„Gentrification? NICHT MITTE UNS!“ Klare Botschaften. Schwarz auf rot an zahlreichen Wohnungsfenstern in der Ackerstraße im Berliner Stadtbezirk Mitte. Unübersehbare Solidarität für das Gebäude mit der Hausnummer 169, in dem sich neben dem Schokoladen auch der überaus beliebte Club der polnischen Versager befindet. Vor kurzem hieß es noch: Am 22. Februar 2012 wird geräumt. Die Berliner machten bereits mobil und wollten sich pünktlich um acht Uhr vor Ort einfinden und zahlreich gemeinsam frühstücken, so dass kein Gerichtsvollzieher der Welt auch nur einen Fuß vor den anderen setzen könnte. So weit kam es jedoch nicht. Fröhliche Kunde gab es wenige Tage zuvor.
Schokoladen und Club der polnischen Versager: Räumung oder Lösung?
Der Räumungstermin wurde ausgesetzt und erstmals nach zwei Jahren gibt es wieder ernsthafte Verhandlungen. Am Verhandlungstisch soll nun zwischen den Gesprächspartnern ein konkretes Kompensationsgeschäft ausgearbeitet werden. Aus Sicht des Schokoladens war es der breite öffentliche Druck, der die sowohl juristisch als auch politisch verfahrene Situation wieder ein Stück weit lösen konnte. Die Zielsetzung des Schokoladens e.V. ist ganz klar: Das Gebäude mit seinen Räumlichkeiten muss im jetzigen Zustand erhalten bleiben.
Nach dem Fall der Berliner Mauer war der Schokoladen eines der ersten Projekte, das der bis dato grauen und tristen Gegend der so genannten Spandauer Vorstadt wieder buntes Leben einhauchte. Schokoladen? In der Tat. In dem bereits 1881 errichteten Gebäude wurde einst bis 1971 Schokolade angerührt. Bis zum Niedergang der DDR diente der Hinterhof des Hauses zwischenzeitlich noch als Gewerbefläche der SERO (Sekundärrohstoffe).
Im Sommer 1990 wurde das halb verfallene Gebäude kurzerhand besetzt und zu einem Wohn- und Kulturprojekt erklärt. Nach selbst organisierten Sanierungsarbeiten konnte im Herbst 1990 das Kultur-Café Schokoladen eröffnet werden. Die restlichen Räumlichkeiten werden auf unterschiedliche Art und Weise genutzt. Neben dem Schokoladen befinden sich in der Ackerstraße 168/169 zudem das Orphtheater und der eingangs bereits erwähnte Club der polnischen Versager. Adam Gusowski und Piotr Mordel sind die beiden letzten Verbliebenen von denen, die einst den Club ins Leben riefen. Gilt zu hoffen, dass sie nicht als Letzte in Kürze das Licht ausmachen müssen.
Gentrifizierung in Berlin? Verdrängung der letzten alternativen Projekte aus dem Innenstadtbereich? „Dont´t forget!“, heißt es an der Fassade der Ackerstraße 169. „Tacheles“, „KVU“, „Linie 206“. Letzte Relikte aus einer Zeit, in der wir Berliner unser Berlin richtig inbrünstig geliebt haben: Die 90er Jahre. Viele – viel zu viele Clubs, Kneipen und alternative Projekte verschwanden in den vergangenen Jahren aus der Stadtlandschaft. Es wäre bitter, wenn auch die letzten Bastionen verloren gehen!!
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