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der kubanische Alltag in Havanna - ein Interview

19 Apr 2009 17:54 - 06 Sep 2011 07:13 #10713 von Marco

der kubanische Alltag in Havanna - ein Interview

Mark Bauch
– Autor und Künstler aus Berlin – beschäftigt sich seit Jahren mit der kubanischen Santería und dem brasilianischen Candomblé.
Im Frühjahr 2009 war er vor Ort in der kubanischen Hauptstadt Havanna, um dort gemeinsam mit Kubanern zu wohnen und den Alltag kennenzulernen.
Das Turus Magazin führte in Berlin ein Interview mit Mark Bauch.


Turus: Mark, wo genau und wie lange warst du auf Kuba?

Mark B.: Es waren etwas mehr als zwei Wochen. Die meiste Zeit verbrachte ich in La Habana, ein paar Tage aber auch außerhalb der Stadt in einem pueblo.

Turus: In welchem Stadtteil genau?

Mark B.: Der barrio, in dem wir gewohnt haben, lag südlich von der Altstadt. Ungefähr eine halbe Stunde mit dem Auto. Eine dreiviertel Stunde mit dem Bus. Es müsste der Stadtteil Miraflores gewesen sein. Es ist schwierig, sich dort in den barrios zu orientieren. Es gibt keine Schilder, die Straßen sind durchnummeriert. Glücklicherweise war ich mit Einheimischen unterwegs ...

Turus: Wie war dein allererster Eindruck bei der Ankunft in Havanna?

Mark B.: Da waren die Exilkubaner im Flugzeug. Kurz vor der Landung haben sie gelacht und geklatscht. Man spürte die Freude, in wenigen Augenblicken wieder auf kubanischem Boden zu sein.

Turus: Und nach der Landung?

Mark B.: Es wirkte alles so unwirklich. Was am Anfang hängen blieb, war der karge rötliche Boden. Und die Palmen. Auf der Taxifahrt bemerkte ich gleich diesen Spiritusgeruch. Sie tanken ja dort nicht nur Benzin, sondern auch ein Alkoholgemisch.

Turus: Gab es bei der Einreise Komplikationen?

Mark B.: Nein, gar keine. Alles verlief völlig reibungslos. In den Barrios fielen mir gleich die verfallenen Gebäude auf. Und die wartenden Leute. Überall warteten Menschengruppen auf etwas. Auf den Bus, bei dem man nie weiß, ob und wann er kommt. Auf ein Taxi. Und und und.

Turus: In was für einer Unterkunft hast du gewohnt?

Mark B.: Es war ein Haus einer Kubanerin. Es hatte 2 Stockwerke und war aufgeteilt. Ein Teil für sie, der andere Teil wurde vermietet. Für 20 kubanische Pesos pro Person.

Turus: 20 kubanische Pesos? Nicht CUC sondern wirklich kubanische Pesos? Das ist nicht viel!

Mark B.: Richtig! Das war nicht viel. Die Unterkunft war wirklich preiswert! Wir hatten in dem Haus zu fünft gewohnt. Unten war ein großer Gemeinschaftsraum mit einer Bank, einem Regal und einem Kühlschrank. Oben befanden sich die Schlafräume.

Turus: Man hört viel von Mangelwirtschaft. Was fehlte deiner Meinung nach am meisten?

Mark B.: Es fehlt teilweise am nötigsten! Klopapier zum Beispiel. Es gibt echt kein Klopapier. Ich hatte ja vorgesorgt und so einige Dinge mitgebracht. Probleme gibt es auch mit dem Wasser. Häufig wird das Leitungswasser abgestellt. Der Strom auch. In den Abendstunden fällt häufig der Strom aus.

Turus: Wie sah ein übliches Essen aus?

Mark B.: Also wer auf Kuba nicht viel Geld, der isst Tag ein Tag aus immer das Gleiche: Reis mit Bohnen. Dazu das Weißmehlfladenbrot, das es auf Lebensmittelkarte gibt. Und auch sonst ist alles sehr spartanisch in den Wohnungen. Ecken sind verschimmelt, Farbe blättert, die Gerätschaften stammen teilweise aus den 60er Jahren. Wer im Ausland keine Freunde oder Verwandte hat, ist echt arm dran. Ohne Freunde und Verwandte im Exil ist es wirklich schwer, über die Runden zu kommen!

Turus: Du sagtest, du warst auch auf dem Land unterwegs?

Mark B.: Ja, wir besuchten mit dem Auto ein Pueblo außerhalb von La Habana. Der Name war Camilo Ciensuega. Oder so ähnlich. In dem Dorf wohnten paar hundert Bauern. Alles war von Landwirtschaft geprägt. Die Häuser waren schlichte Holzhütten mit Lehmboden. Aber überall gab es einen Kühlschrank. Sehr skuril. Denn meist war der Kühlschrank so ziemlich leer...

