aktive Hansa-Szene auf die zwei zur Verfügung stehenden Blöcke aufteilte und die mitgebrachten Stoffe an Zaun und Netz befestigt wurden, um im Anschluss bestmöglich für Stimmung sorgen zu können, wurde in der Pufferzone mal wieder das weinrote Banner der „Therapiegruppe 101“ mit den Emblemen des BFC Dynamo, des Aberdeen FC und des 1. FC Magdeburg ausgelegt. Zuerst lag es auf einer Abdeckplane, doch da hier eine aufgedruckte Werbung versteckt werden könnte, musste es noch ein Stück weiter in Richtung Gästeblock rutschen. In Abstimmung mit den Ordnern wurde dann das richtige Plätzchen zwischen Plane und Netz gefunden. Da inzwischen auch der Block 13 mit seinen Sitzplätzen zum Gästebereich gehört, musste die stabile Fraktion der Magdeburger, wieder unterstützt durch einige weinrote Berliner, ein Stück in Richtung Mittellinie rücken. Kurz vor 14 Uhr war schließlich alles angerichtet, und auch im Block U würde es etwas zu sehen geben. Ein langes Spruchband aus blauer Folie wurde von etlichen FCM-Fans an Hölzern gehalten. Auf Kommando sollte es nach oben geschwenkt werden. Nachdem schließlich beide Mannschaften auf dem Platz standen, konnte die groß angelegte Choreo im Block U starten. Aus tausenden blauen und weißen Zetteln wurde ein „CLUB“ gebildet, wenig später wurde auf „FANS“ umgeschaltet. Dass nicht jeder den Zettel auf Anhieb richtig herum hielt, liegt auf der Hand. Gerade in den Außenbereichen, wo weniger aktive Fans stehen, wird es bei solchen Aktionen immer zu kleineren Pannen kommen. Unter der Zettelchoreo war weiß auf blau zu lesen: „Und wenn unsere Chöre erklingen - dann sind wir die Größten auf der Welt.“ Allerdings war für alle sichtbar „GRÖSTEN“ statt „GRÖSSTEN“ zu lesen. Auf Magdeburger Seite wurde getan, was man am besten in solchen Situationen tun sollte: Es mit Humor nehmen. So wurde zu Beginn der zweiten Halbzeit ein fix angefertigtes Spruchband präsentiert: „Hurra, Hurra… Das S ist da.“
1. FC Magdeburg vs. F.C. Hansa Rostock: Choreo, DFB-Kritik, Heimsieg und lautstarkes Gesangduell
HotUnd der Block U wäre nicht der Block U, wenn es zu Beginn bei der Partie allein bei der Zettel-Choreo geblieben wäre. Nach den Zetteln hieß es noch einmal Feuer frei. Auf Kommando wurden etliche rote Fackeln im gesamten Block U angerissen. Die sorgsam verteilten Fackeln sollten ein „1. FCM“ ergeben, was jedoch nur bedingt klappte. Einen beeindruckenden Anblick ergab die Tribüne in Flammen so oder so. Und da nichts vermummt in einer Ecke, unter einer Fahne oder unten am Zaun hampelnd gezündet wurde, mutete das Ganze wieder an, als sei es völlig normal und legitim, solche Fackeln zu zünden. Zumindest zeigt die Magdeburger Fanszene immer wieder, wie unaufgeregt Pyrotechnik gezündet werden könnte, wenn der Einsatz in Fußballstadien legal wäre. So ähnlich wie einst in den frühen 1990ern auf dem Betzenberg und auf der Südtribüne im Dortmunder Westfalenstadion. Und da in Magdeburg so unaufgeregt die Fackeln gezündet werden (ja nicht zum ersten Mal in dieser Form), ertönen auch kaum Pfiffe von den Rängen. Und auch im Nachgang sind keine Medienberichte über Randale oder Pyro-Ausschreitungen zu finden.
