Henning Franzmeier, Ägypten-Experte bei Amnesty International bringt es auf den Punkt: Im Land am Nil sei die Menschenrechtslage derzeit in einigen Fällen schlechter als zu Zeiten des Mubarak-Regimes. Altbekannte Praktiken, wie sie unter Mubarak erlebt wurden, würden vom Militär einfach fortgesetzt. So käme es in Ägypten von Seiten der Armee zu Misshandlungen, Folter und harten Verurteilungen. Im heute veröffentlichten AI-Bericht geht hervor, dass in den letzten Monaten rund 12.000 Zivilisten ein unfairer Prozess gemacht wurde. Mindestens 13 wurden zum Tode verurteilt.
Amnesty International klagt an: Folter, Gewalt und Verhaftungen in Ägypten
Die Gründe für die Verurteilungen seien mitunter eher banal. Die angeblichen Vorwürfe reichen von Missachtung der Ausgangssperre und Beleidigung der Armee über Sachbeschädigung bin hin zu rücksichtslosem Verhalten. Es dürfte klar sein, dass insbesondere der letzte Begriff extrem dehnbar ist. Kritiker des Militärrates, Demonstranten, Journalisten, Blogger oder Streikende werden verfolgt und schonungslos zum Schweigen gebracht. So wurde unter anderen der gewaltlos agierende Blogger Maikel Nabil Sanad im April dieses Jahres verhaftet und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Kritik an der Armee und die Verweigerung des Wehrdienstes genügten als Anklagepunkte.
Im Februar dieses Jahre hieß es in der Grundsatzerklärung: „Der Oberste Militärrat glaubt, dass Freiheit, Gesetze, Gleichheit, Demokratie... die Grundlage für die Regierung sein muss, das Land in die Zukunft zu führen.“ Die Realität: Verfolgung, Verhaftungen und gewaltsame Auflösung von friedlichen Demonstrationen. Zahlreiche Menschen kamen zuletzt in Kairo und anderen Städten ums Leben. Zahlreiche Ägypter haben nun genug und rufen zum Marsch der Millionen auf. Der Tahir-Platz (Platz der Befreiung) dürfte in den kommenden Tagen wieder in den Fokus der Weltöffentlichkeit rücken...
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