Alljährlich wird in Berlin aber auch in anderen Städten wie Hamburg die Walpurgisnacht zum gewaltätigen Auftakt der Maikrawalle vor allem von linken autonomen Demonstranten genutzt. Auch in diesem Jahr blieb es nicht ruhig. Unser Redakteur war dabei, beim Tanz in den Mai am Boxhagener Platz (Boxi) in Berlin Friedrichshain, wo nach einem Konzert 200 Randalierer die Polizei mit Flaschen und Steinen angriffen und Mülltonnen anzündeten. 29 Polizisten wurden verletzt. Der turus|Redakteur liefert sowohl ein minutengenaues Protokoll des Abend, als auch Bilder.
Krawalle-Tanz in den Mai: Autonome und Hooligans randalieren in Berlin - Fotos
30.04.2009
21:30 Uhr.
S-Bahnhof Ostkreuz. Ausgang Sonntagstraße.
Ein einsamer Polizeiwagen steht halb im Gebüsch. Ein Polizist inspiziert die Ankömmlinge.In den Straßenkneipen und Bars am Lenbachplatz werden Cocktails geschlürft. Auf Leinwänden wird das UEFA-Cupspiel zwischen Werder Bremen und dem Hamburger Sportverein gezeigt. Der HSV führt zur Pause mit 1:0.
21:45 Uhr.
In den Nebenstraßen des Boxhagener Platzes herrscht absolutes Parkverbot. Manche Straßen wirken total verwaist. Aus der Ferne ertönt dumpf Musik. Am Boxhagener Platz selbst kontrollieren Polizisten an den Absperrungen die Leute. Glasflaschen sind nicht erlaubt. Man wird an die WM erinnert. Ein Hauch von Fanmeile. Die Polizei ist vorbereitet und hat Plastikbecher am Einlass. Man darf seine Flaschen umschütten. Im Spätkauf am Boxhagener Platz muss das gekaufte Bier auch in Plastikbecher umgefüllt werden.
Vor der Kneipe „Feuermelder“ wurde ein Flutlicht aufgebaut. Das Anti-Konflikt-Team der Polizei ist mit gelben Westen unterwegs. Der eigentliche Park auf dem Boxhagener Platz ist abgeriegelt. Das Konzert findet auf der Grünberger Straße unmittelbar vor der Kneipe „Zielona Góra“ statt. Eine Band spielt auf einem Wagen. Buntes Volk ist vor Ort und hat recht gute Laune. Auch viele internationale Gäste haben sich versammelt. Am Zugang Gabriel-Max-Straße wartet ein japanischer Tourist ein wenig zaghaft mit seiner Fotokamera. Flaschen krachen in bereitgestellte Container. An der Ecke Gärtner Straße steht ein Wagen der Polizei mit der Aufschrift: „TV-Übertragung“.
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22:25 Uhr.
Erste leichte Unruhe kommt auf. Das Konzert endet bereits. Die Musiker packen die Instrumente zusammen. Die Leute auf der Grünberger Straße wirken unzufrieden.
22:30 Uhr.
Schleichend ist bereits die Polizei aufgerückt. Eine Frau hat eine Glasflasche in der Hand. Die Polizei rückt ein erstes Mal an. Fotografen stürzen sich wie gierige Geier auf das erste kleine Szenario.
22:35 Uhr.
An der Ecke Grünberger Straße / Gabriel-Max-Straße bauen Polizisten die ersten Absperrgitter ab. Man benötigt Raum.
22:40 Uhr.
Die ersten Bierkästen gelangen in die einstige Absperrzone. Angespannte Ruhe. Warten. Zivilpolizisten sind auch vor Ort. Erstaunlich auffällig gekleidet. Ein wenig typisch für Fußballspiel-Einsätze.
22:45 Uhr.
Angespanntes Warten. Ecke Gärtner Straße stehen vier Polizisten Rücken an Rücken auf dem Zebrastreifen und werden angepöbelt. Die Zähne knirschen. Die Laternen verbreiten gelblich-oranges Licht.
23:05 Uhr.
Eine erste Rakete steigt gen Nachthimmel. Gejohle. „Polska Antifa“, ruft eine Gruppe Punks. Eine zweite Rakete folgt.
23:07 Uhr.
Die ersten Polizeihelme werden aufgesetzt.
23:10 Uhr.
„Haut ab, haut ab!“, ertönt es. Manche rufen aus Spaß: „Hut ab, Hut ab!“
23:15 Uhr.
Die Polizei wirkt alles andere als entspannt.
23:16 Uhr.
