In Bayern ist die Regionalliga das Aushängeschild - sozusagen das hübsche, schmuckvolle Krönchen - des dortigen Amateurfußballs. Die Ambition nach oben zu klettern, haben nicht so viele Vereine. In der Region Nordost ist die Regionalliga indes zum Teil ein Abstellgleis für Vereine, die nach dem Fall der Mauer nicht den Anschluss packten oder gar von unten völlig neu anfangen mussten. Mit diesem Vergleich möchte ich an dieser Stelle starten und zum gefühlt hundertsten Mal die Lanze für den Fußball-Osten brechen. Am 08. Dezember 2017 wird der Bundestag des DFB tagen, und im Raum stehen sieben offizielle Anträge zur Regionalliga-Reform. Und hierbei scheint ein bestimmter Antrag wohl der Favorit zu sein. Die Anzahl der Regionalligen bleibt gleich, die Anzahl der Aufsteiger in die 3. Liga erhöht sich von drei auf vier, die Regionalligen West und Südwest erhalten ein direktes Aufstiegsrecht, in einem bestimmten (noch festzulegenden) Modus spielen die drei Meister der drei anderen Regionalligen die zwei weiteren Aufsteiger aus.
Regionalliga-Reform xy ungelöst: Kommt der Fußball-Osten mal wieder zu kurz?!
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Sagen wir es mal so, jeder der sieben Vorschläge hat es etwas positives. Fast einstimmig wird der Wunsch vorgetragen, die Anzahl der Aufsteiger in die 3. Liga bzw. die Anzahl der Absteiger aus der 3. Liga auf vier zu erhöhen. Bei einer jetzigen Stärke von 20 Mannschaften ist dies für die 3. Liga wohl wirklich zu verkraften. Eine Erhöhung der Teilnehmer in der 3. Liga auf 22 (und dann mit fünf Absteigern) wäre jedoch wohl des Guten zu viel. In diesem Fall müsste der gesamte Modus der oberen drei Ligen überdacht werden. Egal, die Erhöhung auf 22 Mannschaften und die somit verbundene Anzahl von fünf Aufsteigern aus den Regionalligen ist eh vom Tisch. Schauen wir also auf die Möglichkeiten, die sich bei vier Aufsteigern bieten.
Einer der Knackpunkte im Vorfeld: Der NOFV beharrt - und das ganz zurecht - auf die eigene Regionalliga. Und das aus gutem Grund. So gab es die Vorstellung, aus dem südlichen Raum die Mannschaften mit in Bayern unterzubringen sowie die Mannschaften aus dem mittleren und nördlichen Raum mit der Regionalliga Nord (dann wieder eine Regionalliga Nord-Nordost) zu verknüpfen. Ganz klar, das wäre der Todesstoß für die Region Nordost. Und es ist ja nicht so, dass es dass in ähnlicher Form nicht schon mal gab! Wir erinnern uns an die Saison 2000/01! Zu jener Zeit gab es nur zwei Regionalligen. Der Großteil der Vereine aus der Region Nordost spielte in der Regionalliga Nord, nur die beiden thüringischen Vertreter FC Carl Zeiss Jena und FC Rot-Weiß Erfurt mussten in der Süd-Staffel kicken.
Während im Norden die Anhänger des FC Sachsen Leipzig, des 1. FC Union Berlin, des SV Babelsberg und des FC Erzgebirge Aue sich über die Sausen nach Braunschweig, Münster, Düsseldorf und Essen freuten, fühlte man sich in Jena und Erfurt ein wenig abgeschoben. Schlimmer wurde es in der Saison darauf, nachdem Jena den Weg in die NOFV-Oberliga antreten musste und Erfurt plötzlich allein auf weiter Flur stand. Keine regionalen Duelle mehr, dafür die Fahrten als einziger Ost-Vertreter nach Ansbach, Fulda, Elversberg, Wehen und Hoffenheim. Logisch, dass man in der Blumenstadt heilfroh war, als 2004 der FC Rot-Weiß Erfurt den Sprung in die 2. Bundesliga gepackt hatte.
