Der Auftakt zum Bildungsstreik fand heute in der Universitäts- und Hanse-Stadt Greifswald statt. Alle Lehrveranstaltungen fielen aus und die Studenten riefen zur Demo auf. Der Anlass: Die aktuelle Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka, befand sich in der Stadt. Eine freundliche Begrüßung sieht jedoch anders aus, wie es eine Schmiererei an der Rubenow-Brücke erahnen lässt. Es ist unschwer zu erkennen, dass es brodelt. Es geht um einen Koalitionsvertrag der Regierung, welcher eine Summe in Höhe von 6 Millionen Euro festlegt, welche in Bildungseinrichtungen (Hochschulen, Schulen, Kindertagesstätten) fließen sollen. Genaue Angaben über die Verwendung des Geldes gibt es laut des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) nicht.
Bildungsstreik in Greifswald: „Ohne Bildung kommt die Bildung aus der Bild“
Die Lage der Universität sieht aus der Sicht des Studierenden und auch aus Sicht der Vertreterin der GEW nicht rosig aus, was aus Meinungen der Anwesenden und der Rednerin zu vernehmen war. Wie es konkret aussieht, ist natürlich eine interne Sache der Uni. Der AStA sieht starke Konsequenzen für die Uni, die insbesondere die Philosophische Fakultät betreffen würde. Es geht allgemein um einen Verlust von 77 Stellen. Auch die Vielzahl an unbefristeten Stellen wurde noch einmal aufgegriffen. Es drohen somit Instituts- und Studiengangschließungen. Einsparungen wirken sich dann im schlimmsten Fall auch auf die Bibliotheken aus. Eine gute Betreuung kann dann einfach nicht mehr gewährleistet werden, wenn über Lehraufträge die Leute noch anderweitig eingespannt sind und außerdem die Öffnungszeiten der Bibliotheken gekürzt oder gar Fachbibliotheken komplett geschlossen werden.
Es ist ein gar nicht auszudenkender und unzumutbarer Zustand im Land der Dichter und Denker, das solche Missstände gar nicht nötig hätte. Eine weitere Baustelle, im wahrsten Sinne des Wortes, sind viele marode Einrichtungen. Wie es aus vielen Mündern klang, sieht man die Ursachen in erster Linie in dem Bündnis Politik-Wirtschaft, welche andere Bereiche eher fördern würde. Wer die Verhältnisse und Interessenkonflikte kennt, wenn sich die Politik und Wirtschaft in den Sport einmischen, der weiß, dass es sehr kompliziert und feindselig ablaufen kann. Bildung-Politik-Wirtschaft ist ebenfalls eine brisante Mischung.
Es ging allerdings im Gegensatz zu Studentenprotesten im südamerikanischen oder südostasiatischen Raum heute in Greifswald sehr friedlich zu. Knapp 1.000 Studenten (später bis zu 1.500 – bei einer Studentenanzahl von 11.000 Studierenden ist das ein relativ schlechter Wert) versammelten sich vor dem Hauptgebäude der Bibliothek und liefen dann in Richtung Max-Plack-Institut, wo sich auch Frau Wanka aufhielt. Die Stimmung war ausgesprochen ausgelassen und der Marsch wurde durch Musik begleitet, was viele als kontraproduktiv ansahen, weil es im Endeffekt eher den Anschein einer Disco machte. Forderungen kamen mit wenig Verbissenheit rüber.
Nach der Rede der Vertreterin der GEW stellten sich dann einige Politiker und auch Frau Wanka selbst. Wie so oft, wurde nichts Konkretes gesagt und auch, wie sollte es vor der Europawahl am Sonntag anders sein, sich hoffnungsvoll präsentiert. Das Pfeifkonzert war aber unüberhörbar. Großen Einfluss auf die Dinge, die sich hinter den Kulissen abspielen, hat man sowieso nicht. Da stößt die Demokratie in der Regel an ihre Grenzen. Die Ansammlung löste sich friedlich auf und auch die Autos der Politiker konnten weitestgehend ungehindert abfahren.
Ob dem traditionsreichen Bereich der Uni Greifswald das Ende bevorsteht, wird sich demnächst zeigen. Zu wünschen wäre es dem einstigen Aushängeschild der Einrichtung ganz gewiss nicht!
> zur turus-Fotostrecke: Bildungsstreik in der Hansestadt Greifswald
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