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Insider-Blick ins Schweizer Chaos: Steuerflucht, Steuerfahndung und UBS

27 Jul 2010 14:57 #15082 von kalleman
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Unser Autor "kalleman" bietet, nach seinen stark frequentierten Essays über das Thema Steuerhinterziehung und Bankgeheimnis im Februar und April, an dieser Stelle wieder einen tiefen Einblick in die nicht enden wollenden Posse rund um die Schlagwörter "Steuerflucht, Steuerfahndung und UBS". Grund ist auch ein aktueller: Der deutsche Staat greift wieder durch. Ins Visier hat die Steuerfahndung Kunden und Kundenberater der Bank Credit Suisse genommen und somit zeigt dieser Artikel vor allem den seltsamen Umgang der Schweizer Justiz mit den Banken und vor allem das Ende des Bankgeheimnisses.





Die Deutsche Justiz durchsucht derzeit wieder Wohnungen, Büros, Geschäfte, Bankfilialen. Im Visier sind diesmal Kunden der Bank Credit Suisse, welche der Steuerflucht verdächtigt werden. Offiziell ist der Auslöser der Durchsuchungen eine geklaute Daten-CD. Ob diese CD aber tatsächlich existiert, ist fraglich. Es dürfte sich in erster Linie um einen Warnschuss gegen die Credit Suisse handeln. Im Falle der Schweizer Grossbank gehen deutsche Experten davon aus, dass 88 Prozent aller deutschen Kundengelder, welche auf Konten der Credit Suisse liegen, Fluchtgelder sind. Diese Zahl kann für absolut realistisch angenommen werden. So haben die meisten ausländischen und einheimischen Banken nur aus einem Grund eine Filiale am Zürcher Paradeplatz.

Und die Schweizer? Der Zorn des einfachen Mannes auf die Geldinstitute ist nicht nur im Ausland gross. Man sollte sich von der Haltung der offiziellen Schweiz nicht blenden lassen. Die meisten Schweizer haben gar keine Freude daran, dass das Alpenland Steuerflucht schützt. Tiefsteuersätze für Reiche, Pauschalbesteuerung, üppige Bankerlöhne, Sonderzonen für Reiche, damit kann der einfache Eidgenosse, der durchaus einen sehr ausgeprägten Gerechtigkeit besitzt, nichts anfangen. Die Banken, einst der Stolz des Alpenlandes, mutieren zum Hassobjekt, denn sie können sich alles erlauben, für sie werden sogar Gesetze geändert. Gemäss Verfassung ist das Volk der Souverän, das Sagen haben aber die Grossbanken.

Gespräch mit einem Banker
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Ich sitze in einem der sündhaft teuren Pubs in der Nähe des Paradeplatzes, also mitten im Herzen des Bankenviertels. Hier bin ich mit einem Banker verabredet, er verspätet sich. Ich kann mir das Bier hier in diesem Pub eigentlich gar nicht leisten, das Preis-Leistungsverhältnis – inklusive die für Zürich typische, unsäglich arrogante Bedienung - erinnert mich stark an das Lohn-Leistungsverhältnis bei den Bankmanagern. Bei mir, ohne Anzug, Hemd und Krawatte dasitzend, will die zickige und konsequent englisch sprechende Kellnerin auch gleich mal einkassieren, während mein Kollege seine Rechnung am Schluss begleichen darf. Ihm ist es wichtig, uns hier zu Vergnügen, in der Nähe des Paradeplatzes. Ein Banker zeigt gerne, dass er sich die teuren Kneipen leisten kann.

Im gewissen Sinne ist mein Kumpel ein typischer Vertreter seiner Zunft. Was er mit vielen Bankern gemein hat, ist der Wunsch, schnell viel Geld zu verdienen. Viele junge Menschen studieren Ökonomie mit dem Ziel, bei einer Bank anzuheuern. Wegen der Wirtschaftskrise haben viele Leute den Job verloren, Kurzarbeit oder sonstige Lohneinbussen in Kauf nehmen müssen, der Staat muss sparen. Banken und Banker bleiben davon aber weitgehend unbehelligt. Die ohnehin hohen Bankerlöhne steigen Jahr um Jahr, auch bei der UBS.

