Hinterland von Brasilien
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bekannt sind ja vor allen Dingen die Küstenregionen und die Amazonasregion.
Spannend ist allerdings auch das Hinterland rings um die Haupstadt Brasilia und die Region Goias.
Zur Einstimmung mal drei Kapitel.
Ein Kapitel über die Fahrt durch Goias, ein Kapitel über einen Besuch einer kleinen Fazenda bei Goiânia und ein Kapitel über die Hauptstadt Brasilia...
Até logo, Marco
Gauchos und Churrasco - Goiás
Zu dritt vorne im Chevrolet sitzend, durchfuhren wir nochmals die Innenstadt Brasilias. Silvestre zeigte uns nicht ohne Stolz den Sitz der brasilianischen Regierung, den Präsidentenpalast und die einzelnen Botschaften der verschiedenen Staaten unserer Erde, die am Stausee verteilt im Grünen lagen.
Er kurvte mit seinem Pick up durch sämtliche Straßen der Gegend, bis er uns die versteckt liegende Botschaft der Bundesrepublik Deutschland zeigen konnte. Meine Freude darüber hielt sich stark in Grenzen. Nach jener Suchaktion fuhr er uns zum außerhalb liegenden Flughafen der Stadt, um uns die Möglichkeit des Lesens einer internationalen Zeitschrift zu geben. Vorsichtig hatte ich zuvor nach dieser Möglichkeit gefragt. Ich wollte die Fußballergebnisse der gerade stattfindenden Europameisterschaft in England erfahren.
Weiter ging es mit dem Chevrolet auf einer Schnellstraße entlang, die nach Goiânia, der Nachbarstadt Brasilias, führte. Zwar liegen beide Großstädte 203 Kilometer auseinander, doch ist diese Entfernung für brasilianische Verhältnisse ein Kinderspiel, wenn man die vielen tausend Kilometer bedenkt, die man durch die Weiten des Landes, das ganze 47 Prozent der Fläche Südamerikas einnimmt, fahren kann.
Die Landschaft blieb die ganze Strecke über ziemlich gleich. Trockene Savanne mit vereinzelten Bäumen und Sträuchern. Die Gegend hügelig in ihrer Beschaffenheit, und der Boden rötlich gefärbt wie die Asche eines Sportplatzes. In mancherlei Gehegen und auf den Weiden des Landes grasten die Rinder, aus denen zum Teil Churrasco gemacht wird. Das von uns durchquerte Gebiet ähnelte dem mittleren Westen der Vereinigten Staaten, und tatsächlich wird dieser Landstrich von den Einheimischen als »Wilder Westen Brasiliens« bezeichnet.
Reiter mit Schlapp- oder Cowboyhut, die das Vieh treiben, waren in dieser Region keine Seltenheit. In den Ortschaften und Städten des Hochlandes fanden zur Zeit gerade vereinzelte Country-Festivals statt, für die auf angebrachten Schildern mit farbenfrohen Buchstaben geworben wurde. Häufig wurden die Farmer und Viehtreiber des Hochlandes auch als Gauchos Brasiliens benannt, und wirklich ist das weite, trockene Gebiet eine Mischung aus nordamerikanischem Westen und argentinischem Norden, in dem zigtausend Rinder weiden und zu Steaks und Churrasco verarbeitet werden, sowie als Exportfleisch auf die Reise nach Europa und in die USA gehen.
Silvestre erwies sich wieder einmal spendabel und lud uns zum Churrasco in ein am Straßenrand gelegenes Restaurant ein. Das saftige Fleisch wurde von den ortsüblich gekleideten Kellnern von großen Spießen abgeschnitten. Frisch vom Grill kam das Fleisch auf die überdimensionalen Teller. Die Innenausstattung des Restaurants sah urig und rustikal aus. Dunkles, rauchiges Holz diente als Wandverkleidung und Möbelmaterial. Alte, verblichene Schwarzweißfotografien, Felle, verstaubte Krempenhüte, Gewehre und mürbe gewordene Lederpeitschen sowie Zaumzeug für Pferde und Ochsen dienten als Wandschmuck. Langsam drehte sich der Deckenventilator.