Turus: Konntest du dich eigentlich völlig frei bewegen oder hattest du das Gefühl, beobachtet zu werden?

Mark B.: Völlig frei! Auf dem Land und auch in dem Barrio in La Habana. Polizei hat man sehr reichlich in der Altstadt gesehen, dort wo die Touristen unterwegs sind. Ansonsten habe ich kaum Polizei gesehen. Bei uns im Stadtteil eigentlich gar keine.

Turus: Spielte Neid eine Rolle?

Mark B.: Wie meinst du das?

Turus: Neid dir gegenüber. Immerhin bist du in den Augen vieler Kubaner ein reicher Europäer.

Mark B.: Neid, nein keinen Neid. Oder kaum. Aber klar, viele fragten mich, ob sie eine Kleinigkeit haben können. Es fehlt einfach an allem! Man spürt, die Kubaner möchten eine Öffnung des Landes. Sie möchten frei reisen, ihr Geld verdienen. Ähnlich wie damals in der DDR. Und eines muss man aber sagen: Die DDR war ein Luxusland im Vergleich zu Kuba.

Turus: Sprechen Kubaner über Politik?

Mark B.: Nein, so gut wie gar nicht. Zum einen haben viele immer noch Angst, etwas falsches zu sagen. Zum anderen sind die meisten echt mit den Problemen des Alltags voll ausgelastet!

Turus: Fiel irgendwann mal das Wort „Fidel Castro“ auf deiner Reise?

Mark B.: Nein, überhaupt nicht. Castro ist nicht mehr präsent. Oder kaum noch. Es ist nicht so, dass die Leute ständig am Radio hängen, um eine neue Verlautbarung Castros zu lauschen.

Turus: Würdest du noch einmal nach Kuba reisen?

Mark B.: Ja, doch ganz bestimmt. Mich haben vor Ort auch einige Sachen sehr genervt, doch insgesamt war es ein toller Aufenthalt!

Turus: Dein Fazit?

Mark B.: Erst hier in Berlin bemerkte ich, dass mich Kuba wirklich nachhaltig beeindruckt hat!

(Das Interview führte M. Bertram, der 2006 selber auf Cuba vor Ort war und eine Dokumentation angefertigt hat.)




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21 Apr 2009 08:36 #10735 von Mark
www.youtube.com/watch?v=7_bVdMbG_xg

www.youtube.com/watch?v=hetZryTO6KA&NR=1

Buena amigos!

Hier einpaar Songs die mich während meiner Reise begleitet habe - der Stil heißt "Cubaton" :o

die Songs wurden rauf und runer gespielt ... in Discolautstärke ... viel Spaß beim hören!

Besos, Mark

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21 Apr 2009 08:39 #10736 von Mark
Havanna II



im roten Staub der Schlaglöcher
Murmel spielende Kinder
die Straße rauscht und dröhnt mit Cubaton:
El Padrino; La Estafa del Babalawo

die Klänge des Tambors getränkt in Spiritusgeruch
zwischen Häuserzeilen und numerierten Gassen

zurückgelassen
brechen sich Wellen an der Promenade des Malacon
Putz bröckelt von der Fassade eines alten Herrenhauses
ein Seufzen geht durch die Stadt

mit dem Gesicht rauchend
zur Sonne
einen Cafezihto in der Hand

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21 Apr 2009 10:22 #10739 von ka

Mark schrieb:
Hier einpaar Songs die mich während meiner Reise begleitet habe - der Stil heißt "Cubaton" :o

die Songs wurden rauf und runer gespielt ... in Discolautstärke ... viel Spaß beim hören!

Besos, Mark


Ja stimmt von dem Musikstil habe ich in der letzten Geo gelesen und mir dann direkt eine CD bestellt :wink: .

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21 Apr 2009 10:49 #10740 von Anonymous
Als Kubakenner (war oftmals in HAV, zuletzt auch viel auf dem einfach Land) möchte ich folgende Kommentare anbringen:

Touristen (mit Visa A1 = "Touristenkarte") ist es untersagt privat, bei nicht lizensierten Vermietern zu wohnen. Sogenannte casas particulares, also lizensierte Vermieter, zahlen monatlich horrende Lizenzgebühren an den Staat und können daher nicht für 20 PMN ("moneda nacional") vermieten, nehmen in der Regel zwischen 15 und 30 CUC (entspricht 360 bis 1'500 PMN). Selbst der Tourist risikiert bei wissentlicher und mutwilliger Einmietung in eine illegale casa (was bei 50 PM wohl klar der Fall sein muss) eine Strafe (ich kenne den Tarif 1'000 CUC plus Landesverweis, sprich Abschiebung). Dem kubanischen Vermieter droht ähnliches - bis zur Wegnahme des Wohnrechtes, sprich Rauswurf aus seinem Haus. Purerer Leichtsinn, sich ilelgal einzumieten und eine Frechheit, darüber dann noch stolz öffentlich in den Medien zu berichten. Auch Ausländer haben die Gesetzte, so strittig diese sein mögen, des Gastlandes zu respektieren.

