Schon klar, bis zum Saisonfinale der 1. und 2. Bundesliga ist noch massig Zeit. Doch nur mal angenommen, die jetzigen Tendenzen würden sich am Ende der Saison zu Tatsachen entpuppen. So könnten der VfB Stuttgart und der SV Werder Bremen mal eben die Sause ins Unterhaus machen. Und da Borussia Dortmund sich sicherlich noch fangen wird, könnte der Hamburger SV doch ein Kandidat für einen erneuten Gang in die Relegation sein. Und in dieser wartet der SV Darmstadt 98. Dieser weiß, wie es gemacht wird – einen schönen Gruß auf die Bielefelder Alm – und ballert den HSV in zwei extrem kampfbetonten Partien in die zweite Liga. Das war´s. Drei echte Bundesliga-Urgesteine würden die Segel streichen und Platz machen für drei neue Vereine. Mit Darmstadt 98 immerhin ein alter Bekannter. Und – mal angenommen sie würden es auf direktem Wege packen – mit dem FC Ingolstadt 04 und RasenBallsport Leipzig zwei Neulinge. Yeap, derzeit ist Fortuna Düsseldorf auf Rang zwei zu finden, doch nehmen wir einfach mal an, das finanzstarke Konstrukt aus der Messestadt zieht mit den ebenso flüssigen Audi-, äh, Ingolstädtern rigoros durch.
Die 1. Bundesliga im krassen Wandel: Wo sind all die Vereine von 1994?
HotGroße Freude bei allen Aufsteigern. All die Klassiker würden nun auf die Fans warten. Doch Moment mal, welche Klassiker? Vielmehr gäbe es ein Wiedersehen mit dem SC Paderborn, mit dem 1. FSV Mainz 05, dem FC Augsburg, und, und, und. Schon jetzt ist die 1. Bundesliga nicht mehr das, was sie vor 20 Jahren mal war. Würde es zu dem genannten Dreier-Tausch kommen, würde dieser das Antlitz des Fußballoberhaues noch einmal radikal ändern. Nein, solch eine Veränderung hätte man Anfang bzw. Mitte der 90er Jahre nicht für möglich gehalten. Ja, sicher, eine sogenannte Kommerzialisierung war zu erwarten. Allerdings hätte man im Traum nicht für möglich gehalten, dass 20 Jahre später rund 60 Prozent der damaligen Erstliga-Vereine in der Versenkung verschwunden sind.
Stellen wir doch einmal das Starterfeld der 1. Bundesliga der Saison 1994/95 und das besagte Starterfeld der kommenden Saison gegenüber. Nur noch acht von 18 damaligen Erstligisten wären im Sommer 2015 in der 1. Bundesliga anzutreffen: Der FC Bayern München, Bayer 04 Leverkusen, Borussia Dortmund, der 1. FC Köln, der FC Schalke 04, Eintracht Frankfurt, Borussia Mönchengladbach und der SC Freiburg. Immerhin: Größtenteils echte Platzhirsche. Es hätte ja noch schlimmer kommen können, wenn die Frankfurter und Kölner in den vergangenen Jahren nicht den Sprung zurück ins Oberhaus geschafft hätten.
Werder Bremen, der VfB Stuttgart und logischerweise auch der Hamburger SV waren damals auch am Start und würden seitdem zum ersten Mal das Oberhaus verlassen. Und die anderen damaligen Erstligisten? Wo sind diese derzeit zu finden? Der 1. FC Kaiserslautern, der TSV 1860 München, der VfL Bochum und der Karlsruher SC spielen derzeit zweiklassig. Der MSV Duisburg und die SG Dynamo Dresden (damals als 1. FC Dynamo am Start) versuchen momentan in der 3. Liga ihr Glück. Noch eine Liga tiefer steckt der damalige Erstligist KFC Uerdingen 05 (damals noch FC Bayer 05 Uerdingen).
Interessanter jedoch: Wo spielten vor 20 Jahren all die Klubs, die jetzt ganz nach oben gespült wurden? Paderborn, Hoffenheim, Wolfsburg, Augsburg, Mainz und Ingolstadt. In den Fällen 1. FSV Mainz und VfL Wolfsburg lässt sich das fix beantworten: Sie waren damals in der 2. Bundesliga am Start. Der FC Augsburg war zu jener Zeit im Mittelfeld der Regionalliga Süd anzutreffen. Die Hoffenheimer kickten damals sogar in der Landesliga, die Verbandsliga jedoch bereits fest im Fokus. Und die Paderborner? Vor 20 Jahren waren diese als TuS Paderborn-Neuhaus in der Regionalliga zu finden. Nach Jahren in der Oberliga Westfalen konnte der Sprung in die Regionalliga gepackt werden, der Aufstieg in die 2. Bundesliga erfolgte jedoch erst im Jahr 2005.