Silvestre ließ es sich richtig gut gehen, goss mir großzügig Cerveja nach und zeigte dem Kellner mit geübtem, kritischem Auge die schmackhaftesten Fleischstellen, die mit dem gewaltigen, rasierklingenscharfen Messer abgetrennt werden sollten. Er forderte uns auf, es ihm gleich zu tun und rief den Kellner nochmals heran. Schüchtern wiesen Kathrin und ich mit unseren Gabeln auf die gut aussehenden Stellen. Der Kellner drehte und wendete die Spieße, damit wir uns von dem auf offenem Feuer gebratenen Fleisch ein gutes Bild machen konnten, und lächelte über die Zaghaftigkeit, mit der wir ins Rindfleisch pikten.
Mit überfülltem Bauch und ungutem Gefühl im Magen, selten zuvor aß ich dermaßen viel totes Tier wie an jenem Tag, stieg ich zu Kathrin und Silvestre ins Auto. Er teilte uns mit, dass er noch für seine Familie einkaufen müsse. Seine Laune wurde immer besser, und er sagte, dass er nun zwei Kinder mehr habe, dabei Kathrin leicht über die Schulter streichelnd. Mich schaute er anschließend an, legte eine ernste Miene auf und teilte mir mit, dass ich besser Portugiesisch lernen müsse.
Nach einigen Kilometern parkte er am Rande eines Obstmarkts, der mitten in der kargen Savannenlandschaft gelegen war. Der Markt bestand aus einem staubigen Sandweg, an dem sich zu beiden Seiten zahlreiche Stände drängten. Vielleicht vierzig hölzerne, prall gefüllte Stände bildeten ein farbenfrohes Bild. Verschiedene Bananen, grüne Kokosnüsse, Melonen, Orangen, Zitronen, riesige Kürbisse, bräunliche Maniokwurzeln und geschnittener Zuckerrohr lagerten säuberlich geordnet in den Holzbüdchen und auf dem Sand davor. Ein Stand glich dem anderen, kaum ein Mensch ging dort einkaufen, und ich fragte mich, für wen diese Obstmassen bestimmt waren.
Silvestre ließ sich beim Aussuchen der gewünschten Ware reichlich Zeit. Mit fachmännischem Blick prüfte er die Früchte, nahm sie in die Hand, wog diese ab und sprach mit den Händlern, die ruhig, freundlich und auch hier auffallend zurückhaltend waren. Silvestre kaufte eine ganze Staude Bananen, an der viele kleine dieser gelben Früchte hingen, die beim Tragen zum Teil auf den festgetretenen Boden fielen.
Bezahlt wurde nicht nach Gewicht, sondern nach Gesicht des Käufers, Aussehen der Ware und mündlicher Vereinbarung. Silvestre schien ein erfolgreicher Käufer zu sein, mit den besten Melonen und Bananen kehrte er zurück und reichte sie uns zum Einladen.
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Graça hatte neun Geschwister, die alle auf dem Land in bescheidenen bis ärmlichen Verhältnissen lebten. Gemeinsam mit Graça, einem älteren Bruder und seinem dreijährigen Töchterchen besuchten wir eine verwandte Großfamilie, die etwa dreißig Kilometer außerhalb von Goiânia eine kleine Fazenda besaß.
Erst eine Asphaltstraße und später einen holprigen Sandweg entlang fuhren wir zu den uns bereits erwartenden Leuten. Ein Holzhaus mit Flachdach und Veranda bildete den Mittelpunkt des Stückchens Land, das mit vereinzelten Bananenstauden und Orangenbäumen bewachsen war, sonst aber eher verwildert, verkrautet und zugewuchert aussah.
An der hölzernen Toreinfahrt hing ein vom Wetter fast verblichenes Blechschild mit dem sich nett anhörenden Namen »Chácara Santa Lucia«. Ein räudiger Hund rannte mit einem kleinen, undefinierbaren Tier in der Schnauze davon.
