TSV 1860 München vs. BSG Chemie Leipzig: Wenn Tradition und Zusammenhalt die Essenz des Ganzen sind

„Seht, das ist das Werk Eurer Väter. Haltet es in Ehren.“ Der Fußball ist omnipräsent und verdrängt andere Sportarten auf sämtlichen Ebenen. Im Fall des TSV 1860 München wird allerdings sehr schnell klar: Ein Verein - das ist eben nicht nur der Kick mit dem runden Leder auf dem grünen Rasen. Klar, hört man 1860 München, dann denkt man automatisch an den Fußball, an den Investor Hasan Ismaik, an all die Probleme der letzten Jahre, an den Absturz in die Regionalliga Bayern. Beim Blick auf die von den aktiven Fans umgesetzte Choreographie beim Benefizspiel gegen die BSG Chemie Leipzig wird einem schnell wieder bewusst. Mensch ja, was für eine Geschichte hat solch ein Verein! 1860! Allein die Jahreszahl! Und dabei wurde der Verein im Münchner Stadtteil Giesing bereits am 15. Juli 1848 ins Leben gerufen. Er schien in den damaligen unruhigen Zeiten (Nachwehen der Märzrevolution) jedoch einigen Personen ein mächtiger Dorn im Auge gewesen zu sein. Wegen „republikanischer Umtriebe“ wurde der Verein kurzerhand verboten und aufgelöst. Am 17. Mai 1860 wurde ein zweiter Anlauf genommen. Der TSV 1860 München wurde gegründet, als Vereinsfarben wurden Grün und Gold gewählt. Welch edle Farben. Ja, man darf erstaunt sein. Mir als gebürtiger Ost-Berliner war das gar nicht bewusst - bis ich nun die Bilder von der Choreo sah. 1860? Das war für mich immer Weiß-Blau. Aber nun gut - die Leser im Süden Deutschlands dürfen gerne schmunzeln - man lernt niemals aus!

Chemie

Die Fußballabteilung wurde am 25. April 1899 gegründet. Demzufolge wurde vier Jahrzehnte lang Vereinsgeschichte ganz ohne Fußball geschrieben. Damals mit klassischen Sportarten wie Kegeln, Ringen, Turnen und Rudern. Der Fußball rollte schließlich öffentlich das erste Mal am 27. Juli 1902, als ein Freundschaftsspiel gegen den 1. Münchner FC 1896 (2:4) ausgerichtet wurde. Das von den Vorfahren geschaffene Werk wurde in Form der sehenswerten Choreo in Erinnerung gerufen. Zu Beginn gab es am Zaun den eingangs zitierten Spruch zu lesen, im Anschluss wurden einzelne gerahmte Bilder präsentiert. Ein altes Logo. Gebäude, die in der Vereinshistorie wichtige Rollen gespielt hatten. Die Sektionen des eingetragene Vereins. Kegeln. Basketball. Behindertensport. Boxen. Im Hintergrund der Tribüne wurden einige Raketen abgeschickt, auf Pyrotechnik auf den Rängen wurde beim Benefizspiel gegen die BSG Chemie Leipzig bewusst verzichtet, schließlich sollte genügend Geld übrig bleiben, damit sich die Kassen für Projekte bei den Sechzgern und das in Planung befindliche Flutlicht in Leipzig-Leutzsch füllen.

Chemie

Das erste Aufeinandertreffen: Am 13. August 1994 trafen der FC Sachsen Leipzig und der TSV 1860 München in der ersten Runde des DFB-Pokals aufeinander. Vor insgesamt 7.359 Zuschauern ging das Spiel im Alfred-Kunze-Sportpark in die Verlängerung und schließlich ins Elfmeterschießen, das die Sechzger denkbar knapp mit 4:3 für sich entscheiden konnten. Und das, obwohl auf Seiten des TSV 1860 sowohl Jens Dowe, als auch Jens Keller verschossen hatten. Auf Seiten der Leutzscher waren es halt drei Schützen (Frank Nierlich, Torsten Feetz und Carsten Klee), die den Ball nicht unterbringen konnten. Wie der Zufall will, eine Runde später war ich damals vor Ort im Stadion an der Grünwalder Straße, um das Pokalspiel gegen den TSV Bayer 04 Leverkusen zu sehen. Auch dieses Spiel konnten die Sechzger im Elfmeterschießen (4:1) gewinnen.

Chemie

Um auf die Leutzscher zurückzukommen: Während der TSV 1860 München einige Jahre in der 1. Bundesliga spielte, und zwischendurch sogar in der Champions League dabei war, kickte der FC Sachsen Leipzig in der Regionalliga und der NOFV-Oberliga. Aus den großen Plänen wurde nichts. Die Luftschlösser platzten, Insolvenzen brachten den Verein an den Rand des Abgrundes, 2011 erfolgte schließlich die Auflösung des FC Sachsen Leipzig. Bereits einige Jahre zuvor verließen zahlreiche aktive Fans den Verein und brachten sich nun aktiv in der 1997 parallel ins Leben gerufenen BSG Chemie Leipzig ein. 2008/09 wurde mit einer Männerschaft in der 3. Kreisklasse (12. Liga) neu gestartet, und während beim FC Sachsen Leipzig im Jahr 2011 die Lichter ausgingen, arbeiteten sich die Chemiker Stück für Stück nach oben. Nach einem Rückschlag - Abstieg aus der Sachsenliga in die Bezirksliga - ging es forsch nach oben, am Ende der vergangenen Saison konnte schließlich der ersehnte Aufstieg in die Regionalliga Nordost gefeiert werden.