Da jedoch recht viel Rauch über das Spielfeld zog, musste die Partie kurz unterbrochen werden. Als die Sicht wieder besser war, konnte das Ost-Duell Magdeburg vs. Rostock starten. Da der Sitzplatzbereich des Gästeblocks auf der Hintertortribüne aufgrund der Wipp-Gefahr geschlossen bleiben musste, waren es dieses Mal rund 1.700 Hansa-Fans, die vor Ort ihre Mannschaft lautstark unterstützen konnten. Und die Fans in Blau-Weiß-Rot zeigten sich gut aufgelegt. Ebenso gut aufgelegt zeigte sich die Hansa-Mannschaft auf dem Rasen. Manch eine Situation in Mittelfeld und Defensive wurde sehr klug gelöst. Allein die entscheidenden Pässe in die Spitze blieben weitgehend aus.
Die erste richtig fette Möglichkeit hatte der Gastgeber nach einer Viertelstunde. Nach einer Ecke war es Handke, der von schräg abzog. Hansa-Keeper Blaswich zeigte eine prima Parade, wenig später war er sogleich noch einmal zur Stelle. Nachdem fünf Minuten später auf der Gegenseite Benyamina zu einer Möglichkeit kam, wurde es im Gästebereich noch lauter. Der nun startende Wechselgesang konnte sich wahrlich hören lassen. Nach etwas mehr als einer halben Stunde versuchte sich Owusu mit einem Schuss, doch der Ball ging am Magdeburger Gehäuse vorbei. Stand der Dinge nach 35 Minuten: Hansa könnte auch in Magdeburg was holen.
Vor der Pause legte jedoch der Gastgeber ein Schippchen drauf und bewies, dass die Serie von sechs Siegen in Folge (der Erfolg im Pokal gegen Augsburg inklusive) nicht von ungefähr kommt. So musste der Rostocker Schlussmann fünf Minuten vor dem Pausentee noch einmal sein Können unter Beweis stellen, Türpitz war nach einer Flanke zur Stelle, Blaswich wehrte mit dem Fuß ab. Nichts machen konnte er jedoch in der 43. Minute. Von Niemeyer gelangte der Ball zu Türpitz, und dieses Mal konnte er das Spielgerät unterbringen. Mit Schmackes schlug die Kugel unter dem Querbalken ein. 1:0 für den 1. FC Magdeburg - und und rund 19.000 FCM-Fans waren aus dem Häuschen. Bei einsetzendem leichten Regen ging es mit der Führung zu den Pausenansprachen bzw. zum Pausenbier.
Zu Beginn des zweiten Spielabschnitts ertönte im Gästebereich lautstark das „Hansa forever“, gefolgt von einem „Forza FCH!“. Im Block U tauchte indes das zu Spielbeginn vermisste „S“ auf. Der Regen hörte auf, und sogar die Sonne lugte nun zwischen den Wolken hervor. Der Stimmungspegel nahm nun zu. Das „Vorwärts Magdeburger Jungs!“ ertönte von den heimischen Rängen. Parallel dazu wurden in beiden Fanlagern die Spruchbänder vorbereitet. Auch bei dieser Partie sollte die Kritik am DFB nicht fehlen. Zuerst gab es im Stehblock des Gästebereichs etwas zu lesen: „Korruption respektieren, Bestechung legalisieren, ‚Pro‘ DFB!“ Wenig später wurde auch auf Magdeburger Seite ein Spruchband präsentiert: „Unser Problem mit Euch ist: Sommermärchen 2006 - verschobenes Geld und keiner der sich stellt“. Beide Seiten stimmten nun den „Scheiß-DFB“-Wechselgesang an. Immer wieder schmetterte der Schlachtruf unüberhörbar durch das Stadion. Als das Ganze langsam abebbte, versuchte sich der Block U plötzlich mit einem „Scheiß FCH!“. Die Antwort blieb aus. Gelächter auf den Rängen. Spaß muss sein. Das Spiel ging weiter.