Neben einer uralten Großmutter waren einige Männer und Frauen auf der Veranda versammelt. Teils waren es Verwandte, teils waren es die Nachbarn von den umliegenden Fazendas. Die meisten Männer trugen den Oberkörper frei, und ihre Haut war von der täglichen Tropensonne tief gebräunt. Prägnante Furchen zogen sich wie auf einem Acker über ihre Gesichter entlang. Ein großer Papagei mit frechen Augen saß an einer rostigen Kette befestigt auf einer Stange und beäugte uns neugierig, dabei ein krächzendes Geräusch von sich gebend.
Alles übertönend war die lebhafte Stimme Graças zu hören. Stolz erzählte sie den Anwesenden von unseren Reiseplänen, den lustigen Alltagsbegebenheiten in Goiânia und unserem erlebten Raubüberfall in Rio de Janeiro. Aus einem Überfall an der Copacabana wurden schnell drei, und aus fünf mit Messern bewaffneten Männern wurden von Mal zu Mal zehn Schwerstbewaffnete, die uns auf brutalste Art und Weise das Geld abknöpften. Ich musste über diese Übertreibungen schmunzeln, und erstaunt hörten die Verwandten und Nachbarn Graças farbigen, lebhaften Schilderungen zu.
Später wurde Kathrin in das Gespräch mit einbezogen, mich dagegen luden die Männer zu einer Partie Billard auf der Veranda ein. Die Billardtischlöcher waren aus Aluminium und gaben beim Einlochen der Kugeln ein hartes Klocken von sich. Der ehemals grüne Filzbezug war schon zu großen Teilen abgewetzt, und ein Tischbein war provisorisch zusammengenagelt worden.
Die Männer hatten ihren Spaß, als ich zum Queue griff und versuchte, die Kugeln zu spielen. Meine ersten Spielzüge blieben weitgehend erfolglos, und mein Gegner mit der tätowierten Brust lochte freiweg ein. Zum Erstaunen aller verlor ich jedoch nur mit einer Kugel Rückstand, denn mit der Zeit gewöhnte ich mich an die ungewohnten Spielbedingungen und spielte mich ein. Die anderen Männer standen ringsherum und beobachteten das Spiel und riefen aufmunternde Sprüche.
Anschließend wurde die Partie mit einer ordentlichen Caipirinha begossen. Grüne Lemonenstücke, brauner Rohrzucker, zerstampftes Eis und reichlich Cachaça füllten den Blechbecher randvoll. Das Fassungsvermögen des zerbeulten Bechers war erheblich, und die hoch stehende Sonne ließ die Wirkung des wohlschmeckenden Getränks verstärkt spüren. Es wurde gelacht und fröhlich durcheinander gesprochen. Stolz erklärte mir ein alter Mann, wie die richtige Mischung zu sein hat, und wie wichtig dieses Getränk für die Leute im Land sei.
So wichtig wie die Cachaça für Brasilien, so wichtig waren die kalifornischen Regenwürmer für die Fazenda. Für eine Menge Geld ließen Silvestre und Graça Regenwürmer aus Kalifornien für die Fazenda ihres Bruders besorgen, da diese kräftigeren Würmer besser den trockenen, festen Boden durchwühlen und somit auflockern können als ihre brasilianischen Artgenossen. Ich wusste ja schon immer, dass fette, nordamerikanische Würmer Lateinamerika untergraben ...
Freudig führte uns Graças Bruder über das Grundstück, zeigte uns jeden Obstbaum, jedes umherlaufende Haustier und natürlich die Regenwürmer, die in einem Wellblechbehälter dunkel und gut verschlossen lagerten, um zu einem späteren Zeitpunkt zum Einsatz auf den kleinen Plantagen zu kommen.
Ein anderer Mann mit nur zwei gelblichen Schneidezähnen im Mund und spitzbübischen Augen, seine Kleidung bestand aus alten Sandalen, einer Schiffermütze und schwarzen Shorts, brachte die Schweine in einem Gatter zum Quieken. Dabei lachte er und ließ uns seine beiden Zähne im Sonnenlicht betrachten. Mit einer Rute scheuchte er die gefleckten Schweine von einer Ecke zur anderen, um uns ein kleines ländliches Spektakel zu bieten.