Wie viele, die auf einer Bank arbeiten, macht meinem Kollegen seine Arbeit nur mässig Spass. Ihm geht es um den Lohnzettel am Ende des Monats, dafür arbeitet er. Sein Lohn reicht dennoch nirgends hin. Eine Yacht am Zürichsee, den spontanen Segeltörn in Kroatien oder Thailand, Wochenendtrip in New York, die Ferien im Fünfsternehotel in St. Moritz und natürlich die allabendlichen Zechtouren durch die unverschämt teuren Kneipen am Paradeplatz.
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Die Reputation der Banker hat gelitten. Galten sie früher als Säule der Nation, als Inbegriff der Seriosität, so sind sie heute als skrupellose Banditen verschrien. Doch all dies scheint den Bankern weniger zuzusetzen als die Furcht vor weniger Lohn. Denn seit der entfesselten Debatte über das Schwarzgeld zittern sie. Ohne Schwarzgeld, glauben sie, werden sie weniger Geld verdienen können. Sie haben sich an ihr flottes Leben gewöhnt und wollen sich auf keinen Fall einschränken müssen. Eine Lohneinbusse würden sie als Rückstufung empfinden, als Demütigung.

Natürlich sind, wie sich auch mein Kollege empört, die Medien am schlechten Ruf der Banken schuld. Jahrzehntelang hatten die Banken den eidgenössischen Blätterwald fest im Griff. Ihr Sprachrohr ist die renommierte Neue Zürcher Zeitung. Kritische Artikel über Banken sind hier nicht zu lesen. Ohne das Geld der Banken hätten nicht nur manche Parteien ein grosses Problem, sondern auch die NZZ. Die Banken sind sich Kritik nicht gewohnt, dementsprechend geharnischt reagieren sie.

Beim Thema Bonus hört die Freundschaft auf. Die Banker beharren kompromisslos auf ihren Bonus, sie wollen ihn um jeden Preis. Hier versteht die Finanzindustrie keinen Spass. Mein Kumpel hat mir damals, als seine Bank am Abgrund stand, gesagt, dass er kündigen würde, falls die Chefetage auf die Idee kommen sollte, seinen Bonus zusammenzustreichen. Das geht mir überhaupt nicht in den Kopf. Er verdient prächtig, er bräuchte den Bonus gar nicht. Wenn die Bank keinen Gewinn macht, dann kann es doch auch keinen Bonus geben. Aber das sieht er anders. Er findet, er hat den Bonus verdient. Bonus ist irgendwie ein ungeschriebenes Gesetz. Banker ohne Bonus, dass ist wie wenn man einem Raser das Auto wegnehmen würde

Zum Abschluss unseres Gespräches frage ich meinen Kollegen, warum die Banken die Kunden nicht einfach verpflichten, eine Bestätigung zu unterschreiben, dass das Geld ordentlich versteuert ist. Wenn nun eine Steuerbehörde verdacht hegt, kann die Bank ohne Bedenken Auskunft geben. Aber das wäre ja das Ende des Schwarzgeldes, entgegnet entsetzt mein Kollege und ertappt sich dabei selber. Die Banken wollen auf jeden Fall das Schwarzgeld behalten, weil sich damit ohne viel Arbeit extrem viel Geld verdienen lässt.