Auf dem Rasen konnte Hansa nicht an die erste Halbzeit anknüpfen. Der Gegentreffer vor der Pause kam zu einem wirklich ungünstigen Zeitpunkt. Der 1. FC Magdeburg war nun spielbestimmend auf dem Rasen. Nur zwischenzeitlich, ab der 60. Minute bis zum zweiten Gegentreffer in der 68. Minute, sah es nicht so schlecht aus auf Rostocker Seite. So hatte Alibaz aus 25 Metern die Möglichkeit zum Ausgleich, doch Glinker konnte den Schuss parieren. Der Genickbruch erfolgte in der besagten 68. Minute. Nachdem Blaswich einen von der Seite hereingebrachten Freistoß nach vorn abwehren konnte, war der zuvor eingewechselte Lohkemper zur Stelle und brachte den Ball trocken unter. 2:0 für Magdeburg, das Heimpublikum war völlig aus dem Häuschen.
Das Spiel war gelaufen, und das spürten auch die Gästefans. Was zu tun ist? Weitersingen! Sich nicht beirren lassen. Währenddessen kletterte ein Hansa-Fan mit blau-weiß-roter Vermummung auf den Zaun und legte in aller Seelenruhe einige Magdeburger Utensilien zurecht. Fast wie in Zeitlupe band er Fahne, ein paar Schals und eine Jacke an Abfangnetz und Zaun fest. Dabei rückte er dem Rostocker Vorsänger Zentimeter für Zentimeter immer näher. Nachdem alles zurechtgelegt war, kletterte der Vermummte wieder in aller Ruhe runter. Sich von dieser Aktion nicht beeindrucken ließen die stabilen Jungs auf Magdeburger Seite. Zwar wurde genau beobachtet, was sich im Rostocker Block so tut, doch Provokationen blieben komplett aus. So blieb das auch bis nach Abpfiff.
Sich in einen Rausch sang der Block U. Der Sieg wurde gefeiert, es wurde wieder zum legendären kollektiven Entenmarsch angesetzt. In der Mitte des Block U klaffte plötzlich eine große Lücke, wenig später schloss sich diese wieder. Zum Abschluss wurde noch ein weiteres Spruchband gezeigt: „Wenn Vorverkaufsrechte mehr als Mitbestimmung zählt, ist Vereinspolitik total verfehlt!“ Auf dem Rasen hatte Evseev kurz vor Schluss noch einmal zwei Möglichkeiten, doch noch den FCH ranbringen zu können, doch ein Schuss und ein Lupfer trafen nicht ins Schwarze. Es blieb beim 2:0 für Magdeburg, doch gesungen wurde im Gästebereich weiterhin. Minutenlang ertönte noch das „Marmor, Stein und Eisen bricht….“ Die Mannschaft bedankte sich für die gute Unterstützung, die stabile Magdeburger Fraktion schaute indes noch, ob nicht doch noch eine Aktion im Gästebereich gestartet werden würde. Wurde jedoch nicht. Die gezogenen Materialien wurden nicht verbrannt, es kam zu keinen Provokationen, ohne Vorkommnisse leerten sich schließlich die Blöcke.
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht zogen die blau-weißen Massen ab. Einige wanderten zu Fuß über die Elbbrücken gen Innenstadt. Der siebte Sieg in Folge. Rang zwei hinter Tabellenführer SC Paderborn 07. Es folgen derzeit der SC Fortuna Köln und der VfR Aalen. Als nächstes reist der 1. FC Magdeburg am kommenden Freitagabend zum FSV Zwickau. Der F.C. Hansa Rostock, der aktuell auf Rang sechs zu finden ist, empfängt am Samstag im heimischen Ostseestadion den Tabellennachbarn SV Werder Bremen II.
Fotos: Marco Bertram