Inzwischen lief Graça über die trockene Wiese, auf der hohes Gras wucherte, und schüttelte an einem Apfelsinenbaum. Anschließend hob sie eine heruntergefallene Frucht auf und reichte sie freudestrahlend Kathrin. Jedes Fleckchen der Fazenda wurde uns gezeigt und ausführlich erklärt.
Insgesamt kam mir alles recht traurig und trostlos vor, und ich fragte mich, was überhaupt gezielt angebaut wurde. Alle Pflanzen wuchsen wild durcheinander. Ich versuchte mir vorzustellen, wie wohl Silvestres Fazenda aussehen mag. Sicherlich war diese um ein Vielfaches größer und fruchtbarer.
Am äußersten Ende des Grund und Bodens plätscherte ein Bach dahin, der schmutzig graues Wasser mit sich führte. Ein kleiner, barfüßiger Junge rannte jauchzend einem winzigen Hund hinterher, der aussah, als bestehe er nur aus Haut und Knochen.
Zum Abschluss unseres Besuchs versammelten wir uns im Innern des Holzhauses. Nur zwei Männer blieben draußen und tranken weiterhin Caipirinha. Die steinalte Großmutter saß in einem ebenso alten Sessel, der an vereinzelten Stellen das Polsterstroh freigab. Draußen überflutete das grelle Sonnenlicht die Landschaft, und im Wohnzimmer durchzogen verschiedene Gerüche das Dämmerlicht. Die Fenster waren winzig und die Möbel einfach und schlicht. Landwirtschaftliche Geräte, Früchte in Holzkisten und Gemüse in grob gewebten Säcken lagen im Haus verstreut.
Mit lauter Stimme erzählte Kathrin der Großmutter von Europa, unseren Eltern und unserer Reise. Bedächtig nickend lauschte die alte Frau der Erzählenden. Wie Kathrin mir später mitteilte, war die Großmutter noch nie in ihrem Leben in Goiânia, geschweige in einem anderen Landesteil Brasiliens. Jahr für Jahr, von Kindheit an, lebte und arbeitete sie auf der Fazenda. Früher konnte sie wegen der täglichen Arbeit, die sie voll ausfüllte, nicht das Dorf verlassen, und später wollte sie ihrem Ort nicht mehr den Rücken zukehren, zu fest verwurzelt war sie im dörflichen Leben. Nicht einmal für einzigen Tag wollte sie sich von der Fazenda entfernen.
Nachdenklich saß ich neben Kathrin im Auto und fuhr mit Graça zurück nach Goiânia. Die winkenden Leute verschwanden langsam hinter den Bäumen und Sträuchern einer Kurve. Schon bald wechselte wieder der grobe Asphalt den unebenen, fest gefahrenen Sand ab. Am Horizont wurden die weißen Hochhäuser der Innenstadt sichtbar, die von einer anderen Welt, nur wenige Kilometer von der Fazenda entfernt, zeugten.
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Die Geschichte, der strukturelle Aufbau, sowie die Stadt als solches sind ein Phänomen. Brasilia wurde in den fünfziger Jahren aus dem Nichts gestampft. Mitten im Hochland, Brasilia liegt ganze 1060 Meter über dem Meeresspiegel, wurde eine neue Hauptstadt geschaffen, die lange Zeit als Symbol für den Aufstieg Brasiliens galt.
Seit dem Jahre 1891 war in Artikel 3 der brasilianischen Verfassung der Aufbau einer neuen Hauptstadt im Landesinnern festgelegt, aber erst nach dem Jahre 1950 wurde der Plan zur Realität. 1960 wurde Brasilia feierlich eingeweiht.
Ein Grund für die Neuerrichtung einer Hauptstadt, bis dahin wurden die Geschicke des Landes von Rio de Janeiro aus geleitet, war die äußerst dünne Besiedlung in Zentralbrasilien. Dort lag das Level der Infrastruktur auf unterstem Niveau, und nur wenig Industrie siedelte sich in diesen trockenen, zentralen Gebieten an. Die Ballungsgebiete und Zentren kultureller und wirtschaftlicher Art lagen wie auf einer Perlenkette aufgereiht an der 7400 Kilometer langen Atlantikküste. São Paulo, Porto Alegre, Santos, Salvador da Bahia, Recife, Fortaleza und natürlich Rio de Janeiro waren seit jeher die großen Küstenstädte des Landes.
