Rot-Weiss Essen: RWE geht als Spitzenreiter ins Saisonfinale der spannenden Regionalliga West

Rot-Weiss Essen: RWE geht als Spitzenreiter ins Saisonfinale der spannenden Regionalliga West

So tief in die Niederungen des deutschen Fußballs wagt sich die ARD-Bundesligakonferenz an einem Samstagnachmittag im Radio fast nie. Aber am 7. Mai 2022 um kurz vor 17 Uhr zwischen dem Wettstreit um die Europapokalplätze für die Bundesligisten und Abstiegssorgen von Liga eins bis drei fand WDR 2 Moderator Sven Pistor auch noch Zeit, um seine Hörer über das hochspannende Saisonfinale in der Regionalliga West zu informieren. Richtig! Denn wer braucht schon die Bundesliga in der der Titelkampf seit neun Jahren mit einem Dauersieger zur fußballerischen Tristesse verkommen ist, wenn es da eine Liga gibt, die von Spieltag eins an mehr Spannung mit teilweise nicht zu erwartenden Wendungen bot und bietet als ein Jahrzehnt erste Liga.



War es zwischenzeitlich ein flotter Fünfkampf um den Aufstieg aus der Regionalliga West in die dritte Liga mit Rot-Weiss Essen, Preußen Münster, Wuppertaler SV, Rot-Weiß Oberhausen und Fortuna Köln, lief es ab April auf RWE und den SCP hinaus, die sich leicht von den drei anderen absetzen konnten. Zwischenzeitlich hatte vor allem Rot-Weiss Essen alle sportlichen Trümpfe auf seiner Seite, konnte sie aber nicht gewinnbringend ausspielen. Beispielsweise lag man Anfang März zwar zwei Punkte hinter Münster (die dem SCP vom Verband zugesprochenen Punkte aufgrund des abgebrochenen Spiels gegen RWE eingerechnet), hatte aber noch drei Nachholspiele in der Hinterhand. Eigentlich eine vielversprechende Ausgangssituation. Das man aus diesen Spielen (in Oberhausen, in Ahlen und bei Fortuna Köln) am Ende nur zwei Punkte holte, obwohl viel mehr drin war, war für die RWE-Fans mehr als frustrierend.



Am ersten April Wochenende stand Rot-Weiss Essen dann gleichauf mit Münster, um sie nur einen Spieltag später nach einem unglücklichen Unentschieden in Aachen wieder um zwei Punkte enteilen zu lassen. Aber auch Münster war nicht frei von Fehlern und ließ Mitte April Punkte in Lippstadt liegen. Besser machte es Essen am gleichen Tag aber auch nicht und spielte nur Unentschieden gegen die zweite Mannschaft von Borussia Mönchengladbach. Ging den beiden Titelanwärtern die Luft aus? Nicht unbedingt, denn die folgenden zwei Spieltage zogen die beiden Kontrahenten ohne Mühe durch bis zum aktuellen 37. Spieltag, der es in sich hatte vor allem auch in den Tagen davor.

Während Münster sich ausruhen konnte, musste Rot-Weiss Essen im Niederrheinpokal Halbfinale beim Wuppertaler SV ran. Es ging um viel: Ums Prestige und auch um den Einzug in die erste Runde des DFB Pokals bei einem Finalsieg und damit um nicht wenig Geld. Aber RWE spielte an diesem Abend des 3. Mai im Stadion am Zoo nicht so wie man es Monate zuvor gesehen hatte. Die Spielweise ähnelte der der Niederlage in Ahlen oder des Unentschiedens gegen die zweite Mannschaft von Borussia Mönchengladbach ein paar Wochen zuvor. Es fehlte etwas, der letzte Biss das Spiel gewinnen zu wollen. Nach der verdienten Niederlage ging ein Ruck durch den Verein. Bei den Fans wurde in Foren und den sozialen Netzwerken heiß über irgendwelche nicht verifizierten Gerüchte, die irgendwelche Leute irgendwo gepostet haben, über Spieler und den Klub wild und übereifrig diskutiert. Aber während das Netz heiß lief und überkochte, behielt der Verein bzw. die Klubverantwortlichen einen kühlen Kopf und machten das einzig Richtige: Sie beteiligten sich nicht an irgendwelchen Diskussionen, sondern machte ihre Arbeit und bewahrten Ruhe.

Der Verein blieb nicht untätig und wollte zwei Spieltage vor Schluss noch einmal ein sportliches Zeichen setzen. So wurde zwei Tage nach dem Ausscheiden im Pokal und zwei Tage vor dem wichtigen Auswärtsspiel gegen den SV Rödinghausen im Stadion am Lotter Kreuz Erfolgstrainer (seit Juli 2020 insgesamt 62 Siege in 89 Spielen) Christian Neidhart von seinem Amt als Cheftrainer freigestellt. Der neue Plan: Für die beiden letzten Saisonspiele sollten interimsweise Sportdirektor Jörn Nowak als Teamchef und der erfolgreiche U19-Trainer Vincent Wagner als zusätzlicher Co-Trainer an der Seitenlinie fungieren. Ein Paukenschlag kurz vor Saisonende der viele Fans überraschte und sicherlich auch großes Erstaunen und Grübeln beim Kontrahenten aus Münster auslöste.



