Filmkritik: Das Massaker von Katyn

MB Updated
Filmkritik: Das Massaker von Katyn
altHinrichtungen. Kopfschüsse. Zwanzig Minuten lang. Planierraupen, die Massengräber - gefüllt mit Leichen erschossener polnischer Offiziere - mit Erde zuschütten. Zum Schluss des Films "Das Massaker von Katyn" stockt dem Zuschauer der Atem. Bei kaum einen anderen Film wurde solch ein Szenario dermaßen authentisch dargestellt. Der polnische Film, bei dem Andrzej Wajda das Drehbuch geschrieben und Regie geführt hatte, wurde 2008 für den Oscar (Bester fremdsprachiger Film) nominiert - und das wohl zu recht. Dieser Film sorgte für Schlagzeilen und widmete sich einem äußerst brisanten Thema - der Ermordung von mehreren tausend polnischen Offizieren und Zivilisten durch Einsatzkräfte des sowjetischen NKWD im Frühjahr 1940. Jahrzehntelang wurde dieses Verbrechen der deutschen Wehrmacht angelastet.

Der Hintergrund:
1943 entdeckte die deutsche Wehrmacht die Massengräber, in denen tausende polnische Offiziere und Zivilisten verscharrt wurden. Dies führte zu einem tiefen Bruch zwischen der polnischen Exilregierung und der sowjetischen Führung. Stalin machte jedoch die deutsche Wehrmacht für dieses Massaker verantwortlich. Erst 1990 erklärte Michail Gorbatschow, dass die Sowjetunion für den Massenmord in Katyn verantwortlich war.
Nachdem im Herbst 1939 die östlichen Gebiete Polens von sowjetischen Truppen besetzt wurden, gerieten rund 15.000 Offiziere und Soldaten der polnischen Armee in sowjetische Gefangenschaft. Am 5. März 1940 gab das Politbüro der KPdSU den Befehl, "Nationalisten und konterrevolutionäre Aktivisten" zu exekutieren. Im Frühjahr 1940 ermordete der sowjetische NKWD in Katyn etwa 10.000 polnische Gefangene.
Ende Juli 2006 wurde im Wald von Bykowina (in der heutigen Ukraine) ein weiteres Massengrab des NKWD entdeckt.
Der Vater des polnischen Filmregisseurs Andrzej Wajda wurde als Häftling des Lagers Starobielsk in Charkow hingerichtet. Aus persönlicher Überzeugung drehte Andrzej Wajda den Film über das Massaker von Katyn - ein Thema, über das man bis 1990 in der Volksrepublik Polen öffentlich nicht reden durfte.

Der Film:
Am 17. September 2007 wurde der Film "Das Massaker von Katyn" (Originaltitel "Katyn") das erste Mal der polnischen Öffentlichkeit vorgestellt. Im Februar 2008 wurde der Film dann auf der Berlinale präsentiert. Seit dem 19. September 2009 ist er nun auch in den deutschen Kinos zu sehen.
Der Film basiert auf dem Buch "Post mortem – The Katyn Story" von Andrzej Mularczyk. Das Drehbuch für den Film schrieb Oscar-Preisträger Andrzej Wajda, der auch Regie geführt hatte.
Der Film beginnt mit der Handlung im September 1939. Polnische Flüchtlinge treffen auf einer Brücke aufeinander. Im Westen rücken die deutschen Truppen heran, im Osten marschieren die sowjetischen Truppen vor. Polen ist Kriegsschauplatz. Polen ist geteilt. 14.000 polnische Offiziere kommen in sowjetische Gefangenschaft. Hauptfigur Andrzej (gespielt von Artur Zmijewski) ist unter den Gefangenen. Seine Frau Anna (gespielt von Maja Ostaszewska) gelingt es, mit Kind Nika nach Krakau zu fliehen. Dort werden sämtliche Professoren von den Nationalsozialisten verhaftet und in Konzentrationslager gebracht. Andrzejs Vater, der ebenfalls Professor ist, stirbt im KZ Sachsenhausen.
1943 informieren die deutschen Besatzer die polnische Bevölkerung über das Massaker in Katyn. Listen mit den Opfern werden veröffentlicht. Durch einen Irrtum taucht Annas Mann Andrzej nicht auf diesen Katyn-Listen auf. Die Hoffnung bleibt, dass er vielleicht doch noch lebt. Später wird Anna von einem anderen Offizier über Andrzejs Tod benachrichtigt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verbreiten die Sowjets und auch die polnischen Kommunisten die Nachricht, die deutschen Truppen hätten die polnischen Offiziere erschossen und verscharrt. Wer zu dieser Zeit in Polen das Gegenteil behauptet, wird festgenommen und gerät in große Schwierigkeiten.
Anna erhält kurz nach dem Krieg ein Tagebuch ihres Mannes, in dem er alle Einzelheiten bis unmittelbar kurz vor der Hinrichtung durch die Sowjets notiert hatte.
Erst zum Schluss des Filmes wird die Hinrichtung der polnischen Offiziere gezeigt. Jeder erhält einzeln eine Kugel in den Kopf. Entweder in einem düsteren Raum oder auf einer freien Wiese. Die letzten Bilder des Filmes zeigen schließlich das Zuschütten der Massengräber durch Planierraupen...

Die turus-Meinung:
Selten schockiert und bedrückt ein Ende eines Filmes so sehr wie dieses. Noch nie wurde ein Massaker so authentisch rübergebracht wie das von Katyn. Der gesamte Film ist ein wirklich gutes Werk. Trotzdem - richtig einbrennen tun sich nur die letzten Minuten! Schockiert und betroffen muss man auch an andere Greueltaten der Menschheit denken. So zum Beispiel an das Kriegsverbrechen in Srebrenica / Bosnien und Herzegowina, bei dem im Juli 1995 bis zu 8.000 Bosniaken von der Armee der Republika Srpska, der Polizei und serbischen Paramilitärs getötet wurden. Auch hier sollten die Taten verschleiert werden.
Der Film "Das Massaker von Katyn" ist überaus sehenswert und wirklich anders als so manch ein Hollywood-Film!
Einzig allein stört vielleicht, dass alles doch einen Hauch von persönlicher Abrechnung hat...

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