Balkanabenteuer: Eine Zugreise quer durch Albanien

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K Updated 02 August 2017
Balkanabenteuer: Eine Zugreise quer durch Albanien

AlbanienBalkanabenteuer pur: Für die Hauptstadt eines Landes ist der Bahnhof von Tirana unerwartet klein. Oben an der Straße befindet sich der Schalter mit dem Fahrplan. Das kleine Gebäude besticht nicht gerade durch seine Ästhetik. Und – wie man rasch feststellt – verkehren nicht gerade viele Züge in Albanien. Die Bahnfahrt nach Pogradec kostet praktisch nichts, es gibt nur Billette für die einfache Fahrt. Danach geht es durch den alten Wartsaal hinunter zu den Gleisen. Der ziemlich hässliche, heruntergekommene Bahnhof von Tirana besteht eigentlich nur aus zwei Gleisen mit einem Mittelperron und viel Wiese und erinnert mehr an einen Bahnhof eines abgelegenen Nestes, wo alle Schaltjahre mal ein Zug eintrifft.

Die albanische Bahn verkehrt vorwiegend mit ausrangierten Regionalzugwagen der Deutschen Bahn. Allerdings fahren auch alte Italiener und die ganz alten albanischen Wagen. Sie alle haben gemeinsam, dass sie aus dem letzten Loch pfeifen. Eingeschlagene Scheiben, kaputte Türen, zerschlissene Sitze. Gezogen werden die wenigen Züge von Diesellokomotiven.

AlbanienDer Wagen wird geputzt, der Kontrolleur ist auch da. Pünktlich tutet das Horn und der Zug rumpelt los. Auf dem Weg nach Durres geht es stets geradeaus, immer schön langsam, zwei oder drei Mal hält er noch an alten Bahnhöfen, die nicht gerade durch ihre architektonische Schönheit auffallen, sondern viel mehr an Bunker erinnern. Überall sieht man noch Spuren von Gleisen, die nicht mehr existieren. Jeder Bahnhof hier scheint früher riesige Gleisanlagen gehabt zu haben. Teilweise stehen die Verankerungen der Verladekräne noch, die sich über die Gleise hinwegbewegt haben müssen.

Güterverkehr scheint es in Albanien sowieso nicht mehr zu geben. Das Land befindet sich im Aufbruch, überall wird gebaut, die Straßen sind in einem Top-Zustand – in die Bahn scheint man aber nichts mehr investieren zu wollen. Ich finde die Fahrt sehr gemütlich und äußerst angenehm, aber man braucht Zeit, denn sie benötigt mindestens doppelt solange nach Pogradec wie der Bus.
Eine Minibar gibt es an Bord, sie passiert mich im Minutentakt, denn der Zug ist kurz und viele Passagiere sind nicht an Bord. Einmal setzt der Mann sich zu mir, will wissen woher ich komme. Viel mehr können wir uns nicht sagen. Ich kann kein albanisch und er kein englisch. Die Albaner sind keineswegs aufdringlich oder lästig. Sie sind sehr freundlich und hilfsbereit, noch nicht verdorben vom Tourismus und entsprechen nicht dem Klischee, das man über Albaner hat. Ich hatte mir Albanien ganz anders vorgestellt und bin angenehm überrascht. Wer in Europa noch Abenteuer erleben will, der muss nach Albanien.

DurresÜberall sehe ich ausrangierte Wagen, vom Rost bis auf die Knochen abgenagt, zerfallene Diesel- und Dampflokomotiven. Je mehr wir uns der Hafenstadt Durres nähern, desto mehr von diesen Skeletten stehen herum. Durres ist eigentlich das Zentrum der Eisenbahn. Der Bahnhof sieht noch richtig nach einem Bahnhof aus, auch wenn nach einem kleinen. Gleich neben dem Bahnhof sehe ich die ersten „Pilze“. Einmannbunkeranlagen, die das ganze Land überziehen.

Die wenigen Mitreisenden im Zug wirken vergnügt. Der Zug schleicht sich nun langsam in die Höhe. Immer wieder passieren wir verfallene Bahnhöfe, die früher enorme Gleisanlagen gehabt haben müssen und deren Alter man gut erahnen kann. Eingeschlagene Scheiben, eingerissene Mauern, prägen das Bild dieser Bahnhöfe, während die Orte aber keineswegs einen schlechten Eindruck machen. Im Gegenteil. Meist haben sie viele Cafés, der italienische Lifestyle ist unübersehbar. Nette Flaniermeilen. Vom Zerfall ist nichts zu sehen.

