Ja, es wurde ein bemerkenswerter Abend im Jahn-Sportpark im Prenzlauer Berg. Der BFC Dynamo empfing die mit einigen Profis bestückte U23-Mannschaft des 1. FC Union Berlin. Begonnen hatte der Fußballabend unter anderen vor der Kneipe „Zum Schusterjungen“ nahe des U-Bahnhofs Eberswalder Straße. Die „Jungs der alten Schule“ hatten bereits im Vorfeld verlauten lassen, sich mal wieder vor einem BFC-Heimspiel zu treffen, ein paar Bierchen zu trinken, zusammen als Truppe zum Stadion zu marschieren und anschließend gemeinsam auf dem unteren Rang der Haupttribüne einen eigenen Block zu bilden.
BFC Dynamo vs. Union Berlin II: Brachialer Jubel, alte Schule, Tumulte im Gästeblock
HotUnd in der Tat sammelte sich zwischen 17 und 18 Uhr ein beachtlicher Haufen älterer BFC-Fans und Freunde der dritten Halbzeit. Das Stelldichein stieß bei den Anwohnern mitunter auf wenig Gegenliebe. Zu gewöhnungsbedürftig war der Anblick der kantigen Männer, die relaxt das eine oder andere Pläuschchen hielten. „Tun sie was! Sie sind doch Zeuge! Ich werde mich beschweren an hoher Stelle und sie als Zeugen angeben!“, echauffierte sich eine etwas ältere Dame mit Hund an der Leine bei zwei Mitarbeitern des Ordnungsamtes, die besseres zu tun hatten und die abgestellten Fahrzeuge mit Zettelchen versorgten. „Die machen doch nix! Jeder darf in Berlin sein Bier dort trinken, wo es ihm beliebt“, erklärte leicht genervt der Knöllchenverteiler. „Nein, die dürfen das nicht! Die stehen hier auf dem Bürgersteig und ich komme nicht durch! Deutschland ist jetzt anders! Die müssen gehen! Ich werde mich da ganz oben beschweren!“ Grummelnd zog die Frau nach längerem Redeschwall von dannen und öffnete eine Haustür.
Die alte Garde fand sich als „Trehbüne“ im reservierten Block des Jahn-Sportparks ein und stimmte den einen oder anderen Klassiker an. Im Zusammenspiel mit der annehmbar gefüllten Gegengerade konnte somit für eine ordentliche Atmosphäre gesorgt werden. 3.125 Zuschauer hatten sich auf den Rängen eingefunden, unter ihren waren zirka 100 Anhänger des 1. FC Union Berlin. Immerhin, denn die erste Mannschaft spielte leicht zeitversetzt in Köpenick gegen den 1. FC Nürnberg. Rund 30 von den 100 Eisernen versuchten stetig mit Support auf sich aufmerksam zu machen. Anfangs eher unspektakulär, am Ende des Spiels jedoch recht rabiat und aggressiv. Dazu später mehr.
Während auf der Haupttribüne am Zaun einige alte Fahnen befestigt wurden und das bereits beim kleinen Derby im Jahr 2011 präsentierte riesige Banner „Unioner kniet nieder ...“ (der angedeutete Präsident des 1. FC Union betätigt sich kniend bei Stasi-Chef Mielke ...) wieder ausgelegt wurde, wurden auf der Gegenseite zum einen das Spruchband „Hass der besteht und niemals vergeht! U.N.V.S.U.“ und zum anderen das alte, lange weinrote Banner mit der Aufschrift „Union kniet nieder, wir seh´n uns immer wieder!!!!!“ hochgehalten. Jenes war unter anderen bereits im Dezember 2002 beim Zweitligaspiel Eintracht Braunschweig gegen 1. FC Union Berlin auf der Gegengerade im Stadion an der Hamburger Straße zu sehen.
