Berlin ist endlich mal über seinen Schatten gesprungen. Und das ist auch gut so! Wo sich einst Brachflächen der Bahn zwischen dem Gleisdreieck und der Yorckstraße befanden, laden seit September 2011 bzw. April 2013 der 17 Hektar große Ostpark und der neun Hektar große Westpark zum Erholen, Spazieren und zu diversen sportlichen Aktivitäten ein. Und diese wirklich große Parkanlage im Herzen der Stadt an der Nahtstelle zwischen den Stadtteilen Schöneberg und Kreuzberg ist wirklich nicht altbacken, berlin-miefig oder einfach nur 0815 geworden!
Park am Berliner Gleisdreieck: Mischung aus Copacabana, Brooklyn und Place Dauphine
Durchläuft man den aufgrund der Nord-Süd-Bahn zweigeteilten Park, der am sogenannten „Flaschenhals“ direkt an der Einfahrt des Bahntunnels verknüpft ist, dürfte man positiv überrascht sein. Ganz gleich, ob es einen als Tourist an diese Stelle verschlagen hat oder ob man als waschechter Berliner (der Autor ist einer) dort seine tägliche Ration Erholung sucht. Der schräg aussehende U-Bahnhof Gleisdreieck? Die zahlreichen düsteren Bahnbrücken an der Yorckstraße, die teilweise noch den Rostschutz-Anstrich von 1941 haben? Die gesamte Gegend hatte jahrzehntelange nicht den besten Ruf. Einfach nix los, einfach zu viel Brache.
Das änderte sich nun mit der aufwändigen Gestaltung der Parkanlagen. Bereits lange Zeit lagen diverse Pläne auf dem Tisch. Erste Vorschläge existierten bereits in den 70er Jahren. Im neuen Jahrtausend wurde schließlich Geld in die Hand genommen und Nägel mit Köpfen gemacht. Zuerst im Ostpark, in dem nun am nördlichen Rand das Gelände des Deutschen Technikmuseums integriert ist, und anschließend im Westpark, vom dem aus man direkt auf die modernen Hochhäuser des Potsdamer Platzes schauen kann. Beide Parkanlagen sind wie gesagt für Radfahrer und Fußgänger an einer Stelle miteinander verbunden, doch der Charakter des Ostparks unterscheidet sich von dem des Westparks grundlegend. Auf Kreuzberger Seite gibt es mehr Baumflächen und Kinderspielplätze, auf Schöneberger Seite wirkt das Ambiente weitläufiger und großstädtischer.
Das ist prima, denn somit können Anwohner und Touristen je nach Laune und Wetterlage völlig unterschiedliche Nachmittage und Abende verbringen. Auf hölzernen Stufen sitzend kann man im Westpark mit einem Getränk in der Hand an einem milden Sommerabend auf die bunte Skyline und die Viadukte der Berliner U-Bahn schauen. Ein Hauch von New York. Die Hochtrassen der Linien 1 und 2. Die Hochhäuser in nördlicher Richtung. Einfach genial! Mehr nach Kiez schnuppert es im Ostpark. In diesem trifft man die jungen Familien mit ihren Kids auf den wirklich großartig angelegten Spielplätzen. An Pumpen können die Jüngsten das Wasser heraufbefördern und anschließend über hölzerne Rinnen fließen lassen. Babys im sandigen Matsch, vergnügte Großstadteltern im Schneidersitz auf der Wiese.
Auf den Wiesen des Ostparks rollt zudem am späten Nachmittag der Ball. Tore werden aufgebaut, teilweise werden private Turnier ausgerichtet. In Sichtweite gibt es ein kleines öffentliches Boulodrome. Ohne großes Getöse kann dort jeder die Kugel werfen bzw. legen. Ob man / frau dort französischen Cidre oder polnisches Bier trinkt, ist hier völlig egal. Auch ob die Kugeln teuer glänzen oder abgeschrammt aussehen, spielt an diesem Ort keine Rolle. Was nicht heißen soll, dass es nicht ernsthaft zur Sache geht!
Eine noch ganz andere Stimmung herrscht am Beach61, der bereits am 1. Mai 2009 eröffnet wurde und nun seit diesem Jahr Bestandteil des Westparks ist. Von Ende April bis Ende September kann dort auf den Courts ganz klassisch Beachvolleyball und auf Anfrage auch Beachsoccer, Speedminton oder Völkerball gespielt werden. Duschen und Umkleiden sind vorhanden, ein Platz kostet je nach Tag / Tageszeit zwischen zehn und 15 Euro pro Stunde. Wer nicht selber spielen möchte, kann dort einfach am Rand sitzen und genüsslich eine Bratwurst oder einen Burger essen. Sobald die Sonne hinter den Häusern verschwindet, werden die zahlreichen kleinen Flutlichter eingeschaltet. Bei der extrem warmen Witterungslage, der dortigen Musik, der Beleuchtung und nicht zuletzt aufgrund der entspannten Atmosphäre fühlt man sich dort mit etwas Phantasie an die Copacabana in Rio de Janeiro versetzt, wo ebenfalls unter Flutlicht jeden Abend der Ball geschmettert und über das Netz bugsiert wird.
Fazit: Diese insgesamt 26 Hektar große Parkanlage ist ein ungeheurer Zugewinn für die Stadt. In Kombination mit dem nahen knapp 13 Hektar großen Viktoriapark (Wasserfall, Nationaldenkmal für Befreiungskriege) und dem zu Fuß über den Tilla-Durieux-Park erreichbaren Potsdamer Platz ist nun eine hübsche Achse entstanden, die auch mit Paris, London und New York mithalten kann!
Fotos: Marco Bertram
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