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Kotzgrenze und Unterhaltung in der Berliner U-Bahn

26 Mai 2011 14:21 #16498 von Marco
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Ja, als Berliner ist man schon ziemlich schmerzfrei. Keine Frage, man drückt jeden Tag beide Augen zu, wenn es in der Stadt hier und dort mal hakt. Probleme im Nahverkehr? Verstopfte Straßen? Freche Radfahrer? Motzende Passanten? Hundekacke am Schuh? Alles nicht erfreulich, doch letztendlich nimmt man es mit Humor. Was soll man sonst auch tun? Die Qual der Wahl? Raus auf´s Land? Ab in den Speckgürtel in ein 0815-Einfamilienhaus mit 450 Quadratmeter Rasen-Parzelle? Oder doch hier im Berliner Moloch bleiben mit all seinen Unsitten und Kuriositäten. Wie gesagt, man ist schmerzfrei, doch gestern war es selbst mir zu viel.





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Tatort: Die U-Bahnlinie 8. Neben der U7 sowieso eine Sache für sich. Die zentralen Abschnitte beider Linien kosten Nerven. Besser man hat ein Buch dabei oder spielt auf dem Handy ein Spielchen und beachtet somit das Szenario nicht. Kann es sein, dass es mit der Stadt immer weiter bergab geht? Nimmt man die Leute im öffentlichen Nahverkehr als Maßstab, könnte man ganz fix zu dieser Annahme kommen.
In Gedanken versunken steige ich am Alexanderplatz in die U8. Plötzlich die Ansage: Bernauer Straße. Raus aus den Gedanken, zurück zur Realität. Mist, doch tatsächlich in die falsche Richtung gefahren. Das passiert vielleicht alle zehn Jahre einmal. Alles wieder zurück und weiter bis zum Hermannplatz. Eine hübsche Strecke mit allem Drum und Dran. Die Linie der Berliner Armut – vorbei am Kottbusser Tor. Berufsverkehr, also exakt der richtige Zeitpunkt für Bettler und Straßenzeitungsverkäufer. Während der vielleicht 15 Minuten langen Fahrt wurde anscheinend ein Rekord aufgestellt. Die Geldsammler gingen ein und aus, beziehungsweise in der U-Bahn auf und ab.

Ein Mann um die 70 mit krummen Rücken und weißen Haaren sorgte für Erheiterung, in dem er ein paar Gedichte aufsagte. Beißende Hunde, die Kartoffeln schälen sollen. Zudem das Blöde am Alter: Alle Glieder werden steif – nur das eine nicht. Der jungen Frau gegenüber huschte ein Lächeln über die Lippen. Okay, mir auch. Kleingeld gab es trotzdem von niemanden. Noch zwei Bettler mit verfilzten Hunden und ein Motz-Verkäufer. Hinter der Jannowitzbrücke dann das Desaster. Der stechende Geruch eilte dem humpelnden Mann voraus.
„Hat jemand Kleingeld? Bitte, bitte, bitte! Ich brauche eine Wickelbinde für mein offenes Bein! Ich muss zur Apotheke eine Binde kaufen! Bitte, bitte, bitte!“
Was für ein entsetzlicher Anblick, was für ein noch entsetzlicherer Gestank. Selbst hartgesottene BVG-Nutzer senkten die Blicke, kniffen die Augen zu und wurden sichtbar blass. Drei, vier Leute suchten sogleich das Weite. Ab zur Bahnhofsmission mit diesem Mann, doch niemand würde die Kraft finden, ihn dorthin zu begleiten.

Das grundsätzliche Problem am Berliner Nahverkehr: Fehlendes Bahnsteigpersonal. Volle Züge. Es bereitet gewiss keine Freude mit S- und U-Bahn zu fahren. Zunehmend wirken Bahnhöfe und Bahnen verwahrloster – wenn gleich vielerorts saniert und umgebaut wird. Was nutzen aufgepeppte Bahnhöfe und neue Waggons, wenn´s menschlich und gesellschaftlich abwärts geht? Bei all der Problematik – solch ein Desaster würde man zum Beispiel in der Metro von Rio de Janeiro nicht erleben. Die brasilianische Millionenmetropole hat gewiss einen ganzen Berg voll Probleme, doch eine Fahrt mit der U-Bahn ist dort eine Entspannung. Die U-Bahn als Ort der Sicherheit – in Berlin scheint das genau andersherum zu sein. Etwaige Nachtfahrten mit der U7 möchte ich hier an dieser Stelle erst gar nicht ansprechen...

(Foto unten: Station Central in Rio de Janeiro)

> zur turus-Fotostrecke: Berliner Alltag

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26 Mai 2011 14:21 #16499 von sabine
na pfui. wie ekelig. wenn möglich fahre ich mit dem rad und kämpfe mit den blinden rechtsabbiegern. lg sabine

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26 Mai 2011 14:30 #16503 von Mike
Hallo!
Ich weiß nicht ob ich Berlin lieben oder hassen soll. Es verhält sich wie in einer reibungsvollen Beziehungen. Liebe und Hass liegen dicht bei dicht. Fuck Stadt, ick liebe Dir!
Gruß Mike

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