Die Festlegung der Neuerschaffung einer Stadt auf dem kargen, trockenen Hochland in der Verfassung erscheint vom Datum her ein wenig merkwürdig. Weshalb gerade das Jahr 1891? Bei der geschichtlichen Betrachtung liegt der Grund jedoch sofort auf der Hand. Die Abschaffung der Sklaverei, bei der keine finanzielle Entschädigung für die ehemaligen Besitzer der Negersklaven erfolgte, führte im Jahre 1889 zum Sturz des Kaiserreichs. Eine neue Verfassung wurde entworfen. Ab nun wurde das riesige Land »Vereinigte Staaten von Brasilien« genannt. Marschall da Fonseca übernahm als erster Präsident die politische Verantwortung und wollte Brasilien einen Aufschwung bescheren. Im Jahrhundert zuvor war Brasilien noch völlig rückständig
Mit den Regierungsmitgliedern und anderen verantwortlichen Personen plante Marschall da Fonseca den Aufbau der neuen Stadt und die Besiedlung der Hochlandgebiete. Was folgte, waren zwar Fortschritte, jedoch vermischt mit Unruhe und vielerlei Unsicherheiten. Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war durchzogen von schweren Krisen. Brasilien war auf dem Weg vom Agrar- zum Industriestaat, und dieser Weg war lang, steinig und mit vielen hohen Hürden gepflastert.
Doch Mitte der fünfziger Jahren erfolgte der endgültige Aufschwung, und endlich konnte die geplante Stadt für Verwaltung, Regierung und Parlament entstehen. Ein vierzig Quadratkilometer großer Stausee wurde angelegt, um die Stadt mit Energie und Trinkwasser zu versorgen.
Brasilia wurde auf dem Reißbrett entworfen. Die Hauptidee für Struktur und Aussehen der Gebäude hatten der weltberühmte Architekt Oscar Niemeyer, der auch in Berlin seine Spuren hinterlassen hatte, und sein brasilianischer Kollege Lúcio Costa.
Der damalige Präsident Brasiliens, Senhor Kubitschek, drängte auf die baldige Einweihung der Hauptstadt, jedoch verzögerten auftauchende Probleme bei der Errichtung der Gebäude und Erschließung der Region die endgültige Fertigstellung. Eigentlich noch im Rohbau befindlich, die Stadt glich einer staubigen Steinwüste, wurde Brasilia im Jahre 1960 den drei Staatsgewalten, Legislative, Exekutive und Judikative übergeben.
Der strukturelle Aufbau der Stadt ist von Weitläufigkeit und Großzügigkeit geprägt. Von oben betrachtet ähnelt Brasilia einem Flugzeug oder einem gewaltigen Kreuz mit schräg abstehenden Seitenarmen. Hauptmerkmal ist eine fünf Kilometer lange Monumentalachse, die in den »Praça dos tres Poderes«, Platz der drei Gewalten, mit dem großen Kongreßpalast mündet.
Ziel war es, eine konsequente Trennung der städtischen Funktionen zu schaffen. An der Hauptachse wurden die Ministerien angeordnet, die Gebäude der Botschaften wurden etwas außerhalb am Ufer des Sees gebaut, und der Schnittpunkt der Achsen bildet mit einigen Hochhäusern und einem riesigen Einkaufskomplex das Zentrum der Stadt.
Die Wohnhäuser der Bevölkerung wurden an den Rand der Stadt gelegt. Nichts sollte vermischt werden. Kein Botschaftsgebäude sollte zwischen irgendwelchen Wohnblocks stehen. Alles sollte klar seinen Platz zugewiesen bekommen. Aus den ehemaligen Bauarbeiterunterkünften, tausende Menschen waren beim Aufbau der Stadt beteiligt, entstanden Satellitenstädte, die zum Teil ziemlich arm und verkommen aussehen.
