ProRace Berlin 2011 – Mit dem LKT Team Brandenburg

27 Mai 2011 13:17 #16514 von Arne
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Samstag, 21. Mai 2011. Ich bin um 16:45 Uhr mit Steffen Blochwitz, dem Manager des LKT Team Brandenburg am Automobilforum Unter den Linden zur Mannschaftsleitersitzung verabredet. Bereits 16:30 Uhr klingelt mein Telefon: „Na wo bleibst  du?" - "Ja ich bin gleich da!" (Sich durch das S-Bahn-Chaos nach Berlin reinzuwühlen, ist mal wieder eine absolute Katastrophe) - "Ok ich warte noch bis 16:45 Uhr dann gehe ich rein.“ Man merkt schon seit ein paar Tagen, dass die Anspannung riesengroß ist, in dem kleinen Kontinentalteam aus Cottbus, welches neben dem Thüringer Energie Team das Sprungbrett für die besten Deutschen Radsportler in die absolute Weltspitze ist.





„Das ist für uns ein absoluter Höhepunkt in dieser Saison“, erzählt mir Steffen Blochwitz  auf dem Weg ins Automobilforum „wir gehen hier mit unseren besten Jungs an den Start und werden auch an Trainern, Mechanikern und Betreuern alles auffahren, was wir haben.“

Im Konferenzraum angekommen begrüßt eine UCI Kommissaren mit französischem Akzent die Mannschaftsleiter der 22 Teams darunter 5 der besten Pro Tour Mannschaften der Welt und übergibt das Wort an den Jurypräsidenten der UCI Pascale Schyns, der die gesamte Jury noch einmal vorstellt. Es folgt eine kurze Einweisung in die Strecke, Erläuterungen zu den Dopingkontrollen, die Teams erhalten die Kennzeichnungen für die Mannschaftsfahrzeuge und einen Technischen Leitfaden mit den wichtigsten Informationen für die Fahrer und Betreuer.
Das Ganze ist schnell erledigt. Wir holen noch die Startnummern und ab geht’s nach Cottbus.

Gegen 21:30 Uhr sind wir im Sportinternat mit Nikias Arndt verabredet. „Das ist ein Sportler mit großem Potential, einer dem die Zukunft gehört“, sagt Steffen. „Er ist außerdem ein sehr kommunikativer Typ, wenn Du den morgen etwas näher unter die Lupe nimmst, bekommst Du ganz gute Bilder und Du hast gleich Archivmaterial, was Du später bestimmt noch einmal verwenden kannst.“
In der Dresdener Straße angekommen werden wir unten erst einmal vom Internatsleiter empfangen. Sooo einfach kommt man da nämlich nicht rein. „Ich will mal kontrollieren ob meine Sportler alle da sind und ihre Zimmer aufgeräumt haben.“ scherzt der Chef. „Da muss ich erstmal nachsehen, in welchen Zimmern die wohnen. Aber der Arndt hat sich vorhin ´nen Staubsauger geholt. Scheint sich schon rumgesprochen zu haben, dass Du heute noch auftauchst.“ So der Internatsleiter, der im Eingangsbereich ein kleines Zimmer hat. Ein bisschen erinnert das Ganze schon an alte KJS (Kinder- und Jugendsportschule) – Zeiten. An der Wand hängt ein Schlüsselbrett und ein Steckkasten mit Ausgangskarten. Im Fernsehen läuft das Pokalendspiel es steht 5:0 für Schalke. „Die unter 18jährigen müssen am Wochenende um 1:00 Uhr wieder drin sein. Aber Deine Jungs sind alle zu hause Steffen. Warte ich zeig Euch den Weg.“

Ein kleiner Flur von dem die Zimmer der einzelnen Sportler abgehen. Das Zimmer von Nikias ist in der tat sehr aufgeräumt. Aber Steffen versichert mir, dass es hier immer so aussieht. Oben auf einem Schrank steht eine Wasserpfeife. Dies würde wohl für viele Journalisten wieder Spekulationsstoff für die haarsträubendsten Geschichten geben. Gegenüber eine Galerie von alten und neuen Helmen der ein oder andere ist beim Sturz zu Bruch gegangen. Ist also doch ganz gut immer so ein Ding auf dem Kopf zu haben. Darüber hängt in einem großen Bilderrahmen gesammelte Radsportgeschichte eines noch sehr jungen Sportlers. „Ein Geschenk von meinem alten Heimtrainer." Medaillen, darunter zwei mal WM Bronze und zwei mal Gold bei der Bahn DM von 2009, die er als Junior gewann.

