Wie habt Ihr den 9. November erlebt?

Hallo liebe Forum-Leute,

kurz & knackig mal eine Frage in die Runde:
Wie habt Ihr denn den 9. November 1989 erlebt?
Was habt Ihr gemacht? Eure Erlebnisse?

Und gibt es Leute hier, die sogar den 9. November 1938 erlebt haben?


Ich bin gespannt auf Eure Schilderungen.

Frank

Auch wenn Buhli es nicht glauben wird: Ich habe mich gefreut, mir eine Zigarre angesteckt, mir nen Cognac eingeschenkt und mich zufrieden zurückgelehnt...

H.F.

Hanni das nehme ich Dir ungesehen ab. :wink: Es ist ja auch noch ein Stück Platz zum annähern. Haben sicher wir beide noch ein Stück Weg vor uns. Was erzähl ich fürn Scheiß? Ich doch nicht. :wink:
Bin Jahrgang 61. Unsere Bautruppe hatte 2.Schicht. Irgend wann nach der Pause rief der Kranfahrer von seinem "Trohn": "Die haben in Berlin die Mauer geöffnet." Na ja und? War unsere Reaktion. Das hat natürlich keiner für voll genommen, da das ein Typ ist, der auch immer mal seine Späschen macht. Nachdem es allerdings alle halben Stunden von da oben runterkrakehlte, wurden wir doch etwas hellhörig. Nur einordnen konnte das noch niemand so richtig. Ich bin dann natürlich erst mal heimgefahren. Ich wohnte damals in DD-Gittersee. Da war es auch möglich Westmedien zu empfangen. Zwar auch etwas Wetterabhängig, aber doch relativ stabil. An diesem Tag haben sämtliche Wettergötter mit gespielt. Ein Glasklarer Empfang von allen Sendern die bis dahin in Westberlin on air waren. Auch der 100,6, der mit der schwächsten Sendeleistung stand genau so auf der Anzeigenskala, wie sonst DT64. Mir standen bei den Reportagen Tränen in den Augen, als der Reporter von einem planebedachten Behindertenfahrzeug, was sich da durch die Massen schob, sprach.(Simson-Duo) Nur so richtig ernst nehmen ging noch nicht. Es war ja weit weg. Als ich jedoch am nächsten Mittag wieder zur Schicht fuhr, kam es auch bei mir an. Die Meldestelle am Fritz-Förster-Platz war voller Menschen. Da lief mir ein richtig kalter Schauer über den Rücken. Ihr könnt sicher sein das es nicht am kalten Wetter lag. Bei diesen Bildern geht es mir auch heute noch so. Am extremsten sind meine Augen "belastet", wenn ich den Genscher auf dem Balkon in der Prager Botschaft höre. Drei Wochen später bin ich dann mit meiner Schwester und meiner 5 jährigen Nichte mit dem Zug nach Nürnberg gefahren. Das war ein Abenteuer. Als die kleine auf die Toilette mußte, wurde sie durch den Waggon gereicht, ohne einen Fuß auf den Boden zu bekommen. Das gleiche natürlich auch zurück. Auf der Toi waren während der Fahrt ständig drei Leute, die sich auf dem "Sitzplatz" abgewechselt haben sollen. Das schönste war dann, als der Zug zu den "Passkontrollen" in Gutenfürst anhielt. Alles was stehen konnte und einen noch so kleinen Druck auf der Blase spürte, schiffte den dortigen Grenzzaun an. Das war ein "Abgang" im doppelten Sinne. Die Freude war gigantisch. Ab Hof waren wir dann fast allein im Zug. Wie war das denn möglich?

Buhli schrieb: Alles was stehen konnte und einen noch so kleinen Druck auf der Blase spürte, schiffte den dortigen Grenzzaun an. Das war ein "Abgang" im doppelten Sinne. Die Freude war gigantisch. Ab Hof waren wir dann fast allein im Zug. Wie war das denn möglich?

Naja, ein Szenario, dass es wohl bei jeder Fußballauswärtsfahrt zu sehen gibt. Ganz besonders, wenn die Dynamos auf Touren sind... :wink:
Im Ernst: Das war echt ein starkes Stück Geschichte. Und hast du damals bereits böse Vorahnungen gehabt, wegen der "feindlichen Übernahme"? Manchen Kaderleuten wurde es ja schlagartig warm und feucht um die Krawatte...

H.F.

Ja, diese böse Vorahnung hatte ich. Einem ganz überzeugten Genossen sagte ich noch mitte 89, daß das, was die SED Führung verzapft hat, erst bei einem Regierungswechsel zu Tage treten wird. Was ja damals schon bei jedem Regierungswechsel zu beobachten war. Egal in welchem Land. Der bekam sich fast nicht mehr ein. "Was soll denn verzapft worden sein?" war seine Reaktion. Ich konnte dem damals zwar noch nichts konkretes darauf antworten, aber die Antwort kam ja mit Beginn der "Ungarnurlauber". Für den brach dann auch eine Welt zusammen. Der steht jedoch noch heute zu den Fehlern der SED. Hut ab vor diesem Mann.
Was dann später für Fehler während des Einigungsprozesses liefen, und teilweise noch heute laufen, schreibe ich auch einem großen Teil Unerfahrenheit und zu viel Euphorie zu. Auf beiden Seiten. Man konnte damals nicht aus irgend welchen Geschichtsbüchern dieser Welt Erfahrungen erlesen. Wir Deutschen waren die ersten. Hoffentlich machen es die Koreaner besser. Die sind sicher die nächsten Vereiniger. Wann auch immer.
Karussell hat da einen schönen Satz im Song "Marie (die Mauer fällt)" Die mit den Träumen und die mit dem Geld, die finden sich früh oder später. Wir sind doch feste dabei, die Bundesrepublik zu übernehmen. :wink: Wir machen das nur leise. Hat doch am 3.10. 1990 schon angefangen.

Buhli schrieb: Wir sind doch feste dabei, die Bundesrepublik zu übernehmen. :wink: Wir machen das nur leise. Hat doch am 3.10. 1990 schon angefangen.

Wer ist denn "Wir"?
Wer soll wen übernehmen?
WIR sind doch jetzt die Bundesrepublik.
Die jetzige Bundesrepublik gleicht doch auch nicht mehr der Bonner Republik aus den 80er Jahren.
Genauso wie Großbritannien auch nicht mehr das der 80er Jahre ist. Und Frankreich, und, und...
Ohne jeglich Wiedervereinigungen.
Überall gibt es Veränderungen. Schwer in Deutschland zu sagen, was ein eventueller Einfluss der ehemaligen DDRler ist.

H.F.

Jawohl Herr Staatsbürgerkundelehrer.