AlbanienDie Städte Tirana, Durres, Elbasan oder Pogradec sind zwar nicht unbedingt Schönheiten, dafür aber wesentlich moderner, als ich sie erwartet habe. Elbasan ist denn auch der erste große Ort, in dem wir halten. Vier Stunden ist der Zug, oder besser gesagt das Züglein nun schon unterwegs. Und gleich nach dem Bahnhof kommt der Zug wieder abrupt zum stehen. Ein Auto zwängte sich auf dem Bahnübergang noch vor dem Zug durch, kann aber nicht weiter, denn gleich darauf folgte eine belebte Kreuzung. In Albanien ist mir nur eine einzige elektrische Bahnschranke aufgefallen. Denn hier ist noch rustikale Eisenbahn angesagt. Überall gibt es diese Wärterhäuschen, die Stellwerke befinden sich wie bei uns früher in einem Gebäude bei der Ausfahrt und dort steht dann jeweils der Bähnler und winkt mit einer Flagge. Diese Bahnschranke hier hat auch keine Kurbel, der Bahnwärter legt eine Stange quer über die Straße, die mit einer kürzeren Stange versehen ist. Sie kippt herunter und die Barriere wird nun durch diese kürzere Stange gestützt. Sie ist aber zu kurz und er hat nur eine, auf der anderen Seite steht er persönlich und stoppt den Verkehr.
Offenbar kratzte das den Fahrer des teuren Mercedes nicht und nun wird gestritten und es dauert eine Weile, bis er das Gleis freigibt. Die Passagiere scheinen diese Abwechslung zu mögen. Man reckt und streckt die Hälse aus dem Fenster, diskutiert und ruft irgendwas. Ich verstehe nichts. Der Junge von der Minibar kommt noch kurz vorbei und erklärt mir das Problem mit Händen und Füßen.

AlbanienNach Elbasan ist der Zug praktisch leer, nun beginnt der spektakulärste Abschnitt. Der Zug schlängelt sich durch die hügelige Landschaft, man genießt fantastische Ausblicke. Mitten im Niemandsland kommt der nächste Halt. Ein Dorf ist nicht zu sehen, aber ein winziger Bahnhof mit dem klassischen hässlichen Betonbahnhofgebäude. Aus unerfindlichen Gründen dauert es rund 40 Minuten, bis der Zug seine Fahrt fortsetzt. Auch auf diesem Streckenabschnitt ist noch zu erkennen, dass die Bahnhöfe einst große Gleisanlagen hatten.

Seit Durres sind wir keinem Zug mehr begegnet. Weder Personen- noch Güterzug. Schließlich erreichen wir den Ohridsee. Der Zug fährt nun eine ganze Zeitlang am See entlang. Überall sind Bunker sichtbar. Am Ufer, mitten in den Weizenfeldern, überall. Man fragt sich, welchen Sinn diese Anordnung denn ergeben sollte. Eine strategische Planung erkenne ich nicht. In der Ferne ist Pogradec sichtbar. Allerdings fährt der Zug nicht in die Stadt hinein, sondern endet ein paar Kilometer vorher in irgendeinem ehemaligen Industriekomplex, ebenfalls mit diesen hässlichen Bahnhofsgebäuden, bestehend aus einem Betonquader. Mit rund 45 Minuten Verspätung endet die Reise. Gut gelaunt und ausgeruht laufe ich nun Richtung Pogradec. In der Tat: Die Bahnreise quer durch das Land war interessanter und spannender als man sich zuvor ausgemalt hatte.

Fotos: Kalleman (Außenstelle Zürich, Schweiz)

> zur turus-Fotostrecke: Impressionen aus Albanien

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5.0
ein schöner Beitrag. Vielen Dank. Vo rallem für jemanden wie mich der auf langen Reisen unterwegs ist. Ich war vor ein paar Jahren in Albanien. Und ich bin mit dem Zug gefahren und von dort auf unbefestigten Wegen weiter in die abgelegenen Dörfer zu Fuß. Und ja, es ist wunderschön und es gibt viele sehr freundliche Menschen dort. Es ist aber eine raue Landschaft. Also für jeden Tourristen ist es ein MUSS! Kann dazu noch diesen Artikel empfehlen: http://www.derneuemann.net/was-bei-zugreise-beachten/4099
Nette Grüße
F
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