Früher hat man die sonntägliche Fußballrunde „Doppelpass – DoPa“ hin und wieder amüsant gefunden. Zugegeben, ich habe lange nicht mehr reingezappt und werde – so viel ist jetzt klar – es auch künftig nicht mehr tun. Eine Runde von Herren aus Medien und Sport quasselt ganz im Sinne von Verband und Liga über Dinge, mit denen sie sich scheinbar kaum beschäftigt hat und von denen sie offenkundig noch weniger Ahnung hat. Es geht - na klar - um die fliegenden Tennisbälle oder Schokotaler, aber vor allem geht es um die Selbstbeweihräucherung eines Formats, das wenig Interesse an der „echten“ Meinung der Fans hat, sondern vielmehr um den von Verband und Liga geförderten Selbsterhalt. Dabei vergisst die DoPa Runde eines:
Thema DFL Investor: Doppelpass, BILD, Medien nur noch peinlich
Ohne die vielen mühsamen und kreativen Aktionen der deutschen Fanszenen in den letzten Jahrzehnten würde es einen Sport1 Doppelpass heute so in der Form nicht mehr geben.
Ja, die DoPa Runde (externer Link zum Video) denkt viel zu kurz, genauso wie ein Herr Alfred Draxler von der BILD, der in seiner aktuellen „Nachgehakt-Kolumne“ sich aus seinem vollverdienten Rentnerdasein zu einem Frontalangriff gegen die „bösen, bösen Ultras“ aufschwingt, ohne sich wirklich mit der Thematik und dem eigentlichen Problem (DFL Abstimmung) auseinanderzusetzen. Typisch BILD-Niveau könnte man mal wieder sagen. Einen Artikel mit den fetten Schlagwörtern "Chaoten", "Ultras" zu bestücken und vom Leder zu lassen, als gebe es kein Morgen. Dass es aber auch Zuschauer ausserhalb der aktiven Fanszene sind, die sich mit tausendfachen Schlachtrufen gegen die DFL und DFB stellen, das übersieht Herr Draxler. Dabei klingt der Titel seiner Kolumne „Nachgehakt“ investigativ, aber davon sind die paar Zeilen weit entfernt. Besser er hätte es gelassen und im Garten nur ein bissel Erde „nachgeharkt“, anstatt auf Fans mit sinnlosen Worten herum „gehackt“.
Und der Sport1 Doppelpass? Naja, was will man erwarten von einer Talkrunde, bei der die Sponsoren peinlich auf den Kleidungsstücken der Teilnehmer kleben. Ist doch klar, dass man im Sinne von Verband und Liga argumentiert, will man doch weiter auf das Wohlwollen eben jener dieser setzen. Um das Thema „DFL Investoreneinstieg“ dann auch ganz im Sinne von Verband und Liga zu thematisieren, wird es mal eben in die Sendung gequetscht zwischen Phrasenschwein und finalem Pils.
Da wird der Fanvertreter Jost Peter per Videoschalte (1. Vorsitzende der Fanorganisation „Unsere Kurve“) direkt ins Fadenkreuz genommen und von den Talkgästen fast in unverschämter Weise zu Aussagen genötigt, die er gar nicht tätigen kann und wahrscheinlich auch nicht will. Es wird schnell klar: Die Meinung der Fans zählt nicht. Es zählt nur die Meinung der DFL. Es gibt keine Kritik an der doppelten Abstimmung zum Investoreneinstieg. Scheinbar haben alle vergessen, dass die Erste für die DFL zu Recht verloren ging, inklusive einer begleitenden Drohgebärde von Hans-Joachim „Aki“ Watzke (Geschäftsführer Borussia Dortmund sowie 1. Stellvertretender Sprecher des Präsidiums des DFL e.V. und Vorsitzender des Aufsichtsrats der DFL GmbH) gegenüber den Klubs, die dem ganzen Thema kritisch gegenüber standen und noch stehen.
Dass die DFL das Abstimmungsergebnis nicht so richtig akzeptierte, dann etwas nachbesserte und schnell eine erneute Abstimmung nachschob, hat schon mehr als „Geschmäckle“, vor allem wie die Abstimmung verlief (Stichworte: Martin Kind, 50+1). Das hat alles ein wenig was von Wahlen in nicht demokratischen Staaten. Stimmt das Wahlergebnis nicht mit dem eigenen Vorhaben, wird gegen die Abweichler verbal vorgegangen und die Abstimmung einfach annuliert und neu angesetzt, so lange bis die Meisten auf Linie sind getreu dem Ruhrpott-Filmklassiker „Was nicht passt, wird passend gemacht“.
Aber was eigentlich noch viel wichtiger ist: Über den Inhalt des Investorendeals wird kaum gesprochen. Die kolportierte eine Milliarde Euro die von „Blackstone“ oder „CVC“ fließen soll, geht ja nicht an die Klubs, sondern zum größten Teil an die DFL und deren Streben nach mehr Digitalisierung. Ja, die Klubs bekommen auch Geld nach irgendeinen nicht bekannten Verteilungsschlüssel. Dazu bekommen die Klubs einen Bonus, die die Bundesliga auf internationaler Ebene bei attraktiven Testspielen vertreten. Okay, welche Klubs könnten das sein? Hmm, mal nachgedacht. Der SV Elversberg? Der FC Heidenheim? Der VfL Bochum? Der F.C. Hansa Rostock? Ohne den Klubs und deren Fans nahe zu treten: Wohl eher nicht. Wohl eher die, die eh schon mit teilweise fragwürdigen Werbepartnern kräftig absahnen.
