Kroatien vs. Serbien: Brisantes Duell bringt gesamten Balkan in Wallung

MB Updated

HrvatskaDie Fußballwelt wird am Freitagabend auf die kroatische Hauptstadt Zagreb schauen. Der Grund: Im Stadion Maksimir, in dem der Serienmeister Dinamo Zagreb beheimatet ist, kommt es im Rahmen der WM-Qualifikation zum überaus brisanten und emotionalen Duell Kroatien gegen Serbien. Genau in jenem Stadion, wo es im Mai 1990 beim Spiel Dinamo Zagreb gegen Roter Stern Belgrad zu schweren Ausschreitungen kam. Sicher war dieses Spiel nicht der Grund für den folgenden Krieg, doch angeheizt hatte es zahlreiche junge Serben und Kroaten in jedem Fall. Nicht wenige zogen direkt von der Fankurve in den Kampf um Vukovar und die Krajina.

MaksimirZu einem weiteren Duell mit eine Belgrader Mannschaft kam es nach dem Krieg in der Champions League Qualifikation 1997, als Dinamo Zagreb (zu jener Zeit unter dem Namen Croatia Zagreb) gegen Partizan Belgrad spielen musste. Partizan hatte Anstoß und die Zagreber Spieler stürmten sogleich wie die Furien in Richtung der beiden am Mittelpunkt stehenden Serben. Als Silvio Maric nach nur 13 Minuten das 1:0 klarmachen konnte, stand das Stadion Maksimir Kopf. Die Zuschauer waren völlig aus dem Häuschen, Freude und Erleichterung kannten keine Grenzen. Nur zwei Minuten später hämmerte Igor Cvitanovic mit dem Kopf den Ball zum 2:0 in die Maschen. Als der Australier Mark Viduka in der 24. Minute das 3:0 klarmachen konnte, gab es kein Halten mehr. Es wurde ein kroatischer Feiertag. Partizan verschoss einen Elfmeter, Maric und Cvitanovic erhöhten auf 5:0. Um dem Ganzen nun das Krönchen aufzusetzen: Eine Woche zuvor hatte Partizan das Hinspiel in Belgrad mit 1:0 für sich entscheiden können. Dragan Isailovic hatte in der 84. Minute den Treffer des Tages erzielt. Serbische Fans hatten in der Hauptstadt bis tief in die Nacht mit Bengalos in den Händen gefeiert, nur eine Woche später waren es die Kroaten, die Freudentränen in den Augen hatten.

BelgradKroatisch-serbische Pflichtspiele auf Vereinsebene blieben ab Mitte der 90er Jahre Mangelware. In der CL-Qualifikation 1999/2000 kreuzten Partizan Belgrad und NK Rijeka die Klingen. Partizan konnte die Angelegenheit ganz klar mit 3:1 daheim und 3:0 auswärts für sich entscheiden. Zwei alte Bekannte konnten jeweils zwei Tore beisteuern. Zum einen Mateja Kezman, zum anderen Mladen Krstajic (später eine längere Zeit beim SV Werder Bremen unter Vertrag). 

SrbijaHrvatska vs. Srbija: Als Nationalmannschaften sind sich Kroatien und Serbien indes noch nicht auf dem grünen Rasen begegnet. Allerdings hatte es die kroatische Nationalmannschaft in der Gruppe 8 der EM-Qualifikation 1999/2000 mit Rest-Jugoslawien (später Serbien & Montenegro) zu tun. Am 18. August 1999 trennten sich Rest-Jugoslawien und Kroatien 0:0, am letzten Spieltag der Qualifikation kam es im Stadion Maksimir zum Rückspiel. Alles war noch offen, Rest-Jugoslawien, Irland und Kroatien kämpften um den ersten Platz. Das irische Team kam in Mazedonien nicht über eine 1:1 hinaus, die Kroaten konnten demzufolge mit einem eigenen Sieg den Platz an der Sonne erklimmen. Großalarm in Zagreb. In der Altstadt wurde sich vor dem Spiel mächtig warmgesungen. Einige Lieder von damals werden auch in der Gegenwart noch zum Besten gegeben. 

MaksimirBlickte man kurz vor Anpfiff in die Gesichter der Fans und Spieler, wusste man, was dieses Spiel zu bedeuten hatte. Manch einer atmete tief durch, andere hatten sichtbar einen fetten Kloß im Hals. Und der Abend des 09. Oktober 1999 hatte sämtliche emotionalen Facetten parat. Als Alen Boksic in der 20. Minute Kroatien mit einem flachen Schuss in Führung brachte, lagen sich die Fans auf den Rängen in den Armen. Beim Public Viewing in der Zagreber Innenstadt brannten lichterloh die Bengalos. Erste Ernüchterung nur fünf Minuten später. Predrag Mijatovic machte mit dem Kopf das 1:1 für die Jugoslawen klar. Ganz betreten wurden die Gesichter, als Dejan Stankovic mit dem Hinterkopf allein vor Drazen Ladic nach gut einer halben Stunde das 2:1 für die Gäste erzielen konnte. Was für ein Tor! Der Ball rutschte unter dem kroatischen Keeper und kullerte hinter die Linie! In der 41. Minute dann ein Zweikampf zwischen Robert Jarni und Zoran Mirkovic. Letzter ging zu Boden, Jarni ruderte mit den Armen und fragte, was denn los sei. Daraufhin griff der erboste Mirkovic dem Kroaten kurzerhand ins Gemächt – oder auf gut Deutsch gesagt mächtig in die Eier. Die Rote Karte war die logische Konsequenz. 