Ein neuer Trainer kann manchmal was bewegen, manchmal aber auch nicht. Aber anders als bei anderen Klubs wurde kein (externer) Übungsleiter eingesetzt, der den Verein die Struktur und die vielzitierte „Wucht“ von Rot-Weiss Essen nicht kennt, sondern die Klubführung hat eine naheliegende, schnelle und intelligente Lösung gefunden, um das Team noch einmal anders anzusprechen und den letzten Biss und Willen herauszukitzeln: Jörn Nowak spielte selbst jahrelang für verschiedene Vereine in dritter Liga und der Regionalliga als Verteidiger und agiert seit 2019 erfolgreich als Sportdirektor bei RWE. Vincent Wagner, aktuell Trainer der U19 von Rot-Weiss Essen, hielt in seiner aktiven Zeit als Spieler viele Jahre für RWE (ebenfalls als Verteidiger) die Knochen hin.

Der interne Anreiz für die Mannschaft war gesetzt und am gestrigen Samstag dann in Teilen auch sichtbar. An der sportlichen Ausgangslage änderte das erst einmal nichts. Preußen Münster hatte 83 Punkte und damit zwei Punkte mehr als Rot-Weiss Essen (81 Punkte) auf der Habenseite. Ein enormer Wert von beiden, wenn man in die anderen Ligen so schaut. Während die Preußen schon am Freitag beim SC Wiedenbrück ihr vorletztes Punktspiel bestreiten mussten, war RWE erst am gestrigen Samstag in Lotte gefragt. Das Spiel wurde schon vor Wochen aufgrund von Sicherheitsbedenken und Kapazitätsgründen von Rödinghausen (Häcker Wiehenstadion) ins Stadion der Sportfreunde Lotte am Lotter Kreuz verlegt. Gut 1.500 Essener Fans hatten sich vor dem Spieltag mit Auswärtskarten eingedeckt. Das es dann nochmal fast 1.000 mehr wurden lag sicherlich auch an der engagierten Leistung des SC Wiedenbrück am Vortag.

Es ist allgemein bekannt in der Regionalliga West, dass der SC Wiedenbrück immer ein unangenehm zu bespielender Gegner ist, insbesondere mit seinem Schlussmann Marcel Hölscher, der an besonderen Tagen Spiele auch alleine entscheiden kann. Rot-Weiss Essen weiß davon ein Lied zu singen. In der Hinrunde gab es gegen den SCW nur ein 0:0 und in der Rückrunde gewann RWE nur knapp mit 1:0. Anders herum lief es für Preußen Münster. Das Hinspiel im November vergangenen Jahres gewann der SCP knapp mit 1:0 und das Rückspiel im Wiedenbrücker Jahnstadion am 6. Mai 2022 endete 0:0. Schock bei den Adlerträgern, große Vorfreude bei den RWE-Fans. Mit einem Sieg könnte man direkt wieder mit Münster in Punkten gleichziehen. Entsprechend machte sich eine große Autokarawane mit wehenden rot-weissen Schals aus den Fenstern in Richtung Autobahnkreuz Lotte/Osnabrück.



Der ganze Ort wurde in Beschlag genommen und mit Rot-Weiss Essen Fans geflutet: Von „Heidis Bratpfanne“ bis zu den zum Parkplatz umfunktionierten Acker am Kornweg. Man kennt sich aus in Lotte, war man ja schon vor zwei Wochen hier und konnte einen 3:0 Auswärtssieg bei den Sportfreunden feiern. Während damals neben dem kleinen Sitzplatzbereich hinter dem Tor nur ein Block auf der Gegengerade für die Fans geöffnet wurde, durfte man nun den größeren Stehblock hinter dem anderen Tor in Beschlag nehmen. Die wenigen Anhänger des SV Rödinghausen unter den insgesamt 2.532 Zuschauern fanden auf der Haupttribüne Platz.





