Wahlkampf der Partei Die Linke: Lötzsch, Wolf und Gysi reden Klartext

MB Updated

Gregor Gysi„Merkel wagt es, mit dem Finger auf Berlin zu zeigen! Das ist ein Hohn!“, verkündete Gesine Lötzsch auf der Wahlkampfveranstaltung der Partei Die Linke auf dem Platz der Stadt Hof im Stadtbezirk Neukölln. Gleiche Bühne, gleicher Ort, ähnlich viele Zuhörer. Ein paar Tage zuvor war dort Berlins Regierender Klaus Wowereit (SPD) zu Gast. Heute ging es allerdings weniger gemütlich zur Sache. Keine kuschelige Moderation, sondern knackige Reden. Gekrönt von Gregor Gysi, der gar nicht mehr aufhören wollte zu sprechen. Den Beginn machte Gesine Lötzsch, die gemeinsam mit Klaus Ernst die Doppelspitze der Linken bildet.

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LötzschWer denn wohl alles eingebrockt habe in Berlin, fragte Lötzsch. Bankenskandal. CDU. Die ersten Schlagworte wurden von der Bühne gepfeffert. Ihr kurze, prägnante Rede beendete sie mit den Worten: „Wir wollen keine Herren und keine Knechte! Die Menschen sollen selbst bestimmen!“

Wirtschaftssenator Harald Wolf betrat die Bühne. „Sie haben die Wahl!“ Er warnte vor Rot-Grün in Berlin. Solle man doch dran denken, wer einst Hartz IV durchgedrückt hatte. Und wie sah Berlin aus, bevor die Linke vor zehn Jahren ran kam, fragte Wolf. Betriebsverlagerungen, Schließungen, Probleme. Berlin sei 2001 ein Scherbenhaufen gewesen.
Nun gebe es hohe Zuwachsraten, 120.000 neue Arbeitsplätze. Berlin sei wieder eine attraktive Stadt. Bei Touristen sei Berlin überaus beliebt. Manch einem Berliner sei das bereits fast zu viel. Berlin könne die Funktion als Hauptstadt voll ausfüllen, so Wolf.
Weiterhin erinnerte der Wirtschaftssenator, dass Die Linke einst verhindert hatte, dass die SPD Studiengebühren durchsetzen konnte. „Bildung muss für alle zugänglich sein! Wir haben gezeigt, wie es geht!“, erklärte Wolf nicht ohne Stolz. Immerhin folgt nun auch die Stadt Hamburg diesen Weg.

Harald WolfEin Verdienst von Rot-Rot sei auch die Schulreform. Keine Aussortierungen mehr, alle Kinder sollen eine Chance erhalten. Schließlich habe jedes Kind Fähigkeiten und Talente. Kritik übte er am CDU-Bezirksamt in Reinickendorf. Dort sei die Einführung der Gemeinschaftsschule verhindert worden, und das gegen den Willen der Lehrer und Eltern.
Nächstes Thema: Der Niedriglohnsektor. 130.000 Arbeitnehmer müssen beim Jobcenter ergänzendes ALGII beantragen. Ein Mindestlohn müsse her, der existenzsichernd sei. Zudem gebe es Unternehmen, in denen 30 Prozent Leiharbeiter tätig sind. Das könne nicht sein, so Wolf. „Gleiche Arbeit, gleicher Lohn! Ich will nicht nur Worte, sondern auch Taten!“

Dramatische Entwicklungen gebe es bei den Mieten. Es müsse mehr kommunalen Wohnungsbau geben. Der Wildwuchs müsse bekämpft werden. Bei Luxusmodernisierungen müsse man auch mal den Riegel vorschieben. Zweckentfremdungen von wertvollem Wohnraum müssen verboten werden. 15.000 Wohnungen werden als Ferienwohnungen genutzt.
Harald Wolf kam nun zur Sache. Öffentliche Daseinsvorsorge. Raus aus den Knebelverträgen, die 1999 beschlossen wurden. Das Wasser wurde zu teuer. Wasser sei öffentliches Gut. Das Wasser müsse zurück in die öffentliche Hand. Applaus von den Zuhörern.
„Privat ist Katastrophe“. Dieser Wahlslogan wurde von der CDU harsch kritisiert. Was meine denn Harald Wolf damit? Heute kam er noch mal drauf zu sprechen. Er verwies auf das S-Bahn-Logo auf dem besagten Wahlplakat. Was eine Katastrophe sei? Die S-Bahn! Es gebe keine Zuverlässigkeit, seit zwei Jahren werden nicht mehr die Aufgaben erfüllt. Es sei nicht Aufgabe der S-Bahn Rendite für die Deutsche Bahn zu sichern, sondern die Aufgabe als Verkehrsmittel zu erfüllen. Es müsse einen kommunalen Einfluss auf die S-Bahn geben.

Der Punkt Energieversorgung. Wolf erklärte, dass 2013 die Chance genutzt werden müsse. Verträge laufen dann aus, und Berlin könne Eigentum an den Netzen erwerben. Die Stromnetze müssen den Berlinern gehören, so Wolf.
Noch einmal die Warnung vor Rot-Grün. Erinnerung an die Agenda 2010. „Hartz IV ist Armut per Gesetz!“, erklärte Wolf. Die Linke sei immer dagegen gewesen. Weiterhin erinnerte der Wirtschaftssenator an die Kriegseinsätze in Jugoslawien und Afghanistan. Die Linke sei stets für Frieden und soziale Gerechtigkeit.
Man bedenke, dass Künast bereits das Handtuch warf. Nach der Wahl kehre sie in die Bundespolitik zurück. Und Wowereit mit den Grünen oder der CDU würde eine ganz andere Politik machen, denn dann gebe es keinen Druck der Linken mehr, mahnte Wolf. Das wichtigste sei jedoch, dass alle zur Wahl gehen und demokratisch wählen.