Auf dem Rasen wurde von Beginn an ein äußerst intensives Spiel hingelegt, allerdings zeigten sich die mit Profis verstärkten Köpenicker in besserer spielerischer Verfassung. Vom Einsatz her konnte jedoch keinem der beiden Teams ein Vorwurf gemacht werden. Allerdings bekommt der ohne eine einzige Niederlage aufgestiegene Club aus Berlin-Hohenschönhausen in der Regionalliga einen ganz anderen Gegenwind zu spüren. Gegen Auerbach hatte der BFC mit hart verteidigenden Abwehrreihen zu kämpfen. Gegen die U23 von Hertha BSC hieß es am Ende 0:3. In Lichterfelde beim FC Viktoria 1889 wussten die Weinroten vor allen Dingen in der zweiten Halbzeit zu gefallen und brachten die Sache verdient mit 3:1 über die Runden. Und gegen Union II? Die Gäste waren einfach eine Nummer besser und nutzten jeden Abwehrfehler des BFC aus.
Bereits nach zehn Minuten konnte Steven Skrzybski nach hübschem Zuspiel zum 1:0 für die Union-Bubis einlochen. Der BFC war in der Folgezeit bemüht, aber keinesfalls konsequent genug. Da ging durchaus mehr. Und das war zu Beginn des zweiten Spielabschnitts zu sehen. Der BFC zündete den Turbo und belagerte das Gästegehäuse. Unter anderen klatschte ein Schuss von Björn Brunnemann an die Latte. Die Gegengerade bebte. Immer wieder hallte das „Dynamo“ quer über den Platz und war sicherlich auch auf der Schönhauser Allee zu vernehmen. Nach gut einer Stunde dann mehrere Ecken hintereinander. Im zweiten Versuch konnte Brendel mit dem Kopf einlochen. Welch ein orgiastischer Jubel! Erstaunlich, was 3.000 Fans für einen Lärm machen können!
Es roch nach einem Sieg der Weinroten, denn die Hausherren blieben am Drücker. Vorerst. Bis zum überaus dummen Fehler von Lukas Rehbein. Tugay Uzan nahm ihm den Ball ab und gab diesen an Torjäger Skrzybski weiter. Dieser fackelte nicht lange und machte routiniert das 2:1 für die Eisernen. Sämtliche Spieler rannten nun zu den vor Freude ausrastenden Union-Fans. Das Spiel war quasi gelaufen. Der BFC Dynamo verlor den Faden, in der 73. Minute legte Oschmann zum 3:1 der Gäste nach. Stille auf den Rängen. Jeder im weiten Rund spürte, dass Union II diesen Sieg nicht mehr aus den Händen geben würde.
Das Spiel trudelte aus. Bemerkenswertes passierte indes in der Schlussphase im Gästeblock. Der kleine harte Kern suchte am Zaun Streit mit den Ordnern. Wortgefechte und böse Blicke. Dabei blieb es jedoch nicht. Einige Unioner, die scheinbar richtig gut auf Achse waren, drehten nun völlig an der Uhr, rissen am Zaun und spuckten den Ordnern mehrmals gezielt ins Gesicht. Es hätte nicht viel gefehlt, dass es auf gut Deutsch gesagt „richtig auf die Fresse gegeben“ hätte, zumal die Ordner körperlich betrachtet nicht von Pappe waren. Die bespuckten Ordner wurden jedoch abgezogen und einige Polizisten nahmen sich der Sache an und beruhigten die Situation am Zaun.
Dass das Ganze draußen auf den dunklen Nebenstraßen des Prenzlauer Bergs noch ein Nachspiel haben würde, war zu erwarten. Und auch generell schien die gesamte Ostberliner Fußballsituation am Freitagabend alles andere als günstig. Frustrierte BFC-Fans und ebenfalls frustrierte Union-Fans (0:4 gegen Nürnberg) begegneten sich mit Sicherheit an dem einen oder anderen Knotenpunkt. Dass laut Augenzeugen auch völlig Unbeteiligte auf Straßen und S-Bahnen in Mitleidenschaft gezogen wurden, empörte nicht wenige Fußballfreunde und die sozialen Netzwerke und Foren liefen heiß ...
Fotos: Marco Bertram