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Zerbricht das belgische Konstrukt?

15 Jun 2010 17:26 #14597 von Marco
Zerbricht das belgische Konstrukt? wurde erstellt von Marco
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Sind wir doch mal ehrlich. Hätte die belgische Hauptstadt Brüssel nicht so eine extrem wichtige Bedeutung in der Europäischen Union, wäre Belgien bereits längst zerbrochen. Der 30.528 qkm große Staat ist seit 1830 unabhängig und seit der Verfassungsgebung 1831 eine parlamentarische Monarchie. Seit jeher gibt es zwischen dem flämischen Norden und dem wallonischen Süden einen Konflikt, der sich nicht allein um die Sprachhoheit dreht. Die Interessen der beiden großen Bevölkerungsgruppen sind einfach zu gegensätzlich. Besonders in Flandern gab und gibt es immer wieder Bestrebungen, unabhängig zu werden.[/quote]





Zuletzt bei der belgischen Parlamentswahl wurde dies wieder einmal deutlich. Die nationalistische Neu-Flämische Allianz (NVA) ist mit 27 Sitzen die stärkste Kraft im Parlament. Fast 30 Prozent fuhr die NVA in Flandern ein. Im französischsprachigen Wallonien wurden die Sozialisten die stärkste Partei.[/quote]

Wie nach der Wahl zuvor werden es wieder schwierige, zähe Regierungsverhandlungen. Wann die neu gebildete Regierung die Amtsgeschäfte übernehmen wird, steht noch in den Sternen. Bis dahin bleibt der bisherige Premier Yves Leterme im Amt. [/quote]
Rund 60 Prozent der belgischen Bevölkerung sind den Flamen zugehörig, die Wallonen und die französischsprachigen Bewohner der Region Brüssel-Hauptstadt und ihres Umlandes umfassen etwa 40 Prozent der Einwohner des Landes. Somit stehen den Flamen 88 der insgesamt 150 Sitze in der Abgeordnetenkammer zu. [/quote]

Das heutige Belgien war zu römischen Zeiten die Provinz Belgica, im frühen Mittelalter gehörte die Region zum fränkischen Reich. Später gehörten große Teile Flanderns politisch zum Haus Burgund, anschließend wurde das Gebiet vom spanischen Zweig der Habsburger regiert. Nachdem der österreichische Zweig der Habsburger die Macht übernommen hatten, annektierten die Franzosen im Jahre 1794 das heutige Belgien. 1815 wurde auf dem Wiener Kongress Belgien den Niederlanden zugesprochen.[/quote]
1830 erhob sich die überwiegend katholische Bevölkerung der südlichen Provinzen gegen die Vorherrschaft der mehrheitlich protestantischen Nordprovinzen des Vereinigten Königreichs der Niederlande. In Folge der belgischen Revolution wurde Belgien unabhängig.[/quote]

Bereits seit dem 19. Jahrhundert schwelt der flämisch-wallonische Konflikt. Zugespitzt hatte sich der Konflikt nach 1945. Insgesamt fünf Staatsformen durchlebte Belgien seit Ende der 60er Jahre. Die politischen Parteien wurden in französischsprachige und niederländischsprachige Abteilungen getrennt. Die Sprachgrenze wurde von einer Kommission im Jahre 1962 festgestellt und festgelegt. [/quote]
Brüssel samt Umland gehört keinem der beiden Gliedstaaten an, sondern bildet als Region Brüssel-Hauptstadt eine selbständige Region. Geographisch liegt Brüssel in Flandern, jedoch sprechen 80 Prozent der Einwohner Brüssels Französisch.[/quote]

Besonders kritisch ist die Situation in den Ortschaften, die direkt an der Grenze zwischen Flandern und Wallonien liegen. Manche Gemeinden sind sehr umstritten, so zum Beispiel Voeren (Foron), das in einer Exklave der flämischen Provinz Limburg liegt. Weitere kritische Fälle sind unter anderem Comines-Warneton (Komen-Waasten), Mouscron (Moeskroen), Malmédy (Malmund) und Flobecq (Vloesberg).[/quote]
Diese Ortschaften werden Fazilitäten-Gemeinden genannt. In den "Gemeinden mit Spracherleichterungen" wird neben der amtlichen Sprache die jeweils andere Sprache in öffentlichen Einrichtungen angeboten. Allerdings beschloss 2006 die Flämische Regierung alle noch offiziellen französischen Gemeinde- und Ortsnamen in Flandern abzuschaffen.[/quote]
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Egal, wie man es dreht. Zu einer vernünftigen Lösung für beide Seiten wird es wohl nie kommen. Selbst im Fall einer Autonomie Flanderns wird es in den Grenzortschaften immer wieder zu Streitigkeiten kommen - vom Sonderfall Brüssel ganz zu schweigen... [/quote]

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15 Jun 2010 17:26 #14598 von M. Pfeifer
M. Pfeifer antwortete auf Zerbricht das belgische Konstrukt?
Nein, eine Teilung wird es nicht geben - mehr Autonomie dagegen schon.
Was die gemeinsame belgische Regierung angeht - diese Eierei wird immer schlimmer werden.
VG M. Pfeifer

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15 Jun 2010 18:10 #14599 von Wolf Schroeder
Wolf Schroeder antwortete auf Zerbricht das belgische Konstrukt?
Es ist manchmal erstaunlich wie unterschiedlich sich manche Städte in der gleichen Region sich entwickeln, je nachdem zu welcher politischen Einheit sie gehören. Z.B. sind das flämische Hasselt und niederländische Maastricht gepflegte und sehr wohlhabende Städte, während das Wallonische Lüttich und unser NRW Aachen total schmuddelig und kaputt wirken.

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16 Jun 2010 12:06 #14620 von Eckhard Struck
Eckhard Struck antwortete auf Zerbricht das belgische Konstrukt?
Ist Belgien ein Spezialfall oder zeigt er genau das, was mit Europa im Ganzen los ist? Warum ethnische Konflikte in einem Staat mit schon über 100 jähriger Tradition? Sollte der Staatsgedanke als Nationalgedanke nicht den Nationalgedanken als Volks- und Stammeszugehörigkeit dominieren? Wo bleibt die Aufklärung? Bleibt sie auf der Strecke, dann gute Nacht Europa

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27 Jun 2010 14:34 #14767 von G. Klauhs
G. Klauhs antwortete auf Zerbricht das belgische Konstrukt?
Wenn die europäische Union bestehen will, muss sie die Teilung Belgiens verhindern. Neue innereuropäische Grenzveränderungen aufgrund ethnischer Uneinigkeit erscheinen grotesk. Das Gleichgewicht der Machtkonstellationen in Europa würde sich zwar nur leicht verändern, kann aber längerfristig nicht genau eingeschätzt werden. Das Zusammenwachsen Europas würde sich weiter in die Länge ziehen.

G.K.

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