Wir besprechen kurz den Ablauf des nächsten Tages. Anschließend wird noch einmal die Taktik für den nächsten Tag durchgegangen. „Wie sind Deine Beine?“ fragt der Teamchef „Na ja die letzten 4 Tage in Tschechien waren ganz schön hart, wir sind jeden Tag über 200 km gefahren.“ Inklusive An- und Abreise mit dem Rad. „Aber mit dem heutigen Ruhetag wird’s morgen schon gehen.“ so Nikias „Na dann versuch doch noch mal so 20 -25 km vor Ziel mit einer kleinen Gruppe wegzugehen. So wie Stefan in Frankfurt. Das hat doch ganz gut geklappt. Wir haben ja diesmal Robert mit dabei, der kann das Ganze im Rennen dann organisieren.“, sagt Steffen „Ja das ist gut, dass Robert mitfährt. Der hat mit seiner Erfahrung die nötige Übersicht im Feld.“ stimmt Nikias zu.
Wir verabreden uns für den nächsten Tag zu halb neun.

22. Mai 8:00 Uhr strahlender Sonnenschein und wohlige 20°C. Ich nutze die Ruhe vor dem Sturm, um noch ein paar Außenaufnahmen des Sportzentrums in der Dresdener Straße zu machen. Michael Max, der Trainer ist schon dabei, die ersten Räder zu verladen. In der Rennradwerkstadt wird noch fleißig geschraubt. Die Transponder für die elektronische Zeitmessung und die Rahmennummern müssen noch angebracht werden.
Gegen 9:30 Uhr ist endlich alles verladen und wir sind zur Abfahrt bereit.
Unterwegs ist von Nervosität oder Aufgeregtheit nichts zu spüren. Alles scheint für die Jungs Routine zu sein. Johannes Heider und Tino Meier sind die Ruhe selbst. Michi Weicht und Nikias Arndt machen Ihre Scherze, an wessen Hinterrad sie sich hängen werden. Ein ganz normales Radrennen also.
 
In der Hauptstadt angekommen, wird´s dann doch ziemlich eng. Aber nicht nur für uns. Zwei Fahrzeuge weiter vorn drängeln sich die 4 Teamfahrzeuge von Omega Pharma Lotto ebenfalls durch den zähflüssigen Verkehr. Nach kurzer Zeit reißt dem ein oder anderen Sportlichen Leiter der Geduldsfaden und man nutzt den freien Standstreifen. Auch mit den Verkehrsleitzeichen wird es jetzt nicht mehr so genau genommen. Um 11:24 Uhr ist die Teampräsentation für die LKT Jungs. Bis dahin müssen sie in ihren Radsportleibchen auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor stehen.
   
11:15 Uhr endlich sind wir im Fahrerlager Unter den Linden angekommen. Die Fahrzeuge der anderen Teams stehen dicht gedrängt auf beiden Straßenseiten der Berliner Prachtallee. Es herrscht reges treiben. Räder werden ausgeladen und am Straßenrand aufgereiht, Laufräder werden aufgepumpt und Radprofis, die sich ihre Arbeitskleidung anziehen alles in der Menge neugieriger Zuschauer. „Kann ich das Rad mal anheben? Wieviel wiegt denn das?“ fragt ein Passant. So haben es die Veranstalter ja auch schließlich versprochen. Hochkarätiger Radsport zum anfassen und kostenlos.

Frank Augustin, der Sportliche Leiter des LKT Teams versammelt seine Mannen um sich, um die Renntaktik mit Ihnen zu besprechen. In der Mitte steht ein frisch gebackener Kuchen, von dem sich die Renner bedienen. „Den hat meine Frau gebacken, der soll den Jungs ein bisschen Glück bringen.“ sagt Frank und beginnt mit seinen Ausführungen.
Als er mit seinen Ausführungen fertig ist, habe ich eine sehr wichtige Sache dazu gelernt. Um einem Radsportler die Windkantensituation richtig zu erklären, benötigt man unbedingt ein Kuchenmesser. Ohne Kuchenmesser kann man das den Sportlern einfach nicht richtig klar machen und die Sportler können somit auch nicht richtig drauf reagieren. Also an alle Sportlichen Leiter ...