Klopapier gibt es gerade in HAV in jedem "Shoppy", also Devisengeschäft. Wasser- und Stromausfall können vorkommen, gerade in der Hurrikanzeit, sollten mittlerweile jedoch die Ausnahme sein und sicher nichtmehr täglich, wie früher zur perioda especial, auftreten.

Reis mit Bohnen: Es gibt auch für "einfache" Menschen ohne viel Geld andere, gute und abwechslungsreiche Nahrung. Schwienefleisch kostet auf den Bauernmärkten zwischen 5 und 20 PMN/libra (je nach Verfügbarkeit steigt/fällt der Preis). Das enspricht einen Kilopreis von (bestenfalls) 0.40-0.50 CUC bis (maximal) 1.67 CUC - Mittelwert ca. 1 CUC/kg.

Reis und Bohnen kosten ähnlich - Reis ca. 4-6 PMN/libra, Bohnen bis zu 16 PMN/libra (gute Qualität, "colorados"). Sowohl Schweine- wie auch Hühnerfleisch gibt es nebst Reis und Bohnen auf "libreta" - die staatlichen Lebenmittelmarken. Fakt ist, dass von der "libreta" kein Mensch satt werden kann. Wer sich jedoch Reis und Bohnen kaufen kann, kann sich auch (etwas) Schweine- oder Hühnerfleisch kaufen. Rindfleisch (gegen PMN) hingegen ist illegal, da die landesweite Milchversorgung nicht gesichert ist, nur gegen CUC erhältlich.

Auch erstaunlich: Jemand hält sich zwei Wochen in einem Land auf, tut dies dann via Medien kund, weiss aber nichtmal, wo er war (barrio? Name des pueblos?). Etwas mehr Interesse sollte man, wenn man geschätze 800-1000 EUR für einen FLug hinlegt, dann schon zeigen (oder gleich im AI-Hotel am Pool bleiben).

Ach ja - und Kubaner sprechen sehr wohl über Politik und die Castros - man sollte halt nur etwas spanisch können. Es gibt auf namentlich bekannte "Blogger", die z. B: aus Havanna sehr kritisch und scharf gegen das Regime schreiben, ohne, dass jenen bisher von Stasswegen etwas eingeschränkt worden wäre (zum Glück, und hoffentlich bleibt es auch so).

Der liebe Herr Bauch hat zwar einen Eindruck erhalten, vieleicht 5% mehr als ein Pauschaltourist, dabei aber entscheidende Fehler gemacht, die ihm und seinen ihn begleitenden Einheimischen grosse Probleme hätten einbringen können.

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21 Apr 2009 11:03 #10741 von Anonymous
Informativ zu "Kühlschränken":

In der Regel wird es sich am Land draussen um "Heier"-Kühlkombinationen gehandelt haben.

Der Staat hat 2007/2008 in einem Tauschprogramm (nahezu verpflichtend) alte Kühlgeräte (Stromfresser, auch defekte) gegen neue getauscht (dazu fuhren Lastwagen mit den neuen Geräten von Haus zu Haus, nahmen die alten Ksiten gleich mit) um Strom zu sparen. Die fällige Aufzahlung konnte via Kredit/Ratenzahlung erfolgen.

Sinn machen die Kühlschränke - wenn auch nicht so fies vollgestopft wie bei uns - allemal, da es den Leuten sicher nicht zuzumuten ist, lauwarmes Wasser zu trinken. Die Gefrierkombination ist top, da man so auchmal z. B. Schweinefleisch auf Vorrat einkaufen kann, wenn es billiger ist (oder überhaupt verfügbar). Gerade in einem Land mit beschränkten Lebensmittelresourcen ist es gut, wenn Nahrung nicht verdirbt, länger haltbar gelagert werden kann.

Vielleicht versteht jetzt auch Herr Bauch, wieso in einem einfach Haus mit Lehmboden ein vergleichsweise guter und neuer Kühlschrank steht.......

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22 Apr 2009 09:48 #10749 von Anonymous
20 kubanische Pesos für eine Nacht?
Wohl ein Irrtum, oder nicht?
Ihr meintet CUC, nicht wahr?
Wenn nicht, ist es eine Beleidigung, so wenig zu zahlen.
Interessant wäre zu wissen, was Herr Bauch dort wirklich in La Habana anstellte.
Spionage? Billigen Tourismus?
Man wird nicht ganz schlau, was er dort trieb.
Interessant war das Interview allemal. Es regte zum Überlegen an...

Gruß Robert

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