Es blieb ruppig. Kroatien witterte Morgenluft, das jugoslawische Team ging hart zu Werke. Da wurde der Gegenspieler schon mal über die Werbebande gestoßen. Hoffnung dann in der 47. Minute, nach feiner Hereingabe von links köpfte Mario Stanic zum 2:2. Ein drittes Tor sollte den Kroaten allerdings nicht mehr gelingen, das Remis genügte der rest-jugoslawischen Auswahl für Platz eins in Gruppe 8 und somit zur direkten Qualifikation zur Europameisterschaft 2000 in Belgien und der Niederlande. Groß war die Enttäuschung bei den Kroaten, doch die meisten Spieler und Zuschauer nahmen die gefühlte Niederlage mit Anstand und Größe. Die befürchteten Ausschreitungen waren weitgehend ausgeblieben.

HrvatskaDies erhofft man sich nun auch für den 22. März 2013. Egal, was auch immer auf dem Rasen des Maksimir passieren möge, Politiker, Verband und Millionen Landsleute hoffen, dass es friedlich bleiben wird. Dass bei der Konstellation Kroatien gegen Serbien auch 18 Jahre nach den Kriegen in Kroatien sowie Bosnien und Herzegowina noch mächtig Pfeffer drin ist, kann jeder bestätigen, der einmal kroatische Fans bei einem Länderspiel begleitet hat. Auf den ersten Blick erscheint der reisefreudige Mob mit den Schachbrettmuster-Trikots überaus fröhlich, ja geradezu witzig. Allerdings schwingt bei dem einen oder anderen ein strammer politischer Unterton mit. So stand auf dem alten Markt von Poznan bei der Euro 2012 bei etlichen Fans vor allem ein Mann im Vordergrund: General Ante Gotovina. Für die einen ein Kriegsheld, für die anderen ein Kriegsverbrecher. Melancholischer Gesang, etwas Pyro und ein Transparent vor dem Spiel gegen Italien im Juni 2012.

MostarEine andere Sache wurde dem neutralen Beobachter auf dem Stary Rynek von Poznan auch wieder vor Augen geführt. Nicht wenige Anhänger der kroatischen Nationalmannschaft leben in Bosnien und Herzegowina. In der polnischen EM-Metropole bildeten die Ultras aus Mostar eine eigene Gruppe und stimmten bei Rauch und Blinkern ihre ganz persönlichen Lieder an. Klare Sache, wenn es im Rahmen der beiden Begegnungen in Zagreb und Belgrad irgendwo wirklich brenzlig werden wird, dann an den Nahtstellen im Vielvölkerstaat Bosnien und Herzegowina, wo Serben, Kroaten und Bosniaken teils direkt nebeneinander leben. Die Medienwelt wird am Freitagabend mit Argusaugen auf Zagreb und später dann auf Belgrad schauen, doch nicht dort droht echter Ungemach, sondern in all den Regionen des Landes, welches zwischen Kroatien und Serbien liegt. Während bei den beiden Qualifikationsspielen jeweils keine Gästefans zugelassen sind und die UEFA vor allen Dingen auf rassistische bzw. nationalistische Gesänge achten wird, leben in zahlreichen Städten und Regionen Bosnien und Herzegowinas serbische und kroatische Bosnier teils Haus an Haus. Die Gemeinde Brcko im Norden des Landes sei hier nur als Beispiel genannt. 

KroatienOhne Zweifel. Das Duell Kroatien gegen Serbien wird den gesamten Balkan an den oberen Rand der akzeptablen Betriebstemperatur bringen. Die Freilassung von Ante Gotovina am 16. November 2012 und die drauffolgenden Feierlichkeiten auf den Straßen der kroatischen Großstädte ließ fleißig Öl ins Feuer gießen. Der militärische Gruß des Bayern-Spielers Mario Mandzukic trug auch nicht gerade dazu bei, dass es nun ein gemütliches Stelldichein bei Speis und Trank und Rasenkick wird. Zu einem gemeinsamen Cevapcici-Essen wird es im Vorfeld der Partie nun wohl kaum kommen. Sei, wie es sei. Man darf überaus gespannt sein, wer nach den 90 plus X Minuten mit reichlich Slijvovica anstoßen darf...

> zur turus-Fotostrecke: Kroatische Fans bei der Euro 2012

> zur turus-Fotostrecke: Impressionen aus Kroatien

> zur turus-Fotostrecke: Impressionen aus Serbien

 

turus.net-Video: Kroatische Fans bei der Euro 2012

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