Gerne hätte ich mehr dazu in der Sport1 Doppelpass Diskussion erfahren. Vielleicht einen Vertreter der DFL, der auch mal dazu Stellung nimmt, wie beispielsweise künftige Zweitligisten und Erstligisten an den Erlösen beteiligt werden. Denn die aktuellen Drittligisten wurden (da nicht Teil der DFL) nicht in die Abstimmungen einbezogen, auch nicht die Regionalligisten, die potentiell in den nächsten 20 Jahren auch höherklassig spielen könnten. Dazu findet man auf der Webseite der DFL nicht direkt auf den ersten Blick etwas. Aber auch die Medien liefern diese Antworten nicht. Im Gegenteil hier wird - sicherlich zur Freude der DFL – eher mit schweren Geschützen gegen die Fans geschossen, bzw. im Fall vom Doppelpass auf den Fanvertreter Jost Peter. Übrigens in der Vorwoche versuchte die DoPa-Runde Philipp Köster vom Magazin 11Freunde mit fadenscheinigen Argumenten auf DFL-Linie zu bringen, um es mal platt auszudrücken. Tja, klappte da auch schon nicht.
Nun war der Fanvertreter dran und das Gespräch war von der ersten Minute an eine Farce: Da wurde über ein von den Fans abgelehntes Gesprächsangebot der DFL gesprochen, das aber in einer Selbstverherrlichten Art und Weise über die Medien kolportiert wurde und nicht direkt an die Fanvertretungen. Dazu drehte sich der Rest des Talks nur über die Fadenkreuz-Aktion von Hannover 96 mit erhöhten Druck auf Herrn Peter sich zwingend dazu zu äußern. Ja klar, über die erzwungene Spielunterbrechung durch das Zeigen von Doppelhaltern mit den Konterfeis von Martin Kind und den Bossen von Blackstone und CVC im Fadenkreuz kann und muss man diskutieren, aber vielleicht mit Fans von Hannover. So gab es anstatt einer ausgewogenen Talkrunde nur eine sehr einseitige Diskussion, die dann auch zügig beendet wurde, durch das Kappen der Videoleitung zu Herrn Peter.
Den peinlichsten Moment der ganzen Interview-Farce gab es aber dann direkt im Anschluss, als sich ein Stefan („ich zeige den Fans den Stinkefinger“) Effenberg als Moralapostel aufschwang und eine Entschuldigung von Jost Peter für die Aktion der Hannover Fans einforderte. Ja genau, erst wird der Fanvertreter aus der Sendung gekickt, dann wird über ihn und nicht mit ihm geredet. Genauso wie die DFL und Verbände und die für Quote, Klick und Auflage eskalierenden Boulevardmedien wie die BILD es aktuell mal wieder tun.
Dabei habt Ihr, lieber Sport1 Doppelpass, eines vergessen: Ohne Tennisbälle auf dem Rasen, ohne Proteste und Aktionen der Fans in den letzten Jahrzehnten würde es Euch heute nicht mehr geben. Erst die Fans haben Euch die „blinkenden Golduhren, fetten Karren und gepuderten Popos“ ermöglicht.
Hä, fragt Ihr? Na dann ein paar Sekunden zum Nachdenken:
Denkt nach, denkt nach, denkt nach …
Habt Ihr vergessen, die Proteste um Montagsspiele? Habt Ihr vergessen, die Proteste um die weitere Zerstückelung der Spieltage und so vieles mehr?
Habt Ihr alles vergessen?
Hätten die Fans damals nicht protestiert, unter anderem auch schon mit Tennisbällen, dann hättet Ihr in Eurer Doppelpass Talkrunde nix zu diskutieren.
Dann gäbe es vielleicht kaum Spiele, die vor Eurer Ausstrahlung gelaufen wären. Oder es gäbe Spiele, die parallel zu Eurer Ausstrahlung laufen würden um 11 Uhr am Sonntagmittag. Oder es gäbe Spiele in Saudi Arabien. Oder es gäbe beim DFB-Pokalfinale eine vor Kommerz triefende oberpeinliche Halbzeitshow wie bei beim Superbowl. Oder es gebe nur langweiliger Fußballkick mit Stimmung vom Band oder gar keine Stimmung im Stadion wie beispielsweise teilweise in Spanien.
Spanien? Ah das Vorbild der DFL, oder? In Spanien hat seit 2021 der Private-Equity-Investor CVC teilweise das Sagen über das Geschehen in "La Liga". Könntet ja mal raus aus Eurer journalistischen Wohlfühlzone und fragen wie es so läuft? Kann ich aber auch beantworten: Die Klubs haben zwar eine starke Fanbase, aber ansonsten müssen sie nach der Pfeife der Investoren tanzen.
Und in Deutschland? Was den anderen Ländern fehlt, ist der Zusammenhalt. „Getrennt in den Farben, vereint in der Sache“ ist hier keine leere Hülle. Ich wüsste nicht, in welchem Land die Fans so für die Fankultur eintreten und das Klub übergreifend gemeinsam. Es wurde in den vergangenen Jahren viel bewegt, es wurde angeeckt und auch vieles nicht geschafft, aber ohne diese Bewegung würde der deutsche Fußball heute ganz anders aussehen. Über diese Geschlossenheit beneiden uns die Engländer, Spanier und viele andere Länder. Diese sollte man nicht zerstören, sondern diese in die Berichterstattung einbeziehen.
Also lieber Doppelpass, liebe BILD, liebe Medien: Es geht um viel mehr als nur Spielverzögerungen durch Tennisbälle und Schokotaler. Diese Art von Protest sollte man in einer Demokratie schon aushalten. Also, mal nicht nur von der Tapete bis zu Wand denken und einseitig berichten. Denkt zurück, denkt in die Zukunft, denkt ausgewogen.
Fotos: frontalvision, UISF
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Eine Trash-Sendung, die keiner braucht.