Wie viel Nacktheit verträgt die Gesellschaft?

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MB Updated
Nacktheit wird situationsbedingt völlig unterschiedlich wahrgenommen. Nacktheit - am FFK-Strand für viele Normalität, in der Sauna und in Umkleidekabinen meist auch. Völlige Nacktheit im Fernsehen noch immer gewöhnungsbedürftig - im Internet dagegen für viele kein Problem. Die eigene Nacktheit wird ebenso situationsbedingt eingeschätzt. Manch einer ziert sich im Umkleideraum, packt jedoch freizügige Bilder auf seine Sedcard. Im Fernsehen gibt es Zensur, im Internet ist alles frei zugänglich. Fast alles. Wie viel Nacktheit verträgt unsere Gesellschaft? Wo liegen die Grenzen? Ab welchen Punkt werden Grenzen überschritten?
 

Die Zeit brachte es mit sich, dass wir immer mehr Nacktheit präsentiert bekommen. Die Gewohnheit bringt es mit sich, dass wir einen halbnackten prallen Busen auf der Titelseite einer TV-Programmzeitschrift kaum noch wahrnehmen.

Gehe ich jeden Tag in die gemischte Sauna, achte ich auch nicht mehr auf die anderen Saunagäste. Bin ich es seit Kindheit an gewohnt, an den FKK-Strand zu gehen, so verspüre ich keinerlei Scheu mich dort komplett zu entblößen und splitterfasernackt baden zu gehen. Trotzdem kann sich Nacktheit zu einer anderen Gelegenheit wieder komplett anders anfühlen. Situationsbedingt kann Nacktheit selbst für einen eisernen FKK-Anhänger unangenehm und störend werden.
 
Sauna

Schauplatz Filmset:
Kostüm und Maske für Komparsen und Kleindarsteller am Filmset. Nicht selten gibt es nicht ausreichend Möglichkeiten, sich vor einem Dreh diskret umziehen zu können. Zwischen Tür und Angel werden Hemden und Hosen gewechselt. Wenn es hart kommt, am besten gleich im Gang des Komparsen-Bus inmitten zahlreicher anderer Leute. Bei Kostümproben für Massendrehs kann es schon mal vorkommen, dass man etwas hilflos in Unterwäsche mitten in einem Raum steht und darauf wartet, dass einen die Dame vom Kostüm nach langer Suche endlich die passende Garnitur bringt. Manch einem behagt diese Situation keineswegs. Am Set ziehen sich junge Komparsinnen häufig lieber nicht gemeinsam mit den anderen sondern in den Toiletten um. Andererseits werden manchmal - nicht selten von den gleichen Personen - Fotos auf den Sedcards präsentiert, bei denen man nur staunen kann. Freizügig werden Oberkörper und knappe Bekleidung präsentiert.
 

Schauplatz Fernsehen und Internet:
Was im TV-Programm nicht erlaubt ist, wird im Internet wie selbstverständlich und für alle Personen freizugänglich gezeigt. Im Fernsehen gibt es recht klare Richtlinien, was gezeigt werden darf und was nicht. Unterteilt in "vor 22 Uhr" und "nach 22 Uhr". Sexszenen dürfen in Serien und Filmen keine pikanten Details zeigen. Ein erigierter Penis ist im Fernsehen völlig tabu. Ausnahme: In wissenschaftlichen Sendungen im Abendprogramm.
Im Internet sind dagegen die meisten Porno-Seiten frei zugänglich. Jugendliche klicken sich durchs Netz und bekommen problemlos allerhand zu sehen. Das volle Programm. Fündig zu werden, ist weiß Gott nicht schwer. Zwei Klicks und man / frau bekommt pralle Oberweiten und männliche ejakulierende Geschlechtsorgane zu sehen. Ob das gut ist, darf ernsthaft bezweifelt werden.
Häufig wird darüber diskutiert, solche Seiten zu zensieren und den Zugang für Minderjährige zu erschweren. Der Protest ist groß. Doch man halte sich noch einmal vor Augen: Mittlerweile hat das World Wide Web im Prinzip den gleichen Stellenwert wie das Fernsehen. Die Qualität hineingestellter Filme wird immer höher. Kids bekommen im Netz alles zu sehen: Hardcore, Gewalt, Cumshots, Brutalität, Perversion.

Man drehe noch einmal die Zeit um 20 Jahre zurück und überlege, was der damalige Nachwuchs während seiner Pubertät zu Gesicht bekam.
Als Anfang der 90er Jahre im neu geschaffenen Privatfernsehen die ersten Formate auf Sendung gingen, die mit der Grenzverschiebung spielten, war das "Oho" auf Seiten der Befürworter und Gegner groß.
"Tutti Frutti" - die erste erotische TV-Show im deutschen Fernsehen - sorgte für reichlich Gesprächsstoff auf dem Schulhof. Mitte der 90er Jahre sorgten dann die ersten anzüglichen Werbespots im Nachtprogramm für Aufregung.
Nun zum Vergleich: Was kann sich ein heute 14-jähriger auf youporn & co problemlos anschauen?! Ein Jugendlicher in der Gegenwart hat teilweise mehr Genitalien gesehen als manch ein Frauenarzt in seinem gesamten Berufsleben.
Manch ein Jugendlicher hat zu heutigen Zeiten im Netz mehr Sexstellungen gesehen, als Papa und Mama sich in der 80ern in farbenfrohster Phantasie vorstellen konnten.
Wohin der Weg führen wird - das entscheiden wir, die Gesellschaft.
 