Die UBS-Posse
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Die USA kamen dahinter, dass die UBS gegen US-Recht verstossen hatte, indem sie das Geld von US-Millionären auf abenteuerlichen Wegen am Fiskus vorbei in die Schweiz schmuggelte. Erst einmal in der Schweiz, war das Vermögen dank dem Bankgeheimnis vor der US-Steuerbehörde sicher. Die USA verlangten nun die Herausgabe der Daten von der Steuerflucht verdächtigten US-Bürger. Das kann die Bank aber nicht, denn das Bankgeheimnis erlaubt keinen Datenaustausch. Der normale Bürger denkt nun, dass dies ein Problem der UBS ist. Aber weit gefehlt! Die Schweiz hielt für die UBS den Kopf hin. Sie lieferte die Daten den USA aus, mit der Begründung, die USA werden sonst die UBS wegen Steuerbetrugs verklagen. Ein langwieriger Gerichtsstreit – so der Tenor – würde die Bank nicht überleben. Ein jetzt vorliegender Bericht macht klar, dass dies nicht stimmt. Einen Zusammenbruch der UBS hätten die USA niemals riskiert, denn dies hätte das globale Finanzsystem zu stark erschüttert. Die USA dagegen wollten die Chefetage vor den Kadi ziehen. Dies erkannte die UBS-Spitze und machte in den USA Stimmung gegen die Eidgenossenschaft. Das Problem UBS-USA sollte auf die Stufe Schweiz - USA gehoben werden. Die Politik spielte mit und die Eidgenossenschaft lieferte die Daten aus  und brach dafür zweimal geltendes Recht. Dazu wurde durch eine nachträgliche Gesetzesänderung der zweimalige Rechtsbruch nachträglich legalisiert. Das Bankgeheimnis wurde geopfert um das kriminelle Handeln der UBS-Chefs zu decken.

Wenig überraschend ist es, dass das ganz grosse politische Schlammassel Bundesrat Merz, einem ehemaligen UBS-Angestellten zuzuschreiben ist. Der Handlanger der Finanzindustrie hat sich als gänzlich unfähig erwiesen. Jüngst fiel er dieser seltsame Magistrat auf, als er an einem Finanzgipfel in Kanada sämtliche Massnahmen gegen zukünftige Finanzkrisen mit der Begründung ablehnte, dass sie zu spät kämen und nun nicht mehr nötig seien. Zudem hätte die Schweiz die Krise gut überstanden. Er scheint den UBS-Crash immer noch nicht wahrgenommen zu haben. In Wirklichkeit ist die Schweiz vorerst nur haarscharf an einem „Island-Szenario“ vorbeigekommen. Nur die weise Voraussicht der Nationalbank hat das Alpenland gerettet. Die Nationalbank verlangt als Folge einschneidende Massnahmen gegen die Banken und zog sich dadurch den Hass der Finanzindustrie zu. Und mit dem erwähnten Untersuchungsbericht findet die Politik, sei das Thema UBS abgeschlossen. Weitere Untersuchungen, Sanktionen, Strafanzeigen hält sie für unnötig. Dabei schreit der Bericht und das Volk förmlich nach einer vertiefenden Untersuchung mit anschliessendem Strafprozess.

Die deutsche Steuerfahndung

In der Schweiz können reiche Ausländer vom Gesetz der Pauschalbesteuerung profitieren. Dieses Gesetz ist sehr umstritten. In zahlreichen Kantonen sind Volksbegehren hängig, die diesen Artikel streichen wollen. Das Stimmvolk des Kantons Zürich hat die Pauschalbesteuerung zum Schrecken der bürgerlichen Politiker und Banken mittels einer Volksinitiative abgeschafft. Die Pauschalbesteuerung ermöglicht es Gemeinden den Verfassungsgrundsatz der Steuergerechtigkeit ausser Kraft setzen und Superreichen einen pauschalen Steuerbetrag auszuhandeln, der weit unter dem eigentlich zu erhebenden Steuersatz angesetzt wird. Dieses Gesetz darf aber nur bei Ausländern angewendet werden, die in der Schweiz ihren Lebensmittelpunkt haben und keiner Tätigkeit nachgehen. Unlängst wurden zahlreiche Fälle bekannt, bei denen Ausländer, welche von der Pauschalbesteuerung profitieren, trotzdem arbeiten oder in der Schweiz lediglich ein Scheindomizil bezogen haben, aber weiterhin in Deutschland leben. Wer hinter diesem Trick steckt, liegt auf der Hand: die Banken. Diese gewähren ihren wohlhabenden Kunden solche „Steueroptimierungen“ während parallel die Schweizer Justiz wegsieht.