Einer der großen Pläne ging nicht auf. Kaum Industrie siedelte sich um Brasilia herum an, die erhoffte Sogwirkung trat nicht ein, und viele Wirtschaftsunternehmen blieben lieber an der Küste des Landes. Dadurch wurde der akute Arbeitsmangel zum Hauptproblem der neuen Stadt.
In der im Jahre 1933 gegründeten Nachbarstadt Goiânia sah es dagegen ganz anders aus. Goiânia wurde im Laufe der Zeit ein Wirtschaftszentrum und hatte somit große finanzielle Einnahmen.
Ein zweites Problem war das weitgehende Ausbleiben des erwarteten Besiedlungsschubes des Inlandes. Zwar zogen Tausende in die neue Hauptstadt, jedoch blieb das weite Umland weiterhin dünn besiedelt und zu großen Teilen rückständig.
Ein Punkt ist jedoch sicher, Brasilia war wohl die modernste und fortschrittlichste Stadt der damaligen Zeit und ein großes Vorbild in städteplanischer und architektonischer Hinsicht für viele Länder unserer Erde. Voller Verwunderung schaute man auf das neu geschaffene Brasilia, das wie Phoenix aus der Asche emporstieg. Brasilia brach fast alle bisherigen städtebaulichen Regeln und galt als Wegweiser für eine moderne Zukunft.
Auch das Land Brasilien sollte auf dem Weg in eine glorreiche Zukunft sein, jedoch half der errichtete Wegweiser nicht, denn im Jahre 1964 kam es zu einem Militärputsch. Nur ganze vier Jahre nach der Einweihung der Hauptstadt wurde eine Militärdiktatur errichtet, die bis 1985 andauerte. Die Entwicklung des Landes wurde gebremst, und der Schritt vom Schwellenland zum Land der Ersten Welt wurde noch nicht vollzogen.
Der Name des großen Platzes (Praça dos tres Poderes) muss für viele Einwohner zwanzig Jahre lang ein Hohn gewesen sein. Treffen die drei Staatsgewalten nur für eine Demokratie zu, jedoch nicht für ein Regime des Militärs ...
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Weiter ging es mit dem Chevrolet auf einer Schnellstraße entlang, die nach Goiânia, der Nachbarstadt Brasilias, führte. Zwar liegen beide Großstädte 203 Kilometer auseinander, doch ist diese Entfernung für brasilianische Verhältnisse ein Kinderspiel, wenn man die vielen tausend Kilometer bedenkt, die man durch die Weiten des Landes, das ganze 47 Prozent der Fläche Südamerikas einnimmt, fahren kann.
Die Landschaft blieb die ganze Strecke über ziemlich gleich. Trockene Savanne mit vereinzelten Bäumen und Sträuchern. Die Gegend hügelig in ihrer Beschaffenheit, und der Boden rötlich gefärbt wie die Asche eines Sportplatzes. In mancherlei Gehegen und auf den Weiden des Landes grasten die Rinder, aus denen zum Teil Churrasco gemacht wird. Das von uns durchquerte Gebiet ähnelte dem mittleren Westen der Vereinigten Staaten, und tatsächlich wird dieser Landstrich von den Einheimischen als »Wilder Westen Brasiliens« bezeichnet.
das erinnert mich an arizona oder das outback in down under bei den australiern. siehst du, wusste gar nicht, dass es slch karge gegenden auch in brasilien gibt.
viele grüße von cordelia
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- kalleman
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- Marco
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Unser Senhor Cesar fuhr auch einen Chevrolet. Einen pick up, wir vorn zu dritt, hinten die Säcke mit Maniok und die Bananenstauden - und ab ging´s in flottem Tempo von Brasilia nach Goiânia.
Rotbraun der Staub der Erde.
An den Straßenrändern die Reklameschilder für das nächste Country-Festival...
Gefahren wurde dort wirklich schnell, aber nicht so halsbrecherisch wie es die Leute in Ägypten handhaben... :wink:
Marco
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- kalleman
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