Kickers Offenbach: Erinnerungen an den Flutlichtpokal 1958 - hartes Brot in der Gegenwart

Kickers Offenbach: Erinnerungen an den Flutlichtpokal 1958 - hartes Brot in der Gegenwart

 
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Der Blick auf zwei aktuelle Regionalliga-Tabellen lässt einen richtig muffig werden. In der Regionalliga West sind die Amateure von Borussia Dortmund auf dem besten Wege in die 3. Liga aufzusteigen. Nun denn, denkt manch einer, die bringen wenigstens ein paar Fans auf die Beine, die auch die Amas unterstützen. Schweift der Blick weiter auf die Regionalliga Süd, wird es richtig arg. Der aktuelle Tabellenführer lautet: SC Freiburg II. Ein Grauen, sich vorzustellen, dass diese zweite Mannschaft auch noch in der 3. Liga kicken wird. Jedoch soll dies nicht das Thema dieses Berichtes sein. Vielmehr geht es um Kickers Offenbach. Als Tabellenzweiter versuchen die Offenbacher aktuell an den Amateuren des SC Freiburg dran zubleiben. Der Rückstand beträgt derzeit sechs Punkte. Zuletzt wurde Mit-Konkurrent SSV Ulm 1846 mit 1:0 geschlagen. Maik Vetter erzielte den Treffer des Tages. Ein enorm wichtiger Sieg. Vielleicht geht da noch was!

Kickers Offenbach! Wahrlich kein 0815-Verein. Kickers Offenbach und das alte Stadion am Bieberer Berg. Legendär! Hört man „Bieberer Berg“, so denkt man automatisch an die alten hohen Flutlichtmasten. Die geniale Stimmung auf den Rängen. An die Pokalschlachten. An die brennenden Fackeln inmitten der brodelnden Fanmassen. Apropos Flutlicht. Im Jahre 1958 wurde Kickers Offenbach Deutscher Flutlichtpokalsieger. Gestiftet wurde jener von Ludwig Mohler, dem damaligen Präsidenten von Kickers Offenbach, ausgespielt wurde er 1957 und 1958. Bemerkenswert: Beim Halbfinale 1957 trug Eintracht Frankfurt das Rückspiel gegen den SC Preußen Münster in Offenbach aus. Später konnte sich die SGE im Finale gegen den FC Schalke 04 durchsetzen. Im Jahr darauf konnten die Offenbacher den Pokal holen. In der Vorrunde wurden der Wuppertaler SV mit 4:1 und 3:2 und Concordia Hamburg mit 3:1 und 7:1 geschlagen. Im Halbfinale wurde sich mit 4:2 gegen Holstein Kiel durchgesetzt, im Finale wurde am 8. August 1958 Eintracht Braunschweig mit 5:3 besiegt.

Der Flutlichtpokal ist nicht der einzige Titel, der in der bislang knapp 120-jährigen Geschichte geholt wurde. Elfmal wurde der Hessenpokal geholt, 1970 wurde zudem der DFB-Pokal gewonnen. Als Zweitligist wurden auf dem Weg ins Finale der TSV 1860 München (4:1), Borussia Dortmund (2:1 n.V.), Eintracht Frankfurt (3:0), der 1. FC Nürnberg (4:2 n.V.) aus dem Weg geräumt. Im Finale, das am 29. August 1970 im Niedersachsenstadion in Hannover ausgetragen wurde, konnte vor rund 50.000 Zuschauern der 1. FC Köln mit 2:1 bezwungen werden. Klaus Winkler und Horst Gecks machten sich mit ihren Toren unsterblich. Mehr noch: In der 81. Minute hielt OFC-Torwart Karlheinz Volz einen Foulelfmeter von Werner Biskup! 

