Klimawandel: Europa stellt sich

RS Updated
Die Gletscher in der Arktis schmelzen, die Wüsten in Afrika breiten sich aus – der Klimawandel ist Realität. Er bedroht unseren Wohlstand und unser Wohlergehen, nicht nur in Europa, sondern weltweit. Und: Er verändert die geopolitische Landschaft, mit schwerwiegenden Folgen für Frieden und Sicher­heit. Ein gemeinsames Statement des britischen Außenministers David Miliband und Bundesaußenministers Frank-Walter zu den den sicherheitspolitischen Folgen des Klimawandels:
Der Klimawandel verstärkt vorhandene Spannungen. Er wird den bereits jetzt herr­schenden Druck auf knappe Ressourcen, insbesondere Energie, Wasser und Nahrungsmittel, noch verschärfen. Schon jetzt steigen die Preise von Nahrungsmitteln auf Rekordhöhe, und die Besorgnis angesichts der Konsequenzen in Ländern wie China wächst.

Der Wettlauf um knappe Ressourcen droht, weitere Migrationsströme auszulösen. Darunter werden besonders Regionen leiden, die bereits jetzt anfällig für Instabilität sind. Dazu gehören etwa die Sahelzone, der Nahe Osten sowie Süd- und Zentralasien: dort leben viele Menschen bereits heute in gesellschaftlich und wirtschaftlich prekären Verhältnissen. Wenn der Meeresspiegel ansteigt und die Eiskappen schmelzen, könnten neue Konflikte über sich verschiebende Seegrenzen entstehen. Dies ist kein Untergangszenario. So sieht es eine wachsende Zahl von Sicherheitsexperten auf der Grundlage der Erkenntnisse von Klima­wissenschaftlern voraus. Ihre Schlussfolgerungen verlangen nach einer klaren und kohärenten außen- und sicherheitspolitischen Antwort.

Die Europäische Union steht bereits jetzt an der Spitze der weltweiten Bemühungen um die Bekämpfung des Klimawandels. In Europa bauen wir gegenwärtig die weltweit erste wett­bewerbsfähige und energiesichere Wirtschaftsordnung mit einem niedrigen CO2-Ausstoß auf. Neben der Schaffung des weltweit ersten funktionierenden CO2-Marktes haben wir uns im letzten Jahr verpflichtet, ehrgeizige Ziele umzusetzen, um möglichst rasch zu einer euro­päischen Volkswirtschaft mit möglichst geringem CO2-Ausstoß zu kommen – 20 % des gesamten Energiebedarfs sollen bis 2020 aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden, zwölf Demonstrationsstätten zur CO2-Abscheidung und -speicherung sollen bis 2015 in Betrieb gehen. Bis 2020 ist eine Reduzierung des Gesamtausstoßes an Treibhausgasen um 20 % und, falls andere entwickelte Länder einen ähnlichen Ehrgeiz an den Tag legen, sogar um 30 % vorgesehen.

Auf internationaler Ebene bemühen wir uns darum, die Folgen des Klimawandels im Rahmen des Kyoto-Protokolls zu mildern - außerdem setzen wir uns für ein Post-Kyoto-Abkommen für die Zeit nach 2012 ein. Entsprechende Verhandlungen haben wir auf der UN-Konferenz im Dezember in Bali auf den Weg gebracht. Das Ziel muss ein ehrgeiziges, bindendes, umfassendes und ausgewogenes Übereinkommen sein, das bis zur UN-Konferenz in Kopenhagen Ende 2009 beschlossen werden muss.

Darüber hinaus haben wir die sicherheitspolitischen Folgen des Klimawandels auf der internationalen Agenda ganz nach oben gesetzt. Großbritannien setzte 2007 im VN-Sicher­heitsrat eine Debatte über die Folgen des Klimawandels für Frieden und Sicherheit auf die Tagesordnung. Deutschland brachte während seiner EU-Präsidentschaft im letzten Jahr einen Bericht über eine europäische Reaktion auf die neuen Sicherheitsrisiken auf den Weg. Die Staats- und Regierungschefs der EU erörtern diesen Bericht auf ihrer Ratstagung heute und morgen.

Sowohl Großbritannien als auch Deutschland befürworten eine europäische Antwort auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen des Klimawandels. Wir setzen uns dafür ein, diese neuen Bedrohungen mit einer wirksamen europäischen und multilateralen Strategie zu bekämpfen. Welches sind die wichtigen Elemente einer solchen Strategie?