Schauplatz Netzwerke:
Nicht unbedingt geht es bei Netzwerken wie studiVZ und facebook um körperliche Entblößung. Erstaunlich ist jedoch die Tatsache, wie sich manche anderweitig entblößen und ihr gesamtes privates Inneres der Öffentlichkeit darlegen. Unfassbar, wie arglos besonders jüngere Leute ihr tiefstes Seeleninneres präsentieren und mit dem Medium Internet umgehen.
Die Netzwerke wirken gemütlich, schnell fühlt man sich als User zu Hause und lässt die Hüllen fallen. Ein lustiges Partybild ist am Abend ganz fix hochgeladen. Ohne Sorge lassen viele Nutzer die anderen am privaten Leben teilnehmen...
Einen Schritt weiter geht es selbstverständlich bei Communitys wie joyclub & co. Schnell kommt man dort ins Gespräch, tauscht sich mit "Freunden" über sexuelle Vorlieben aus und stellt Fotos, die intime Details zeigen, ins Profil und in die Fotogalerie.
Würde man sich mit diesen "Freunden" aus den Netzwerken nach dem Sport in der Umkleide umziehen, würde sich alles ganz anders anfühlen.
Wie gesagt, Nacktheit fühlt sich situationsbedingt komplett anders an.
 
strand

Schauplatz FKK-Strand:
Ein Bild, das sich von der DDR einprägte. Der geparkte Trabi, Wartburg oder Lada kurz vor der Düne und unten am Strand tausende brave Bürger, die nackt auf Badetüchern liegen, Volleyball spielen und in der Ostsee baden gehen.
Hunderttausende, ja Millionen gingen zu DDR-Zeiten wie selbstverständlich am FKK-Strand an Ostsee und Binnenseen baden und ließen baumeln, was zum baumeln da war. In den 70er und 80er Jahren wurde die Freikörperkultur zu einer richtigen Bewegung. Nackt waren alle gleich. Der Stasi-Offizier mit Speckrolle lag neben dem jungen im Alltag aufmüpfigen Monteur mit Waschbrettbauch.
 
Nicht, dass jeder in der DDR nackt baden ging, doch für viele war es einfach ein Stück Freiheit und Normalität.
Nach dem Fall der Mauer nahm auch in den Neuen Bundesländern die FKK-Bewegung deutlich ab. Zwar ziehen nach wie vor zahlreiche FKK-Anhänger nackt an den Strand, doch die Strände wurden gemischter. Gerade bei den jüngeren Leuten kommt FKK nicht immer gut an. Viele ziehen Bikini und Badeshorts dem Nacktbaden vor.

Wohin führen die Wege?
Irgendwann ist der Markt gesättigt. Man / frau hat alles gesehen. Irgendwann hat sich jeder einmal neugierig im Netz einen Pornofilm angeschaut. Nacktheit in der Werbung ist kein Erfolgsgarant mehr. Und auch in den Netzwerken und Communitys hat sich der eine oder andere eines Tages komplett entblößt. Geistig, körperlich. Ab einem Punkt geht einfach nicht mehr. Pornos werden langweilig mit der Zeit, sich jeden Tag im Netz zu präsentieren wird ermüdend und auch die Neugier erschöpft sich mit der Zeit.
Die Theorie, alles würde noch krasser und wilder werden, darf bezweifelt werden. Gut möglich, dass sich in wenigen Jahren der Mensch wieder verstärkt in sein eigenes Schneckenhäuschen zurückzieht.
 
 
In jedem Fall sollte man aufpassen, die jetzt nachwachsende Generation nicht mehr so unkontrolliert diesem Überfluss an Sex und Nacktheit auszusetzen. Im mächtigen Boom des Internets wurde dies bisher schlichtweg verpasst.
Der erste mögliche Schritt? P18-Seiten sind nun mal P18-Seiten. Der Zugang zu solchen Internetseiten sollte eben auch nur Personen ab 18 ermöglicht werden. Die Möglichkeiten der Kontrolle gibt es bereits. Viele Single-Börsen schalten nur ausweisgeprüfte User frei. So sollte es bei jeder Porno-Seite sein. Hält sich die Seite nicht an die Regeln, kommt sie auf den Index.
Wieder ein Aufschrei? Das sei Beschneidung der Grundrechte und der Freiheit? Bitte sehr, jedem Erwachsenen seine Internetseiten. Aber bitte kein World Wide Web ohne Gesetze und Grenzen für 13-jährige Kids, die sich in Kumpels Bude bei Alkopops das "krasse Pornozeug" problemlos reinziehen...

Fotos: turus.net-Archiv

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