Die Credit Suisse nutzt nun das EU-Personenfreizügigkeitsabkommen und die Pauschalbesteuerung, um das "Schwarzgeld" auf ihren Konten halten zu können. Sie legt ihren deutschen Kunden nahe, in die Schweiz umzuziehen. Hier können sie von den Vorteilen der Pauschalbesteuerung profitieren und hier sind sie vor dem Zugriff der deutschen Steuerbehörde sicher. So kann sich ein Credit Suisse Kunde in irgendeinem kleinen Bergdorf in Graubünden niederlassen und dort Steuern bezahlen. Er kann sich sicher sein, dass es das Bergdorf überhaupt nicht stört, wenn er sich dort nie zeigt – obwohl er somit eigentlich nicht von den Vorzügen der Pauschalbesteuerung profitieren dürfte. Zwielicht mag manch einer denken. Aber das Geschäft wird nicht in verrauchten Hinterzimmern vollzogen, sondern ganz in der Öffentlichkeit. Die CS hat sogar eine Broschüre ausliegen, die entsprechende Tätigkeiten beschreibt. Kein Wunder also das Deutschland grollt.

Der kleine Mann steht dem Tun der Banken machtlos gegenüber. Die Politik schiebt für die Banken unbequeme Volksinitiativen auf die endlos lange Bank und verhindert so die Volksabstimmung, gleichzeitig fürchtet sie sich grausam vor den nationalen Wahlen 2011. Den bankennahen Parteien werden furchtbare Verluste vorausgesagt und davor graut es ihnen – was aber offenbar kein ausreichender Grund ist, mit den Banken zu brechen. Die sonst so auf Harmonie bedachte Schweizer Politiklandschaft gleicht mittlerweile einer Schlammschlacht, eine Indiskretion jagt die andere. So versuchen beispielsweise bürgerliche und banknahe Parteien mit allen Mitteln ihren politischen Gegnern zu schaden. Der Wahlkampf für die Erneuerungswahlen im November 2011 hat längst begonnen und wird zu einem der schmutzigsten in der Geschichte der Schweiz werden. SVP, FDP und CVP haben sich derart tief für die Interessen Banken hineingekniet, sie sind stark angeschlagen.

> April Artikel: Bankgeheimniss und Bonuszahlungen

> Februar Artikel: Schweiz in Geiselhaft

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27 Jul 2010 14:57 #15083 von zwaky
ich verstehe nicht, warum Richter nicht in der Lage sind, gegen die Machenschaften der Bänker vorzugehen. Es liegt doch eindeutig auf der Hand, dass die bezogenen Boni nichts mit der Leistung zu tun hat. dies ist doch vom Volksvermögen gestohlenes Geld. wenn ich den Dougen oder den Ospel, Grübel, oder jetzt leider auch den Villiger anschaue, dann ist die doch ein Gaunerhaufen, der nur in die eigene Tasche wirtschaftet. Es wäre dringend notwendig, dass die Banken, welche der Steuerzahler unterstützt, dass diese auch verstaatlicht würden, bzw. der Gewinn aus dem Aktienkapital der Bevölkerung zugute kommt. Es wäre höchste Zwit, dass die Damen und Herren in Bern aufwachen. Doch ich habe das Gefühl, dass diese bereits mit gekauft sind, um den Schwindel mit zu unterstützen

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27 Jul 2010 15:55 #15084 von Rodolfo
Wieder ein richtig, richtig guter Beitrag vom Schweizer Autor!
Vielen Dank für diesen tollen Text bei turus!
VG Rodolfo

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27 Jul 2010 16:24 #15085 von Petra
danke für den inneren Einblick. Hier jriegt man davon ja nix mit. Ihr seid in der Schweiz ganz schön arm dran. Habt ihr keine Presse die meutert?

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27 Jul 2010 17:29 #15086 von grollig
banken sind doch überall genauso. egal, ob in den usa, in deutschland oder eben in der schweiz...

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