Kindheitserinnerungen an Weihnachten in den 70ern und 80ern

MB Updated

w 1Weihnachten 1976. Ich war drei Jahre alt und die Bilder sind noch immer frisch im Kopf. Ein kleiner roter Ikarus-Bus stand unter dem prachtvoll geschmückten Weihnachtsbaum. Ich war begeistert, doch erkannte ich nicht auf Anhieb, wo bei diesem eckigen Bus vorn und hinten war. Jener Moment hatte sich fest eingeprägt. Überraschung, Freude und Verwunderung zugleich. Strahlende Kinderaugen bei mir, lachende Gesichter bei meinen Eltern. Draußen in dem Holzhaus vor den Toren Berlins. In einer Siedlung, deren Name Programm war: Waldesruh.

w 5Gleich gegenüber auf der anderen Straßenseite lag der Wald. Später wurden dort ein paar Grundstücke für die Mitarbeiter der örtlichen LPG Heidemühle errichtet. Dann waren es bis zur Wiese und zum Wald etwa 300 Meter.
Die Erinnerungen an die folgenden Weihnachtsfeste verwischen zu einem bunten Bild. Feste Anhaltspunkte gab es wenige, denn zumeist war der Ablauf an den Festtagen im Elternhaus fest geregelt. Ja, der Ablauf war meinen Eltern wirklich heilig. Besuch bekamen wir keinen, zu Besuch gingen wir auch nicht. Drei Tage zu dritt in aller Ruhe im heimischen Holzhaus, in dem es bis Ende der 70er Jahre sogar noch ein echtes Plumpsklo gab. Rustikal, einfach, aber unglaublich gemütlich. Ganz besonders im Winter, wenn oben auf dem Dach der Schnee knartschte.

WinterSpäter in den 80er Jahren gingen meine Eltern mit mir am Heiligabend zum Krippenspiel in die Kirche in Mahlsdorf-Süd oder nach Friedrichshagen, doch in den 70ern war dies noch nicht der Fall. Stattdessen gab es einen langen, ausgedehnten Heiligabendspaziergang durch die nahen Wälder und die Straßen der Siedlung. Hier und dort sah man durch die Fenster der Einfamilienhäuser bereits die ersten Weihnachtsmänner einkehren.
Vorfreude, aber auch Ungewissheit machte sich in mir breit, als ich ein kleines Kind war. Der Weihnachtsmann sei zwar ein netter Kerl, doch wenn ich nicht lieb war im zurückliegenden Jahr, könnte es grausig werden, so meine Eltern. Das zeigte Eindruck. Zumal mein Vater als verkleideter Weihnachtsmann durchaus eine leicht gruselige Figur abgab. Dieser Weihnachtsmann mit extrem verstellter, tiefer Stimme kam niemals zu uns ins Wohnzimmer, sondern schaute nur im Dunkeln an meinem offenen Kinderzimmer vorbei. Zwischen Hecken und Büschen tauchte er auf und ließ mein Herz höher schlagen und zugleich in die Hose rutschen.

„Waaaaaarst du auch aaaaaartig, Maaaaaarco?“ Vor lauter Schreck, bekam ich meist kaum ein Wort heraus. Später im Wohnzimmer durfte ich dann mein Gedicht aufsagen. Es war auch der erste Moment, in dem ich den leuchtenden Weihnachtsbaum sehen durfte. Elektrische Kerzen, unzählige Kugeln (zum Teil aus den 50er Jahren), oben ein Stern, eine rote Glocke (die heilig war) und extrem viel goldenes und silbernes Lametta.
Unter dem Weihnachtsbaum sah es meist recht üppig aus. Beklagen konnte ich mich nicht. Einige Geschenke blieben mir im Kopf. Zum einen der besagte Ikarus-Bus, später dann ein paar Kinderski, ein Bauernhof und auch ein riesiges Set Lego-Bausteine, das uns die Westverwandten zugeschickt hatten. Meine Mutter machte sich den Spaß daraus, die Lego-Steine bereits als fertig gebautes Haus unter den Weihnachtsbaum zu stellen. Welch ein Moment. Großartig!