Interessant sicherlich auch zu wissen, wo einst der FC Ingolstadt 04 steckte. Das „04“ steht allerdings nicht für 1904, sondern für 2004. Der jetzige Verein wurde erst in jenem Jahr am 05. Februar ins Leben gerufen. Er entstand im Zuge der Ausgliederung der Fußballabteilungen der Vereine MTV Ingolstadt und ESV Ingolstadt. Beide Vereine hatten kurzzeitig Ende der 70er bzw. Anfang der 80er Jahre in der 2. Bundesliga gespielt. Vor 20 Jahren waren beide Vereine in den Tiefen des Amateurfußballs verschollen. Und RasenBallsport Leipzig? Viele Worte sollen an dieser Stelle nicht verloren werden. Bekanntlich wurde dieser Verein erst im Mai 2009 gegründet. Übernommen wurde das Startrecht des damaligen Oberligisten SSV Markranstädt. Demzufolge könnten in der kommenden Bundesliga-Saison zwei Vereine an den Start gehen, von denen vor 20 Jahren niemand etwas ahnen konnte. Apropos Leipzig. 1994/95 war in der 2. Bundesliga eine andere Leipziger Mannschaft am Start. Nach einem Jahr Erstliga-Abenteuer war der VfB Leipzig wieder im Unterbau beheimatet. Eine Wiederkehr nach oben war nicht mehr geglückt. Der neu gegründete 1. FC Lokomotive Leipzig versucht derzeit in der NOFV-Oberliga Süd sein Glück.
Kurzum: Wer in den 90er Jahren als Fan aktiv in die deutschen Bundesliga-Stadien pilgerte, könnte im kommenden Jahr kaum noch diese Liga wieder erkennen. Der KSC, der MSV Duisburg, der VfL Bochum. Diese Klubs waren Anfang und Mitte der 90er feste Größen. Okay, ganz klar, es waren eher graue Mäuse, doch sie gehörten schlichtweg dazu. Kaum noch etwas ist so, wie es einmal war. Logisch, dass sich innerhalb von 20 Jahren einiges ändert. Doch dass das Starterfeld eines Tages dermaßen neu durchmischt ist – darauf hätte ich keinen Pfifferling gesetzt. Mal die eine oder andere Wiederkehr eines alten Traditionsvereins – okay. Eintracht Braunschweig oder nun die mögliche Rückkehr des SV Darmstadt 98, der zuletzt zwischen 1978 und 1982 erstklassig war. Aber Ingolstadt? Wolfsburg? Hoffenheim? Paderborn? Nun wäre es sogar theoretisch möglich, dass der 1. FC Heidenheim den Sprung nach oben schafft. Immerhin ist dieser derzeit auf Rang vier der Zweitligatabelle zu finden. Vor 20 Jahren pendelte dieser Verein zwischen Landes- und Verbandsliga Württemberg. Krasse Kiste. In der Tat. Nachdem sogar Paderborn den Sprung nach ganz oben geschafft hat, scheint derzeit alles möglich.
Das Gute daran? Die unteren Ligen sind weitaus durchmischter und lukrativer als vor 20 Jahren. Anfang der 90er Jahre erschien sogar zu großen Teilen die 2. Bundesliga als Tristesse pur. Ein Hort der grauen Mäuse. Die Zuschauerzahlen waren keineswegs mit denen von heute vergleichbar. Der deutsche Fußball wurde einmal richtig aufgewühlt. In Zeiten, in denen sich die Fankultur eh zunehmend in die unteren Ligen verlagert, kann dies gar nicht mal so schlecht sein. Wer nur auf den rollenden Ball schaut, kann sich gern RB Leipzig vs. VfL Wolfsburg oder Ingolstadt 04 vs. TSG Hoffenheim 1899 reinziehen. Die knackigere Fankultur wird es in Zukunft noch mehr in den unteren Ligen geben.
Fotos: Arne Amberg, Claude Rapp, Glenn Dawson, turus.net-Archivfotos
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Benutzer-Kommentare
Und flexibel ist man auch mit Mitbestimmung, die Mitglieder mischen sich ja zu 99% nicht ins Tagesgeschäft ein.
Und warum die "Dörfer" so nach oben kommen, das frage ich mich auch. Da kann nur massiv Geld dahinter stecken.
Auch die Platzhirsche müssen sich dem Wettbewerb stellen und sich so anpassen, dass sie mithalten können. Nur auf große Fanzahlen und Tradition sich zu berufen - reicht nicht mehr aus. Sie müssen sich halt fragen, warum Paderborn, Heidenheim, Sandhausen, Augsburg etc. vorbeiziehen - nicht mal unbedingt RB. Und dies sind keine Metropolen.
Die Großen fressen nicht mehr die Kleinen, sondern die Schnellen bzw. die Flexiblen die Langsamen...Stichwort Mitbestimmung ;-)
Ein weiterer Vorteil: Bei Spielen in der 3. Liga bekommt man wenigstens noch Karten an der Tageskasse (zu mindest in 90% der Fälle).
Es sei denn Wolfsburg spielt gg. Hoffenheim.
Der DFB kann doch auch nichts dafür, dass kleine Vereine nach und nach nachrücken aufgrund finanzieller Mittel, was bei einem Vergleich zwischen Hamburg und Paderborn schon sehr interessant ist.
Irgendwann wurden die ganzen "Traditions"-Duelle zwischen 60 und Lautern und Frankfurt und Gladbach, HSV-BVB schon langweilig. Lasst doch Heidenheim einen Platz in der Bundesliga finden. RB wird sich sowieso durchsetzen. In zwei Jahren kräht kein Hahn mehr danach. Diese Entwicklung kann niemand mehr aufhalten unter diesen gesellschaftlichen Umständen.
Bundesliga den Picknick-Fans und Touristen, Liga 2 und 3 dem Volk.