Hellbraune Schale und saftig gelbes Fleisch - rein äußerlich sieht die neue Kartoffel aus wie jede andere. Doch in ihrem Inneren ist sie anders: Ihre Zellen produzieren reines Amylopektin, eine Stärke, die in der Papier-, Textil- und Nahrungsindustrie benötigt wird. Die neue Kartoffel, die jetzt zum ersten Mal geerntet und verarbeitet wird, haben Fraunhofer-Forscher mit Hilfe eines neuen, besonders schnellen Züchtungsverfahrens entwickelt.
Nicht zum Verzehr: Von der Hightech-Kartoffel zum Pullover
Der Herbst 2009 war für das Unternehmen Emsland Group ein besonderer Herbst: Zum ersten Mal in der Geschichte des größten deutschen Kartoffelstärke-Herstellers wurden Tilling-Kartoffeln verarbeitet, die ausschließlich die Stärke Amylopektin enthalten. Aus dieser lassen sich nicht nur Speisestärken zum Binden von Suppen und Desserts gewinnen, sondern auch Kleister und glättende Beschichtungen für die Papier- und Garnherstellung.
Tilling - die Abkürzung steht für "Targeting Induced Local Lesions In Genoms" - ist ein Züchtungsverfahren, mit dem die Forscher der Evolution auf die Sprünge helfen. In der Natur geht die Evolution langsam: Durch Mutation und Selektion verändern sich Tier- und Pflanzenarten. Im Laufe der Generationen entwickeln sich diejenigen weiter, die sich auf Grund ihrer genetischen Ausstattung am besten an die gerade herrschenden Umweltbedingungen anpassen konnten. Andere Arten sterben aus. Der Mensch nutzt den Evolutionsprozess seit Jahrtausenden für seine Zwecke, indem er besonders ertragreiche Sorten weitervermehrt. Moderne Züchtungsverfahren funktionieren im Prinzip genauso, allerdings wird die natürliche Mutationsrate beschleunigt.
In einem durch die Fachagentur "Nachwachsende Rohstoffe" geförderten Projekt haben die Forscher am IME in Zusammenarbeit mit den Firmen Bioplant und Emslandstärke den Super-Kartoffelkeim aufgespürt: 2748 Keimlinge mussten untersucht werden, bis derjenige identifiziert war, der ausschließlich die Stärkekomponente Amylopektin produziert. Aus diesem Keim gewannen die Experten die erste Generation von Super-Kartoffeln. In ihrem Erbgut sind nur die Gene aktiv, die die Bildung von Amylopektin auslösen, während die Amylose-Gene ausgeschaltet sind. Allein in Deutschland benötigt die Papier- und Klebstoffindustrie jährlich 500 000 Tonnen hochreines Amylopektin. Dazu kommen der Bedarf der Lebensmittelbranche und der Textilindustrie - letztere nutzt die Stärke, um Garne vor dem Weben zu glätten. 100 Tonnen der neuen Super-Kartoffeln wurden in diesem Herbst geerntet.
- Ernährung