Als 2005 die Erfurter wieder abstiegen und der FC Carl Zeiss Jena den Aufstieg aus der Oberliga gepackt hatte, wurden beide Vereine in der RL-Saison 2005/06 wieder in die Nord-Staffel gepackt. Die Zeit vergeht schnell - und die Erinnerungen verschwimmen ebenso fix. 2008 wurde die 3. Liga eingeführt. Okay, das dürften wir alle noch im Kopf haben. Doch schau an, in der Saison 2008/09 war die Regionalliga in drei Staffeln aufgeteilt. Die Staffel Nord (Nord und Nordost zusammen), die Staffel West (inklusive Rheinland-Pfalz und Saarland) sowie die Staffel Süd (Bayern, Baden-Württemberg und Hessen). Eine merkwürdige Ausnahme gab es damals jedoch. So wurde der BV Cloppenburg kurzerhand der Staffel West zugeteilt. Worms und Oggersheim als Auswärtsfahrten statt Plauen und Chemnitz.
2012/13 wurden schließlich wieder die fünf Staffeln eingeführt, die bis zum jetzigen Zeitpunkt Bestand haben. Merkwürdig, dass man das Gefühl hat, diese fünf Staffeln gebe es schon ewig. Der Zeitraum mit den drei Staffeln - im Gegensatz zu der Zeit mit den beiden Staffeln Nord und Süd - hatte ich persönlich kaum noch auf dem Schirm. Lohnend ist ein Blick noch weiter zurück! So wurde 1994/95 die Regionalliga nach langer Zeit wieder neu eingeführt - und zwar mit vier (!) Staffeln. Nord, Nordost, West/Südwest und Süd. Wahrlich, die Region Nordost hatte ihre eigene Staffel - und ich weiß noch, wie wir alle vor Freude im Dreieck sprangen. Nach den traurigen, überaus tristen Jahren der NOFV-Oberliga als dritthöchste Spielklasse (nach der Wende sogar mit drei Staffeln) kam es nun wieder zu vielversprechenden Duellen. Der FC Berlin (BFC Dynamo) reiste endlich wieder nach Leipzig-Leutzsch, Erfurt und Jena. Und auch in Berlin-Köpenick zeigte man sich sehr erfreut, dass die Eisernen es wieder mit den Jungs aus Thüringen und Sachsen zu tun hatten. Das tröstete wenigstens ein wenig darüber hinweg, dass man nach der Wiedervereinigung den Anschluss verpasste hatte.
Apropos Anschluss. Wie sollte der Fußball-Osten auch Anschluss halten? Gerade mal zwei (!) Vereine aus dem Osten (F.C. Hansa Rostock und Dynamo Dresden) durften 1991/92 mit in der 1. Bundesliga spielen. Weitere sechs Vertreter (Stahl Brandenburg, Jena, Erfurt, Chemnitz, Hallescher FC und VfB Leipzig) konnten sich für die damals zweigeteilte 2. Bundesliga qualifizieren. Eine faire Wiedervereinigung hätte anders ausgesehen. Ausverkauf und kaltes Wasser - dazu nur zwei Teams in der 1. Bundesliga. Eine große Masse an relevanten Vereinen aus der DDR tingelte Anfang der 90er Jahre in den drei Staffeln der NOFV-Oberliga herum. Manch ein Verein ging völlig verschütt und erholte sich nie wieder. Immerhin konnten beispielsweise der 1. FC Union und der 1. FC Magdeburg diese extrem harte Phase zu Beginn der 90er Jahre eines Tages hinter sich lassen und spielen nun im Profifußball mit.
Die Schaffung einer eigenen Regionalliga Nordost war 1994 eine logische Konsequenz. Der NOFV hat im jetzigen Antrag ein paar Zahlen auf Papier gebracht. In gleicher Form galten diese auch damals: So umfasst die Fläche des Verbandsgebietes des NOFV mit 30,46 Prozent fast ein Drittel des DFB-Gebietes. Sechs von 21 Landesverbänden des DFB sind im NOFV. Das entspricht knapp 29 Prozent. Und klar, kam der Fußballosten im Jahr 1991 schon viel zu kurz, so sollte er 1994 wenigstens eine eigene Regionalliga-Staffel erhalten.