Erstens: Begonnene Anstrengungen zur Bekämpfung der neuen, durch den Klima­wandel ausgelösten Sicherheitsrisiken müssen verstärkt werden. Mit der EU-Zentralasienstrategie und der neuen EU-Afrika-Partnerschaft gibt es weg­weisende politische Initiativen, die beispielhaft dafür stehen, wie wir Klima­sicherheit in alle Aspekte der EU-Regionalpolitiken einbringen können. So ist etwa in Zentralasien die grenzüberschreitende Bewirtschaftung der Wasserressourcen ein wichtiger Pfeiler unserer Strategie. Wir fördern die Fähigkeiten der lokalen Bevölkerungen und den regionalen Dialog, wir schaffen eine effizientere Wasserinfrastruktur: all dies unterstreicht, wie Wasser das verbindende, und eben kein trennendes Element einer regionalen Zusammenarbeit sein kann.

Das Gleiche gilt für Afrika. Dort werden fehlende Nahrungsmittelsicherheit, Wassermangel und extreme Wetterbedingungen wahrscheinlich dramatische Ausmaße annehmen. Wir wollen im Rahmen der Partnerschaft zwischen der EU und Afrika enger zusammenarbeiten, um die Verschlechterung der Böden und die zunehmende Wüstenbildung zu bekämpfen. Die Ernährungssicherheit können wir durch Initiativen wie die "Grüne Mauer für die Sahara" verbessern - ein Schlüsselelement für politische Stabilität und Krisenvorbeugung in Afrika.

Zweitens: Stürme, Überflutung, Dürren – die Zahl der Naturkatastro­phen wird in Zukunft weltweit wachsen. Wichtig ist daher eine bessere Beobachtung von klimabedingten Entwicklungen in krisenanfälligen Regionen. Aber: Vorbereiten müssen wir uns auch auf die steigende Nachfrage nach EU-geführten Einsätzen zur Katastrophenhilfe sowie humanitäre Sofortmaßnahmen.

Drittens: Wir müssen uns bereits heute fragen, wie der Klimawandel den strategischen Kontext der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik in den kommenden Jahren beeinflussen wird. So wirft das Abschmelzen der arktischen Eiskappe Fragen im Zusammenhang mit Ressourcen, der Abgrenzung von Meeresgebieten und von Schifffahrtsstraßen im Hohen Norden auf. Um neue Spannungen zu vermeiden, schlägt daher der EU-Bericht zur Klima­sicherheit eine europäische Arktispolitik vor. Es ist von entscheidender Bedeutung für die europäische Sicherheit, Strukturen für die Arktisregion umzusetzen, die sich auf das Völkerrecht stützen, auf eine kooperative und friedliche Bewirtschaftung von Ressourcen abzielen sowie das ökologische Erbe der Menschheit bewahren.

Neue außenpolitische Herausforderungen vorhersehen und regionale Strategien zu Klimasicherheit und Konfliktverhütung stärken: dies sind wichtige Schritte auf dem Weg zu einer gemeinsamen Antwort der EU. So kann es uns gelingen, Probleme zwischen denjenigen, die die größte Verant­wortung für den Klimawandel tragen, und denjenigen, die am stärksten von ihm betroffen sind, zu vermeiden. Eine Konfrontation zwischen "Verschmutzern" – sowohl im Norden als auch unter den Schwellenländern – und "Opfern", die sich vornehmlich in der südlichen Hemisphäre finden, würde die ohnehin schon belastete internationale Sicherheits­architektur weiterem Druck aussetzen.

Klar ist: Nicht mit Zwang oder Gewalt können wir die Ursachen des Klimawandels oder seine direkten Folgen bekämpfen. Mit militärischer Macht lässt sich keine Weltwirtschaft mit nie­drigem CO2-Ausstoß aufbauen. Kein Waffensystem der Welt kann einen Hurrikan daran hindern, eine Stadt zu verwüsten, oder das Ansteigen des Meeresspiegels aufhalten. Klar zeigen uns dagegen die neuen Analysen zum Thema Klima und Sicherheit: Wir müssen mit einschneidenen Konsequenzen rechnen, wenn wir uns dieser Herausforderung nicht gewachsen zeigen.

Weitere Infos:
Auswärtiges Amt

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