1860

Wahnsinn, wenn man folgendes bedenkt: 2008/2009 spielte die chemische Kreisliga-Mannschaft in der 12. Liga vor im Schnitt 378 Zuschauern, der TSV 1860 München ließ in der Allianz Arena in der 2. Bundesliga vor über 28.000 Zuschauern im Schnitt den Ball rollen. Nachdem auch beim TSV 1860 München manch ein Luftschloss platzte, spielen nun im Jahr 2017 beide Vereine in der vierthöchsten Spielklasse. Die BSG Chemie Leipzig und der TSV 1860 München - plötzlich sportlich auf Augenhöhe. Wer hätte das vor zehn Jahren für möglich gehalten?! Ja, so kann es kommen. Einst in der Champions League, nun in der Regionalliga. Der Trost für die Löwen-Fans? Endlich wieder daheim im geliebten Stadion an der Grünwalder Straße. Endlich wieder bodenständiger Fußball ohne die extreme kommerziellen Auswüchse. Und wer, wenn nicht die Fans, pflegt die Vereinshistorie? Alle kommen und gehen - Präsidenten, Vorstandsmitglieder, Aufsichtsräte, Spieler, sportliche Leiter, Trainer, Sponsoren, Investoren und sonstige Geldgeber - nur die treuen Fans bleiben. Von der Wiege bis zur Bahre. Von der 1. Liga bis zur Kreisliga.

Münchner Löwen

Und scheiß auf die Ligenzugehörigkeit. Wer gegeneinander spielen und gemeinsam ein Fußballfest feiern möchte - der kann es im anderen Rahmen jederzeit tun. Wie das gehen kann, haben die Chemiker bereits mehrfach gezeigt. Auswärts beim FC Schalke 04 II auf der altehrwürdigen Glückauf-Kampfbahn, daheim gegen die Eisernen aus Berlin-Köpenick, gegen die Freunde von Eintracht Frankfurt und nochmals gegen die Schalker, nun aber auch im AKS. Am 13. Januar stand nun die Sause nach München an. Ein Old-School-Sonderzug wurde organisiert, zu hunderten fuhren die Fans der BSG Chemie gen bayerische Landeshauptstadt. Im Gästeblock wurde wie bereits erwähnt auf leuchtende und rauchende Erzeugnisse verzichtet, stattdessen setzte man auf Luftballons, hochgehaltene Schals und lautstarkem Support. „Flutlicht für Leutzsch“, war auf einem Doppelhalter zu lesen. Und darum ging es ja letztendlich auch. Der AKS muss auch in Zukunft den Kriterien des Verbandes entsprechen, und die Zeit drängt.

Chemie

Auf dem Rasen konnte der TSV 1860 München vor insgesamt 5.450 Zuschauern mit 1:0 gewinnen. Den Treffer des Tages erzielte Ugur Türk bereits in der fünften Spielminute. Aber logisch, das Ergebnis war an diesem Abend wahrlich zweitrangig. Das Wichtigste: Es wird ein Rückspiel geben in Leipzig-Leutzsch, und dieses wird voraussichtlich im kommenden Sommer ausgetragen.

Fotos: „Münchner Löwen“

> zur turus-Fotostrecke: TSV 1860 München

> zur turus-Fotostrecke: BSG Chemie Leipzig

Artikel wurde veröffentlicht am
19 Januar 2018
Spielergebnis:
1:0
Zuschauerzahl:
5.450

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G
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Diese BSG Chemie Leipzig welche 1997 zur Erhaltung des Wappens & Name gegründet und anschließend zur Selbstbeweihräucherung der Abtrünigen (Ultras!...) ins Spielgeschehen gebracht wurde,sollte in der Traditonslinie des FC Sachsen nichts zu suchen haben,da schlichtweg bis auf den Name BSG nichts mit der Vereinsgeschichte zu tun.Man geht auch nicht zu einer fremden Familie,gibt sich als Vater aus,wartet bis der Vater stirbt und sagt dann: Ich bins doch euer Vater ;-) Naja,tolle Welt eben.
VW
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G
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Nur die BSG
G
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@Vorredner: Programmheft? Ich bezweifele, dass Herr Bertram vor Ort war. In dem Falle hätte er wohl selbst Fotos gemacht und mehr das Spiel beschrieben.
G
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Glückwunsch
Einfach das Programmheft vom Spieltag 1 zu 1 kopiert. Herr Bertram sie könnten auch bei der BILD Zeitung anfangen.
FI
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