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Nachbetrachtung: Das Unwetter in Rio aus Sicht einer Brasilianerin

10 Apr 2010 04:04 #14081 von Marco
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Das Unwetter in Rio de Janeiro und Umgebung hatte die Einwohner schwer getroffen. Etwa 200 Menschen haben ihr Leben gelassen, tausende Bewohner wurden obdachlos, tausende Gebäude wurden durch Schlamm und Wassermassen zerstört. Am härtesten hatte es die Favelas von Rio de Janeiro und Niterói getroffen, doch vom schweren Unwetter betroffen war jeder. Das turus-Magazin kontaktierte die junge Brasilianerin Roberta Dittz, die in Rio de Janeiro lebt. 2009 und 2010 reiste sie jeweils für ein paar Wochen nach Berlin und Paris. In Rio wurden auch ihre Familie und sie vom Unwetter hart erwischt.[/quote]





Nachts um 01:40 Uhr traf in der turus-Redaktion folgender Bericht aus Rio ein. Das Geschehen aus Sicht einer Betroffenen:[/quote]

Am Ende des Sommers und zu Beginn des Winters ist es üblich, dass während der Monate März und April es viel regenet. Wir sind das gewohnt. Manchmal ist das Wetter gut, machmal nicht. Aber alles ist in Ordnung.[/quote]

Rio de Janeiro ist ein schöne Stadt. Pão de Açucar, Corcovado - das sind alles Berge. Meistens haben die Bergen Favelas, und die Favelas sind immer voll von viele Leuten, die keine Pläne für ihre Häuse haben. [/quote]
Die Häuser kommen einfach, der Boden steht ohne Bäume und Festigkeit. Manchmal gibt es nur die lose Erde. Wenn es regnet, geht die Erde von dem Boden mit dem Wasser runter und die Struktur der Häuser sind immer mehr und mehr brüchig.[/quote]
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Wahrend der Nacht des 6. April, hat sind 200 mm Regen vom Himmel gefallen, normalerweise haben wir 30 mm Regen. Warum? Die Meterologen sagen, dass das Meer sehr warm ist und das macht das Wetter feuchter als regulär.[/quote]
Die Wetterkunde wusste das! Warum tut jedoch die Staat immer nichts?[/quote]

Am 7. April erfolgte die Anordnung des Bürgermeisters, dass wir müssen zu Haus bleiben. Die Strassen waren voll von Schlamm, niemand konnte nicht mit Auto oder Bus zur Arbeit kommen. [/quote]
Aber in den Favelas war die "Scheiße" größer, und jetzt es gibt fast 200 tote Personen. Nur wenige Geschäften waren geöffnet, nur wenige Menschen waren auf der Strasse.[/quote]

In Niterói gibt es ein Favela, die auf Erde und Müll gebaut wurde. Jetzt gibt es nur noch eine Mischung von Erde, Häusern, Personen und Müll. Die Leute, die in Favelas wohnten, sind jetzt bei und in der Staat. Sie wollen Geld, essen. Sie haben Waffen und sie stehen. Das ist alles ganz chaotisch.[/quote]

[/quote]
Ich wohne in Rio im Stadtteil Lapa, hier alles ist gut und wir könnten denken, dass nichts passiert sei. Ich habe internet und Telefon. Zum Glück.[/quote]
Meine Freundin Aline wohnt in Niterói: Dort ist alles chaotisch.[/quote]
Meine Eltern in Maricá: Alles chaotisch.[/quote]
Die Meinung die ich habe ist, dass etwas falsch ist. Haiti, Chile, Brasilien...[/quote]

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10 Apr 2010 04:04 #14082 von Ralf
Die Trauer ist groß und verständlich: Rio de Janeiro, schweres Unwetter, viele Tote, und man sucht die Schuldigen.
Einige erhoben die Wettervorhersage zum Sündenbock. Und, es gab tatsächlich keine Warnung vor dem schwerem Regen. Also sind die Wetterfrösche Schuld... Aber mal ehrlich, was hätte eine Vorhersage geändert? Wen hätte man evakuieren sollen? Lieber eine Million aus der Favela rechts oder doch nur 500.000 im Slum links oder doch die 1,5 Millionen hinterm Berg?
Die Bauvorschriften sind schuld! Blödsinn, es gibt Bauvorschriften, aber wer sollte Kopf und Kragen riskieren, die durchzusetzen.
Außerordentliche Wassermengen sollen es wohl gewesen sein. In einer Stadt in der man Betonpfeiler von Hochhäusern mit Sicherheitsfaktoren von 1,5 baut dürfte es eigentlich nicht so viel regnen. Äh, wie bitte?
So geht das weiter, bis hin zu vollkommen absurden Vorwürfen gegen Gott oder andere Politiker. Die Schuld bei sich selbst zu suchen fällt hier keinem ein.
Was ist passiert? Wie erklärt man das realistisch einem Schweizer, dder auch mit Bergrutschen lebt?
Es hat in einer chaotischen Stadt, mit vielen Steilhängen, in der die Natur konsequent zerstört wird und die höchstens 4 Jahre im Voraus plant (und das normalerweise schlecht) in der Planung nicht in Realität übertragen wird so viel geregnet, wie vor etwas mehr als 40 Jahren. Man hatte viel Glück, es hätten auch 4.000 oder 10.000 Tote sein können, und Unglücke dieser Größe sind hier jederzeit möglich ohne Meteore, Tsunamis oder Mayakalender in die Überlegungen mit einzubeziehen. Rio de Janeiro ist so anfällig wie Haiti, hat aber das Glück, dass alle Naturgewalten gebremst sind. Hier wird es bei Windgeschwindigkeiten um die 100 km/h schlimm, bei einem Jahrhundertsturm von 200 km/h kommt für Rio das Ende der Welt. Und nein Rio de Janeiro ist nicht die Hauptstadt Brasiliens, und hier spricht man Portugiesisch und nicht Spanisch. Und bis zum nächsten großen Unglück, das kommt trotz der friedlichen Natur bestimmt.
Schuld ist eine Summe. Add it up: Schlamperei, Unwissenheit, Desinteresse, fehlende Planung, fehlende Rechtssicherheit, Korruption, es fehlt einfach an vielem, was eine Stadt zum funktionieren braucht, Rio de Janeiro lebt an der unsichtbaren Grenze kurz vorm Untergang, an dem sich erstaunlich viele Städte der Welt entlang schleppen und gerät halt leicht aus dem Gleichgewicht.
Wer handelt hier so unverantwortlich? Alle, das geht vom Häuslebauer selbst bis zum Bürgermeister - praktisch alle Entscheidungsträger kämpfen außerhalb ihrer Kampfklasse.Setzt man die Unfähigkeit in Deutschland bei 50% der Entscheidungsträger an so liegt diese in Brasilien ca. bei 85%, das kann gar nicht funktionieren. Die Schweizer befestigen Berge unter anderem mit Draht, Beton und Bäumen; in Brasilien weiß man gar nicht, dass das machbar ist.

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