Aber auch damals hatte der Nordosten (wie auch der Norden) auf gut Deutsch gesagt die Arschkarte! Stiegen 1994/95 noch die jeweiligen Meister direkt auf, so musste am Ende der Saison 1995/96 (und in den Folgejahren) zwischen Nord und Nordost in Form einer Relegation / Aufstiegsrunde ein Aufsteiger ermittelt werden. Während in West/Südwest und Süd die Meister direkt aufstiegen, blieb in Nord / Nordost ein Verein am Ende auf der Strecke. An die Aufstiegsrunde zwischen dem VfB Oldenburg und Tennis Borussia Berlin mögen sich nur noch einige erinnern, die arg erhitzten Duelle zwischen Hannover 96 und dem FC Energie Cottbus werden indes noch viele im Kopf haben. Was für ein Ausbruch jeglicher Gefühle bei den beiden Spielen im Jahr 1997. Am Ende packten die Lausitzer den Sprung nach oben, und der ganze Fußball-Osten klatschte in die Hände. Ganz nach dem Motto: Jawohl, diese Hürde wurde genommen! Dem DFB und dem Westen wurde es gezeigt!
Um wieder zurückzukommen zum eigentlichen Punkt: Eine Aufspaltung der Region Nordost ist nicht möglich. Allein der Gedanke, ein paar Vereine in die Regionalliga Bayern abzuschieben, kann nur ein Witz sein. 40 Jahre war diese Region ein eigener Staat, in dem Erstligafußball gespielt wurde und zahlreiche Vereine am Europapokal teilgenommen hatten. Die Geschichte muss man sich einmal vor Augen führen! Mit in der Regionalliga dabei: Der DDR-Serienmeister BFC Dynamo, der 1. FC Lokomotive Leipzig (EC-Finalist von 1987), die BSG Chemie Leipzig (DDR-Meister 1951 und 1964). Dazu der FC Energie Cottbus. Und gut möglich, dass in der kommenden Saison wieder der FC Rot-Weiß Erfurt (DDR-Meister 1954 und 1955 als Turbine Erfurt) und / oder der FSV Zwickau (einst BSG Sachsenring Zwickau, zuvor als SG Planitz Ostzonenmeister 1948 und als BSG Motor DDR-Meister 1950) und / oder der Chemnitzer FC (einst als FC Karl-Marx-Stadt DDR-Meister 1967) in der Regionalliga auflaufen müssen. Es wird immer ein Auf und Ab geben, und die Regionalliga Nordost wird stets ein Auffangbecken für einstige DDR-Oberligisten sein.
Allein die Mitgliederzahlen der einzelnen Regionen und die Anzahl der Herrenmannschaften als Grundlage für Aufteilungen und Aufstiegsregelungen zu nehmen, ist der falsche Weg. Denn wie lauteten Stimmen in Bayern? Zwar haben die wenigsten Vereine ernsthafte Aufstiegsambitionen, doch die Regionalliga Bayern ist ein Aushängeschild und so was wie die Champions League für den bayerischen Amateurfußball. Fein. Aber das kann es ja auch nicht sein!
Was also tun? Es wäre - nach all den Benachteiligungen nach dem Fall der Mauer - doch mal wirklich ein Zeichen, dem Fußball-Osten mal richtig entgegenzukommen. Es ist vieles am Boden, weil 1990/91 falsche Entscheidungen getroffen wurden und man einige Vereine komplett ausbluten ließ? Eine echte faire Wiedervereinigung fand damals beim Fußball nicht statt? Okay, im Gegenzug bekommt die Regionalliga Nordost nun einen festen Aufsteiger. Ohne Wenn und Aber. Für eine Region mit knapp 17 Millionen Einwohnern ist dies wohl auch nicht zu viel verlangt!