WinterUnd apropos Kinderski. Diese kamen sogleich zum Einsatz. Gefühlt gab es Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre nur weiße Weihnachten. Fakt ist, dass 1978/79 fast das Dach einstürzte. Schneemassen türmten sich auf, und mein Vater musste auf das Dach klettern und den Schnee runterschieben. Es war der Rekordwinter 1978/79, der besonders in der DDR für Angst und Schrecken und teilweise für echtes Chaos gesorgt hatte. Ganze Landesteile - so zum Beispiel die Insel Rügen – waren von der Außenwelt komplett abgeschnitten. In der Region Berlin war es nicht ganz so heftig, doch die Schneehöhe war besonders für ein Kind extrem beeindruckend!

w 6Und Weihnachten in den 80ern? Das war die Zeit, in der ich von 1980 bis 1990 die Polytechnische Oberschule besucht hatte. Den Erinnerungen wird Dank des Ferienhefters, den man in der Unterstufe angefertigt hatte, ein wenig auf die Sprünge geholfen. So hieß es im Dezember 1980: „Weihnachten war sehr fein. Und der Weihnachtsmann war da. Er ist sehr nett. Ich male auf, was er mir brachte.“ Und tatsächlich, eine Seite weiter ist zu sehen, was damals vor 31 Jahren unter dem Bäumchen lag: Ein blauer Jogginganzug. Ein rot-gelber Spielzeug-LKW, ein Kinderfernglas, eine Kinderkamera, wieder Lego-Bausteine, eine Landkarte von Berlin, eine Landkarte von der Märkischen Schweiz, ein Holzplatte mit aufgemalten Straßen und Eisenbahnschienen, ein Spiel, Kindergeschirr – und ganz wichtig: Eine Kinder-Fotokamera. Zum einen musste ich 1980 wirklich brav gewesen sein, zum anderen trafen meine Eltern voll meinen Geschmack. Fotokamera, Landkarten und Sportkleidung – all die Dinge könnten auch heute im Jahr 2011 auf dem Gabentisch liegen!

w 4Auch in der zweiten Klasse hatte ich aufgemalt, was ich bekommen hatte. Ohne Zeichnung wäre ich niemals mehr drauf gekommen. In Sachen Geographie wurde aufgestockt. Dieses Mal war es ein Globus. Zudem lagen unter dem Weihnachtsbaum ein Polizeihubschrauber, der ratterte und leuchtete, ein paar Socken, ein Rasur-Set für Kinder mit echtem Schaum, ein Kalender, ein paar Schuhe, ein Köfferchen und 5 DDR-Mark.
Sportlich wurde es wieder zu Weihnachten 1983. Mit dabei ein Springseil und wieder eine Trainingsjacke. Überraschend zudem: Ein ganzes Waffenarsenal. Ein Spielzeuggewehr und eine Spielzeugpistole. Nicht zu vergessen Schokoladenzigaretten, drei Bücher, zwei Puzzle und eine Fellmütze. Wenn ich diese Zeichnungen sehe, bin ich überrascht und auch im Nachhinein noch einmal dankbar.

Der Ferienhefter endete zu Beginn der vierten Klasse. Keine Zeichnungen, keine Berichte. Auf der letzten Seite des Hefters ist eine Mathematik-Aufgabe zu sehen: "Wie viel Geld behält Mutti übrig, wenn sie von 64,85 Mark für ein Paar Schuhe 41,17 Mark ausgab?" Weiter unten die Antwort: "23,68 Mark behält Mutti übrig." Die Erkenntnis: Auch in der DDR waren Qualitätsschuhe durchaus teuer. Und für einen reich gefüllten Gabentisch mussten sich die Eltern ganz schön strecken und tief in die Geldbörse greifen. Gewiss, wer damals Verwandte in der BRD und Westberlin hatte, konnte seinem Söhnchen oder Töchterchen – oder beiden – auch Lego-Bausteine schenken. Ein Muss waren diese jedoch nicht, denn die Auswahl war auch so erstaunlich reich.

Allen Lesern wünschen wir von der turus.net-Redaktion ein frohes, entspanntes Weihnachtsfest! Die nächsten Berichte wird es am 27. Dezember geben! Mit neuem Schwung und neuen Erkenntnissen! :-)

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