12:30 Uhr alles was gesagt werden musste wurde gesagt und auf Worte sollten nun endlich Taten folgen.  Die Sportler bewegen sich also Richtung Start.
Anders als bei den Jedermännern, ist der Start für die Profis auf der östlichen Seite des Brandenburger Tors. Die ersten Kilometer sind traumhaft. Durchs Brandenburger Tor, Potsdamer Platz, Budapester Strasse, Zoologischer Garten, Schloss Charlottenburg die Havelchaussee am Nikolasee und Wannsee entlang. Dort bildet sich die erste vielversprechende Spitzengruppe mit Marcus Burghardt (BMC Racing Team), Martin Reimer (Skil Shimano), Stuart O´Grady (Leopard Trek), Andreas Klier (Garmin Cervélo), Michael Albasini (HTC Highroad), David Boucher (Omega Pharma Lotto), Steffen Radochla (Nutrixxion Sparkasse), Marco Haller (Adria Mobil) und Dimitry Claeys (NetApp). Auf den Straßen Brandenburgs arbeiten sie sich bis zu 6 min Vorsprung heraus und es sieht so aus, als wenn diese Gruppe den Sieg unter sich ausmachen würde.

Doch Stadteinwärts auf der vorher ausführlich explizierten Windkante leistet das LKT Team Brandenburg (in Person von Robert Bartko, Johannes Heider, Michael Weicht und Tino Meier) und das Nationalteam Deutschland (mit Marcel Kalz, Robert Bengsch, Max Walsleben und Theo Reinhardt) Schwerstarbeit um den Abstand deutlich zu verkürzen.
 
Eingangs der 8-mal zu durchfahrenden Schlussrunde hat das Feld den Vorsprung der Ausreißer auf 2:40 min verkürzt. Noch immer sehen die Fahrer der Spitzengruppe als die sicheren Sieger aus. Doch auf der vorletzten Runde schrumpft der Vorsprung von 1:40 min auf 20 sec. Und 500 m vor dem Ziel wird der letzte der Ausreißer (Marcus Burghardt) gestellt. Das Skil Shimano Team, das durch Martin Reimer in der Fluchtgruppe vertreten war konnte seine Topfahrer wie Roger Kluge, Simon Geschke und Tom Veelers fürs Finale schonen und einen perfekten Sprint für Marcel Kittel anfahren.
Platz 2 belegt der Italiener Giacomo Nizzolo. Nutznießer der ganzen Situation war das Russische Nationalteam welches den Moskauer Bahnspezialisten Alexey Markov aufs Podest fährt.
Ein absolutes Top Ergebnis mit Platz 4 gelang dem U23 Fahrer Rüdiger Selig, der fürs Nationalteam Deutschland an den Start gegangen ist. Er fährt für die RG Jenatec und hat hier in Berlin den Profis klar den Schneid abgekauft.

Das LKT Team Brandenburg fuhr mit Henning Bommel auf Platz 7 und Nikias Arndt auf Platz 12. Damit sind die selbstgestellten Zielvorgaben erfüllt worden. Leider heben sie den Sprung in die Fluchtgruppe verpasst und mussten dadurch einen Großteil der Nachführarbeit im Feld leisten. Dadurch fehlten natürlich in der Endkampffase die wichtigsten Leute, die sich vorher schon aufgerieben haben.
Alles in Allem war es für das LKT Team, wie auch für das Nationalteam Deutschland, welches vorrangig mit Berliner Fahrern unter der Führung von Dieter Stein bestückt war, ein hervorragendes Ergebnis.

> zur turus.net-Fotostrecke: Radsport / ProRace Berlin 2011

Aktuelle Videos - angefertigt von Arne Mill und Marco Bertram:

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27 Mai 2011 13:17 #16515 von Jörg
Saubere Arbeit! Besten Dank! VG Jörg
09 Jul 2011 09:50 #16695 von Steffen Pr.
Ich finde es wunderbar, daß der Profiradsport endlich wieder in Berlin hast. Die Tradition Rund um Berlin ist so lang, da wurde schon Generationen vor uns mächtig was geleistet. Ich fand es dieses Jahr phantastisch. Gruß Steffen Pr.