Eine großartige Atmosphäre mit vielen Gänsehautmomenten. Im Sitzplatzbereich wurde ein großes Banner mit dem Wortlaut "Allez Rot-Weiss" und auf der Stehplatztribüne eines mit "Gemeinsam zum Ziel" präsentiert. Die RWE Fans machten aus dem kleinen Stadion einen Hexenkessel und die Mannschaft spielte mit. Wie gewohnt präsentierte sich der SV Rödinghausen als starker und unangenehm zu bespielender Gegner. Eines war klar: Einfach abschenken wollte die Mannschaft von Carsten Rump das Spiel nicht. Platz sechs der Tabelle (vor dem Spiel) und 61 Punkte auf der Habenseite bestätigen auch die Qualität des Teams aus Ostwestfalen. Druckvoll hielten sie dagegen, während Rot-Weiss Essen konzentriert zu Werke ging. Der Wunsch der Fans nach einem frühen Tor, wurde dann auch erhört vom Spieler des Tages (neben Jakob Golz und weiteren) Oguzhan Kefkir: Nach einer Ecke von Thomas Eisfeld und einem Durcheinander im Strafraum des SVR, stand Kefkir an der richtigen Stelle und schoss den Ball in die Maschen. Was ein Jubel der bestimmt vom Lotter Kornweg bis ins niedersächsische Osnabrück schallte, wo RWE nächste Saison gerne spielen möchte.





Mit dem Tor stand Rot-Weiss Essen nun an der Tabellenspitze: Gleiche Punktzahl und Tordifferenz, aber mehr geschossenen Tore. Das Stadion am Lotter Kreuz wurde zum rot-weissen Tollhaus, einmal mehr als RWE-Goalgetter Simon Engelmann eine Viertelstunde nach der Führung nach einer Ecke von Kefkir mit dem Kopf das 2:0 erzielte. Schon zuvor scheiterte Sandro Plechaty knapp. Mit der verdienten Führung ging es in die Pause und Essen wollte mehr. Da war der in manchen Spielen zuletzt vermisste Biss und Willen. Rödinghausen spielte zwar mit, aber RWE ließ so gut wie nichts zu. Eine Flanke von Thomas Eisfeld erreicht Felix Bastian, der Mut bewies und diese Volley nahm. Der Ball flog aber über die Stehplatztribüne aus dem Stadion. Da war mehr drin. Besser machte es (und wie) kurz danach Isaiah Young, der am Strafraum gleich zwei Gegenspieler stehen ließ und den Ball in die Maschen zimmerte: 3:0.





Es wären noch ein bis zwei Tore mehr drin gewesen für RWE vor allem mit Hinblick auf das zum Saisonfinale am kommenden Samstag entscheidende Torverhältnis, aber das ist wirklich Jammern auf hohem Niveau. Zumal der SV Rödinghausen auch noch zwei gute „Dinger“ hatte, diese aber dank des überragenden Essener Schlussmanns Jakob Golz nicht den Weg ins Tor fanden. Was für eine Wendung in der Regionalliga West. Noch bis weit nach Spielschluss feierten die Fans die Mannschaft („Eines Tages, eines Tages, eines Tages wird‘s geschehen, dann fahren wir nach Zwickau um den RWE zu sehen!“), die sich auch gerne feiern ließen.



Aber nicht zu lange, denn noch ist nichts erreicht. Der Auswärtssieg war nur ein erster Schritt, der richtige folgt am kommenden Samstag. Die Ausgangslage könnte nicht spannender sein: Rot-Weiss Essen und Preußen Münster liegen mit 84 Punkten gleichauf. Dabei hat RWE (+50 Tore) das bessere Torverhältnis gegen über dem SCP (+48). Da bei gleichem Torverhältnis wie oben geschrieben die Anzahl der geschossenen Tore zählt, hat dort aktuell Rot-Weiss die Nase vorn. Rot-Weiss Essen: 82:32; Preußen Münster: 71:23. Für Rot-Weiss Essen gilt: Unbedingt das inzwischen längst ausverkaufte (also der Heimbereich) Heimspiel gegen Rot Weiss Ahlen gewinnen und das Torverhältnis trotz dem kleinen Polster nicht aus den Augen verlieren. Das Spiel gegen den RWA wird aber auch kein Selbstläufer, wie das nachgeholte Hinspiel vor ein paar Wochen zeigte. Zwar kassierte der Klub von der Werse in der Saison ein paar hohe Niederlagen, konnte aber sowohl Essen als auch Münster Punkte abluchsen. Die Preußen bekommen es ebenfalls zu Hause mit der starken zweiten Mannschaft des 1. FC Köln zu tun, die kaum hohe Niederlagen in dieser Saison kassierte (außer eine 3:0 Niederlage gegen den WSV) und derzeit auf dem sechsten Tabellenplatz rangiert.

Eines ist sicher: Es wird ein Herzschlagfinale einer besonderen Saison und (aus Sicht des Autors) hoffentlich mit dem besseren Ende für Rot-Weiss Essen.

> Ein Stimmungsvideo vom Spiel in unserem YouTube Kanal

> zu den Rot-Weiss Essen Fotos

Artikel wurde veröffentlicht am
08 Mai 2022
Spielergebnis:
0:3
Zuschauerzahl:
2.532
Gästefans
2400

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Regionalliga

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G
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