Um auf das Viertelfinale zurückzukommen: Am 5. August 1970 konnte Kickers Offenbach mit 3:0 beim Erzrivalen Eintracht Frankfurt gewinnen. 60.000 Zuschauer hatten sich im Waldstadion eingefunden, Winfried Schäfer, Helmut Schmidt und Klaus Winkler schossen die Tore. Es war eine Art Wiedergutmachung für das legendäre Endspiel um die Deutsche Meisterschaft, das am 28. Juni 1959 im Berliner Olympiastadion vor 75.000 Zuschauern die Frankfurter mit 5:3 nach Verlängerung gewinnen konnten. Nach 90 Minuten hieß es damals 2:2. Es war DAS Schlüsselspiel für die nun gewachsene tiefe Feindschaft zwischen Eintracht Frankfurt und Kickers Offenbach. „Daher kommen doch die ganzen Emotionen“, erklärte einst Ernst Wade. Nachzulesen ist dies in der Kickers Offenbach Fußballfibel, die 2019 auf den Markt kam und von Steffi Wetzel geschrieben wurde. Die Autorin ist Jahrgang 1966 und jubelt, leidet und zittert seit 1986 mit dem OFC. Bereits seit 1995 schreibt sie im Fanzine ERWIN, ihren Mann lernte sie tatsächlich auf dem Bieberer Berg kennen. 

Nach dem persönlichen Weg zu Kickers Offenbach geht es in der Fußballfibel um die Historie des Vereins, auf Seite 21 kommt dann sogleich das legendäre DM-Finale 1959 zur Sprache. Nicht zu vergessen, bereits 1950 stand der OFC im Finale um die Deutsche Meisterschaft. Auch jene Partie wurde im Berliner Olympiastadion ausgetragen. Vor 95.000 Zuschauern, zu jenem Zeitpunkt passten noch paar mehr Leute auf die Ränge, mussten sich die Kickers dem VfB Stuttgart mit 1:2 geschlagen geben. Was soll man sagen? Pech gab es in der langen Historie reichlich, Glück indes eher weniger. Nachdem 1970 sensationell der DFB-Pokal geholt wurde, war im Europapokal der Pokalsieger bereits in der ersten Runde Schluss. Und das wieder einmal denkbar knapp. Im Hinspiel wurde der FC Brügge mit 2:1 geschlagen, im Rückspiel setzte es eine 0:2-Niederlage. Am Rande: Der FC Vorwärts Berlin zog damals als FDGB-Pokalsieger sensationell ins Viertelfinale ein, nachdem der FC Bologna und Benfica Lissabon aus dem Weg geräumt wurde. Und noch eine Randnotiz: Das Finale im Mai 1971 hieß Chelsea FC vs. Real Madrid. Nach einem 1:1 nach Verlängerung musste zwei Tage später im Karaiskakis-Stadion in Piräus ein Wiederholungsspiel her. Sahen die erste Partie noch 42.000 Zuschauer, so waren es bei der zweiten Partie nur noch 19.917.

Zurück zu Kickers Offenbach. Die Fußballfibel von Steffie Wetzel lässt alte Schlachten wunderbar aufleben. Ebenso den Bundesligaskandal 1971, bei dem der OFC eine gewichtige Rolle gespielt hatte. Damals hieß es „Offenbach gegen den Rest der Fußballwelt.“ Aufgedeckt wurde das „Verschieben“ von Bundesligaspielen durch den damaligen OFC-Vereinspräsidenten, Horst-Gregorio Canellas, der bei der Feier seines 50. Geburtstages am 6. Juni 1971 die Gäste mit dem Abspielen eines brisanten Tonbandes überraschte. Am Ende wurde jedoch auch den Offenbachern die Lizenz entzogen. Die Rückkehr auf sportlichem Wege glückte jedoch postwendend.

In jüngerer Vergangenheit gab es ein Auf und Ab. Zu Beginn der 1990er wurde in der Oberliga gespielt, 1999/2000 gab es ein kurzes Stelldichein in der 2. Bundesliga. Immerhin konnte von 2005 bis 2013 zuerst in der 2. Bundesliga und dann in der 3. Liga gespielt werden. Seitdem hängt der OFC in der Regionalliga Südwest fest. Ein festes Plätzchen nehmen in der Offenbacher Fußballfibel auch die Fanfreundschaften (vor allem die zu Bayer 04 Leverkusen) und der Stadionumbau ein. Im Kapitel „Lack und Leder“ erfährt man zudem, dass es einst sogar eine freundschaftliche Beziehung zum Karlsruher SC und eine kurze heftige Beziehung zu Buchonia Flieden gab. Kurzum: Wie bei all den anderen Fußballfibeln erfährt man viel über den Verein und begibt sich somit auf eine spannende Lesereise. Ein Blick über den Tellerrand lohnt immer - und für diesen eignet sich diese Reihe wahrlich hervorragend!

Fotos: Marco Bertram, Claude Rapp, Steven Mohr, Arne Amberg

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Artikel wurde veröffentlicht am
08 April 2021

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