Harald Wolf und Gregor Gysi in BerlinInzwischen wurde Gregor Gysi vorgefahren. Die Personenschützer waren nun in leicht erhöhter Alarmbereitschaft. Es brauchte nicht viel Zeit, bis der alte Parteihase Gregor Gysi auf Betriebstemperatur kam. Die CDU in Berlin stecke noch mitten im kalten Krieg. Zur FDP sage er mal gar nix. Die Grünen seien sehr elitär geworden. Und ach ja, man solle sich daran erinnern, als Renate Künast einst die Nothilfe für Berlin für Berlin abgelehnt hatte. Gysi vergesse nichts. Ein Lächeln huschte um seine Lippen.

Und die Piratenpartei? Freundliche Worte von Gysi. Diese Partei sei ganz nett. Jedoch sei die Piratenpartei zum Teil eine Spaßpartei. Manche Ziele könne man nicht ernst nehmen. Einfach nur ein Gag. Trotzdem solle man ruhig nett zu den Piraten sein. Wählen solle man jedoch besser die Linken.
Gysi mahnte, dass die Wahl in Berlin ein Signal sei. Rente mit 67, okay? Rente bald mit 69, okay? Afghanistaneinsatz, okay? Die Wähler tragen Verantwortung, so Gysi. Stimme man der Politik zu, dann könne man CDU oder SPD wählen. Wenn nicht, dann mache man sein Kreuz bei den Linken. Die Politik der Bundesregierung sei abenteuerlich. Rösler habe kein Recht dazu, sich in dieser Form über Griechenland zu äußern. Die Insolvenz Griechenlands zu fordern, könne nur ein Witz sein. Zudem komme das Geld nur den Großbanken zugute.

Gregor Gysi war nun in seinem Element. Er redete sich in den Rausch, als stünde er im Bundestag und nicht auf dem Platz der Stadt Hof in Berlin-Neukölln. Die Diktatur der Finanzmärkte, die bestimmt, was die Politik zu machen habe. Eine Deutsche Bank, die viel zu mächtig sei. Ein „abenteuerlicher Schwachsinn“ sei die Politik gegenüber den südeuropäischen Ländern. Gysi sprach alles an und fand für alles eine Lösung. Erstaunlich, wie er ohne auf die Notizen zu blicken, von einem Thema zum nächsten sprang. Eine Generalabrechnung mit der Bundespolitik. Seit 1990 seien Kriege übliche Mittel der Politik. „Aber wir können doch nicht einfach alle Diktaturen auf der Welt wegbombardieren“, mahnte Gysi. Erst wurden Gaddafi Waffen geliefert, dann werden Bomber geschickt. „Warum nicht auch in Bahrain und Syrien?“, fragte Gysi. Die Antworten lägen auf der Hand. Der Einfluss Saudi Arabiens in Bahrain und zu wenig Erdöl in Syrien.

Gregor Gysi RedeZurück in Deutschland. „Leiharbeit ist moderne Sklaverei!“, wetterte Gysi. Man brauche ein Gesetz wie in Frankreich. 110 Prozent Einkommen für Leiharbeiter, dann würden Firmen Leiharbeiter nur zur Not holen, wenn akuter Bedarf bestünde. Unter aller Würde sei zudem der Fakt, dass Vollzeitarbeiter zum Amt gehen müssen, weil das Geld nicht reiche. Der Mindestlohn müsse her. Bis 2013 müsse dieser bei zehn Euro liegen. Über einhundert Staaten weltweit haben einen Mindestlohn. Auch in Europa seien es 21 Länder. Nur in Deutschland stelle man sich da quer.
Noch ein paar Worte zur Steuergerechtigkeit. Reiche müssen mehr versteuert werden. Der Steuerbauch müsse weg, allerdings müsse oben angesetzt werden, nicht unten.

Die Uhr zeigte bereits 18:10 Uhr. Gregor Gysi redete immer noch, und das mit Schwung und Elan. Staunend schauten und hörten die Leute vor der Bühne zu. In der Tat: Eine Menge brauchbare Argumente. Ist jedoch die Partei Die Linke wählbar? Jeder muss sich diese Frage stellen. Den Umfragen zufolge wird die CDU mit 20 Prozent allein auf weiter Flur stehen. Die große Frage wird wohl sein: Weiterhin Rot-Rot oder doch Rot-Grün? Was wollen die Berliner? Wem schenken sie das Vertrauen? Bei Rot-Rot weiß man, woran man ist. Bei Rot-Grün kann es durchaus Überraschungen geben. Sowohl positive als auch negative. Schafft es die Piratenpartei ins Abgeordnetenhaus, wäre theoretisch auch eine rot-rot-orange Koalition möglich. Immerhin: Gysi zeigte ja heute gewisse Sympathien...

> zur turus-Fotostrecke: Wahlkampf der Linken und der anderen Parteien

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