In den letzten Tagen fragte ein Fußballmagazin bei mir an, das nun kleine Übersichten über Mini-Fanszenen erstellen möchte und nun Fotos braucht. Erst recht damals, als noch nicht jede Fangruppe bei Facebook vertreten war, waren Berichte über Fahrten zu bis dato unbekannten Derbys Gold wert. Erst in der Vorwoche traf ich zufälligerweise auf eine Szene, über die seit zehn Jahren nichts mehr geschrieben wurde. Dennoch haben sie überlebt und waren noch recht fidel. Gerade das Unbekannte macht doch den Reiz aus.
Derby-Hitze am Tag des Aufstands – Golina gegen Ostrowite
Es ist manchmal besser, keine Erwartungen zu hegen, so kann man das schätzen, was dann offensichtlich vorliegt. Daher wählte ich mir aus dem bunten Wielkopolska-Landespokal-Programm das Derby zwischen Golina und Ostrowite aus. Golina ist eine Kleinstadt zwischen Poznań und Łódź. Ostrowite befindet sich nur einen Katzensprung nördlich von dieser. Den kulturellen Part des Ausflugs bildete die Holzkirche (18. Jh.) am Rande des Stadtparks. Ebenso ist auch ein Besuch im Warta-Landschaftspark empfehlen, wenn man schon einmal hier ist. Doch muss man zu Polonia Golina? Bildet euch selbst ein Urteil!
Das Stadion befindet sich am Stadtrand. Möchte man zu diesem gelangen passiert man nette kleine Läden. Unter diesen war sogar ein eigenes Geschäft für den Bedarf von Bauern. Einer von diesen muss auch eine Wiese zur Verfügung gestellt haben, die jetzt als Parkplatz dient. Polonia ein Zuschauer-Magnet? Der Eintritt war, wie so oft, kostenlos, da die Gemeinde in vielen Fällen spendabel ist. Ein Blick ins „weite Rund“: Eine halbe Stunde vor Spielbeginn sah es nicht gerade nach einer Massenveranstaltung aus. Die Zahl sollte später die 100 leicht überschritten haben. Ich war froh, dass ich vor der Fahrt nicht viel recherchiert habe, so war ich vom Zustand des Stadions etwas überrascht.
Wie üblich war nur eine Seite ausgebaut. Diese teilte sich in mehrere Segmente auf. Ein Bereich war ziemlich modern. Zwei weitere annehmbar. Der letzte Teil der Tribüne war so zugewuchert, dass man dort die Grillen zirpen hören konnte! Abgesehen von aufgegeben Stadien habe ich einen solchen Zustand bei 999 Grounds in der Liste noch nie erlebt, auch wenn Polonia Jastrowie und Błękitni Stary Jarosław schon fast in diese Sphären vorgestoßen sind. Mir gefällt das Rustikale, weshalb es von mir einen „Daumen nach oben“ gibt und für die Tribüne heute ein kostenloses Fotoshooting.
Da heute der 1. August war und an diesem dem Warschauer Aufstand gedacht wird, hatte ich insgeheim auf ein Transparent oder ein paar Bengalos gehofft. Aber es ging auch so. Die Uhr schlug 17:00 Uhr, die Spieler waren bereits auf dem Platz, da standen alle auf und die Sirenen heulten. Nach einer Minute war alles schon wieder vorbei. Auf den Rängen blieb es mangels aktiver Fans ruhig, nur auf dem Platz war ordentlich Feuer drin. Das, was auf dem Grün stattfand, konnte man getrost als Derby bezeichnen. Die Zahl an Kraftausdrücken nahm stetig zu. Es war hart, aber fair. Karten wurden gezückt und auch Tore ließen die Emotionen hochkochen. 2-1 zur Pause. Die zweite Hälfte war zwar torlos, aber extrem heiß. Die Nachspielzeit dauerte fast zehn Minuten. In der letzten Sekunde rettete der Pfosten oder ein Bein die Zuschauer und Spieler vor einer Verlängerung in der brütenden Hitze. Auch ohne Aktivitäten auf den Rängen war das Spiel dann doch sehr unterhaltsam.
Fotos: Michael