Der Westen und der Südwesten? Darüber müssen wir uns wahrlich nicht unterhalten. Feste Aufsteiger! Und Schluss mit dem Unsinn, gleich zwei Vertreter aus dem Südwesten in die Aufstiegsrunde zu schicken! Und nun muss überlegt werden. In der Regionalliga Nord und in Bayern gibt es kaum Vereine, die aufsteigen wollen / können und die nötige Infrastruktur mitbringen? Zum einen könnten diese beiden Regionalligen eine Aufstiegsrunde ausspielen, es würde sich dann quasi nichts ändern. Im anderen Fall müsste wirklich in Erwägung gezogen werden, dann halt doch auf vier Regionalligen zu reduzieren. Wie das gehen könnte, haben wir Mitte der 1990er Jahre gesehen. Kein Bundesland würde geteilt werden. Bayern müsste dann aber auf seine eigene Regionalliga verzichten. Als Unterbau könnte man dort auf eine eingleisige Oberliga setzen.
Es wird schwer genug, allen gerecht zu werden. Doch schnuppert es danach, dass der Fußball-Osten wieder einmal zu kurz kommen könnte. Während im Westen und Südwesten die Tabellenführer, wenn sie ins Fahrwasser der sicheren Meisterschaft einfahren, sicher planen können, müssten die potentiellen Meister im Osten wieder mit der hop-oder-top-Situation leben. Einstige DDR-Oberligisten in der Aufstiegsrunde zur 3. Liga gegen den Hamburger SV II, den SC Weiche Flensburg 08 oder gegen Wacker Burghausen und den 1. FC Nürnberg II? Das kann es nicht sein, das darf es nicht mehr sein! Fast drei Jahrzehnte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs muss Schluss damit sein, den Fußball-Osten zu benachteiligen!
Fotos: Marco Bertram, Patrick Skrzipek, Arne Amberg, Sachseninformer, K. Hoeft
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Benutzer-Kommentare
danke für den ausführlichen Bericht.
Ich sehe es so, dass man unbedingt den Flaschenhals abschaffen muss und das ist die eingleisige dritte Liga. Die ist übrigens nur eingleisig, weil man nicht genug Fernsehgelder an noch mehr Klubs ausschütten kann, ohne dass sich der Betrag gegen Null bewegt. Und genau das ist der eigentliche Skandal.
Wir brauchen bald eine vernünftige Lösung und die kann aus meiner Sicht nicht darin bestehen, dass darüber diskutiert wird, wer jetzt einen sicheren Aufsteiger bekommt und wer nicht. Damit hätte man ja immer noch das Problem, dass der Meister (zumindest bei manchen Regionalligen) nicht sicher aufsteigt.
Ich plädiere daher dafür, dass man nach der nächsten Saison die besten Mannschaften aus den 5 Regionalligen aufsteigen lässt und dann die dritte Liga in Nord und Süd aufspaltet. Das gäbe erstens interessante Partien und zweitens hätte man mit Auf- und Abstieg überhaupt keine Probleme mehr.
Auch für uns war es ein unglaubliches Nadelöhr gegen Lotte. Theoretisch hätten wir ohne Niederlage den Aufstieg verspielen können - und ähnlich wie Waldhof noch ein paarmal scheitern können.
Egal was man von RB hält - solche Regelungen gehen gar nicht.
Mein bevorzugtes Modell: wie 1994/1995 - 1 direkter Aufsteiger je Regionalliga.
Beste Grüße Marco (turus.net)
erstmal danke für den toll geschriebenen Artikel. Ich stimme dir in sehr vielen Punkten zu.
Jedoch wird es immer unfair bleiben, wenn aus fünf Regionalligen nur 4 Mannschaften aufsteigen. Ein Verein aus Nord oder Bayern zieht demnach die Arschkarte. Auch wenn viele dort vielleicht gar nicht aufsteigen wollen, wäre es eine unfaire Regelung den Mannschaften gegenüber, die es doch wollen und können. Hinzu käme dann ja schließlich auch bei den beiden RL die bereits erwähnte Planungsunsicherheit.
Wäre nicht eine 4-gleisige RL der richtige weg? Mit 4 Auf- und Absteigern.
Gruß, Andy