Nimm 100 Euro und sieh zu. Mit dieser scheinbaren flapsigen Einstellung versucht die Bundesregierung schon in naher Zukunft (werdende) Eltern, die keinen Kita-Platz bekommen oder wie die Regierung meint keinen wollen - ruhig zu stellen. Das ersterer Fall derzeit öfters eintritt als letzterer, dieses Problem scheint an der Regierung vorbei gegangen zu sein. Wichtiger als die Abspeisung mit hundert Euro, die es ab dem 1. Januar 2013 geben soll, ist den schon seit fünf Jahren geplanten Ausbau der Kindertagesstätten stärker zu forcieren.
Herdprämie statt Ausbau: Politikposse an der Realität vorbei
Die Ist-Situation für die U3-Betreuung: Auf fünf Plätze kommen bis zu 150 Bewerbungen und das schon über ein Jahr vorher. Dabei ist schon die Bewerbung eine organisatorische Meisterleistung: Für einen Termin nur für die formale Anmeldung in der Kita sind sechs Monate Wartezeit keine Seltenheit. Eine Platzgarantie hat dabei kein Kind. Im Gegenteil die Warteliste ist lang und die Absagen lassen nach dem Bewerbungsmarathon auch nicht lange auf sich warten. Schade, dass Kinder nicht dann schon angemeldet werden können, wenn sie noch im Bauch wachsen.
Sinnlos und völlig ohne Konzept ist die Anmeldeprozedur organisiert: Fakt ist, dass Eltern ihre Kinder bei allen Einrichtungen anmelden, die in der Nähe des Wohnortes liegen. Kommt eine Zusage, ziehen die wenigsten ihre Anmeldung zurück. Ein System für das Anmeldeprozedere sollte hier helfen – immerhin befinden wir uns im „digitalen Zeitalter“, aber nicht einmal bei den zulassungsbeschränkten Studiengängen, bekommen die Verantwortlichen ein gemeinsames System an den Start.
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So ist es eher dem Zufall zu verdanken, wenn eine U3-Platz Zusage im Briefkasten landet. Im kommenden Jahr soll es laut Regierung einen Rechtsanspruch auf einen Platz geben. Unwahrscheinlich das dies in der Kürze der Zeit realisiert werden kann. Was man in den letzten 23 Jahren nicht geschafft hat, soll nun auf einmal innerhalb eines Jahres möglich werden? Dabei hätte Deutschland zur Vorzeigenation in Sachen Kinderbetreuung werden können, denn das Konzept lag praxiserprobt und kopierfähig bereit.
Ja war da nicht was 1989? Ja klar, die Deutsche Demokratische Republik (DDR) wurde mitsamt ihrem System abgewickelt und ist in den „blühenden Landschaften“ aufgegangen. In ihrer ganzen Abwickelungswut haben die Politiker aber leider vergessen, dass „nicht alles schlecht war im Osten“, darunter vor allem die Kinderbetreuung. Aber anstatt das Konzept auf Einheitsdeutschland zu übertragen oder wenigstens zu modifizieren, wurde es komplett abgeschafft. Übrig geblieben ist nur eine Beschreibung auf der Webseite der Bundesregierung.
In der DDR gab es bis 1989 das dichteste Netz von Kinderkrippen in Europa: 80 Prozent aller 0- bis 3-Jährigen hatten einen Krippenplatz. Die Krippen waren dem Gesundheitssystem zugeordnet. Anfangs arbeiteten ausschließlich Säuglingsschwestern und Krankenschwestern dort, ab 1974 gab es dann eine dreijährige Ausbildung an den medizinischen Fachschulen zur "Krippenerzieherin". Der Personalschlüssel, also die Anzahl der Kinder pro Betreuerin, war auf heute geradezu paradiesisch anmutende 1:5 beziehungsweise 1:6 festgelegt. Das heißt drei Erzieherinnen betreuten 15 bis 18 Kinder.
Das DDR-Bildungssystem fußte ganz klar auf der sozialistischen Ideologie, trotzdem wurden die Kleinsten nicht (wie man meinen könnte) durchweg mit sozialistischem Gedankengut geimpft. Im Vordergrund der Einrichtung der Krippen stand der Gedanke, den Eltern die Ausübung ihres Berufes zu ermöglichen und die Kinder in das Leben zu leiten. Dabei wurden kleine Gruppen von gut ausgebildeten und geschulten Erziehern im Wesentlichen kostenlos betreut. Es gab genügend Betreuungsplätze. Die Ausstattung der Krippen und Kindergärten war ebenfalls sehr gut. Zudem gab es eine kostenlose Gesundheitsvorsorge, die Untersuchungen und Impfungen einschloss. Die Eltern mussten sich darum nicht kümmern. Später stand dann die Erziehung des Kindes zu einer "sozialistischen Persönlichkeit" im Vordergrund.
Nach dem politischen Umbruch und die Einstampfung vieler Kinderhorts begann erst Mitte der 1990er Jahre ein Umdenken. So gibt es seit 1996 einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Drei- bis Sechsjährige und in Rückbesinnung auf die guten alten (Ost)-Zeiten kündigte die Bundesregierung vor fünf Jahren an bis 2013 die Zahl der Betreuungsplätze auf 750.000 zu verdreifachen. Bisher ist davon nichts zu sehen, aber es ist ja noch ein Jahr Zeit, ansonsten bleibt ja die "üppige Herdprämie“, die für ein paar Pakete Pampers reicht, aber bei Weitem nicht für eine Tagesmutter, wie die Politik glauben machen möchte.