Ein Flutlicht geht aus. Dann wieder sofort wieder an. Ein Polizist in einer Gruppe meint: „Los, da ein Flaschenwurf!“
23:20 Uhr.
Die Atmosphäre ist beängstigend. Es erfolgen erste gezielte Zugriffe von Seiten der Polizei.
23:23 Uhr.
Ein Polizeihelikopter ertönt in einiger Höhe über dem Platz.
23:30 Uhr.
Die Situation wirkt wieder ein wenig beruhigter. An der Straßenecke steht eine Gruppe Polizisten in Montur auf Abruf.
23:40 Uhr.
Die Fronten formieren sich langsam. Die Polizei gruppiert sich.
23:45 Uhr.
Kurzzeitiger Rückzug. Das Flutlicht geht wieder kurz aus.
23:50 Uhr.
Es wird wieder angerückt.
23:55 Uhr.
Aggression kommt auf. Ketten werden auf beiden Seiten gebildet.
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1. Mai 2009.
00:01 Uhr.
Abwarten.
00:15 Uhr.
In einer Straßenkneipe. Vor dem Klo wird Geld gesammelt. 30 Cent für die Benutzung. Jemand steckt einen 5-Euro-Schein ins Sammelglas. Erstaunen.
00:20 Uhr.
Ansage: „So, der Platz wird jetzt geräumt!“ Die Polizei möchte die große Ansammlung spalten.
00:30 Uhr.
Ein kleines Feuerchen wird entfacht. Anfangs sind es nur Pappe und Papier und Holz.
00:35 Uhr.
Ein paar grün uniformierte Polizisten treten das Feuer aus. Punks, Autonome und erlebnisorientierte Passanten umringen die Polizisten. „Haut ab!“ Hohn und Spott folgen. Männer und Frauen tanzen um die Gruppe Polizisten. „Dreht euch nicht um, der Plumser geht rum...“
00:40 Uhr.
Die Polizisten ziehen sich zu ihren Kollegen zurück. Das Feuer wird wieder entfacht. Dieses Mal nur noch größer. Schon bald brennt qualmend ein Plastikcontainer. Das berühmt-berüchtigte ACAB-Lied wird angestimmt. Neben Punks und Autonomen scheinen auch Hooligans vor Ort zu sein, um mitzumischen.
00:55 Uhr.
Flaschen fliegen. Gesichter werden mit Halstüchern und Kapuzen vermummt. Eine viertel Stunde lang geht es vor und zurück. Unter Gebrüll werden Flaschen und Knallkörper auf die Polizisten geschleudert.
01:15 Uhr.
Eine kurze Ruhepause. Es ist offen, was passieren wird. Die Fronten stehen auf der Grünberger Straße.
01:30 Uhr.
Massives Vorrücken der polizeilichen Einsatzkräfte. Leute werden gezielt festgenommen. Das Geschehen verlagert sich im die Nebenstraßen. Es wird nun wirklich ungemütlich und unübersichtlich. An der Ecke Gärtner Straße wird das Polizei-Fahrzeug „TV Übertragung“ mit Steinen und Flaschen attackiert. Die Situation droht vollends zu eskalieren. Das Fahrzeug wird schleunigst um die Ecke gefahren.
01:40 Uhr.
In der Grünberger Straße in Richtung Wismar Platz versucht die Polizei vorzurücken. Doch sie stoppt den Vormarsch. Etliche Demonstranten sind zu allem entschlossen. Pflastersteine werden herausgerissen. Metallstangen werden von Baugerüsten abgerissen. Das nächtliche Szenario auf der dunklen Straße erinnert an Fußballgewalt in Italien. „Was ist denn hier los?“, fragt ein junger Tourist. Für ihn kam alles wirklich überraschend. Er wollte eigentlich nur einen Döner essen... Am Wismar Platz splittert Glas. Scheiben von Wartehäuschen gehen donnernd zu Bruch. Ein Spur der Verwüstung zieht sich quer über den Wismar Platz. Kurze Zeit kommt der Verkehr auf der Boxhagener Straße zum Erliegen. Mannschaftswagen der Polizei rücken an. Behelmte Einsatzkräfte jagen verstreute Gruppen durch die Nebenstraßen.
01:45 Uhr.
Die Lage wird unübersichtlich. Die Auseinandersetzungen verlagern sich an verschiedene Ort des Bezirks Friedrichshain.
02:00 Uhr.
Am Lenbachplatz am S-Bahnhof trinken Leute ihr Bier. Hier scheint die Welt in Ordnung. Das UEFA-Cup-Spiel ist längst vorbei. Es blieb beim 1:0 für den HSV...
Text & Fotos: Marco Bertram
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