Ein Frauenradsportteam aus Berlin hat die Fachleute überrascht und für Aufsehen gesorgt: über die Wheel Divas, erstmals im Jahre 2017 in Erscheinung getreten, hatten wir bereits im April 2020 einen längeren Bericht auf unserer Internetseite veröffentlicht. Nun sind zwei harte, durch Corona geprägte Jahre Vergangenheit, aber das Team hat sich etabliert und mit heuer insgesamt 13 Fahrerinnen in der MÜLLER/Die Lila Logistik Rad-Bundesliga vertreten, gleich beim ersten Rennen, der 34. Main-Spessart-Rundfahrt in Karbach, ein deutliches Zeichen gesetzt.
Das Wheel Divas Cycling Team feiert ersten Bundesligasieg
Ein ausgezeichneter 6. Platz durch die Gastfahrerin Zina Barhoumi aus der Schweiz, ein ebenso starker 16. Platz von Stefanie Paul und Platz 28 von Franziska Leuchter sorgten dafür, dass das Team völlig überraschend die Tages-Mannschaftswertung gewann. Die 25-jährige Schweizerin wird in Zukunft leider fehlen, hat sie doch als Siebte der nationalen Straßenmeisterschaft ab 01.07. einen Vertrag beim italienischen UCI Continental Team Born To Win G20 Ambedo unterschrieben. Mit der 31-jährigen Lea Fuchs fährt eine zweite Schweizerin für die Wheel Divas, die zuletzt bei der Tour de Suisse Women in der Gesamtwertung einen respektablen 25. Platz erreichte. Sie fuhr dort für das BeCycling Regional Team und es bleibt in ihrem Fall zu hoffen, dass sie weiterhin als Gastfahrerin für das einzige Berliner Frauenteam starten kann, für das sie einen ausgezeichneten 11. Platz beim viertägigen Etappenrennen Gracia-Orlova eingefahren hatte.
Wir haben sie in der Schweiz angesprochen und im Nachgang dabei viel Interessantes von ihr vernehmen können. „Über die in der Schweiz wohnhafte, namibische Radsportlerin Vera Looser, die mehrfach für die Wheel Divas im Einsatz war, kam der Kontakt nach Berlin zustande. Wir sind gemeinsam in der Schweiz Rennen gefahren und trainieren auch zusammen. Seit letzter Saison fahre ich nationale Straßenrennen und habe bis Sommer 2021 parallel noch Fußball gespielt. Ich war völlig auf Fußball fokussiert, suchte aber nach einer neuen Herausforderung, um physisch stärker an mein Limit zu kommen. Das Radfahren diente für mich nur als Verkehrsmittel, aber am Anfang des ersten Lockdowns stieg ich vermehrt aufs Rennrad, probierte auch erste Wettkämpfe und entdeckte somit meine neue Leidenschaft“, verriet uns die sympathische Sportlerin, die mit ihrer Leistung bei der Tour de Suisse Women insgesamt zufrieden war. Anfangs war sie etwas skeptisch, mit einem so starken Feld mithalten zu können, aber von Beginn an lief es gut. Beim Zeitfahren, die für sie schwierigste Etappe, versuchte sie möglichst wenig Zeit zu verlieren und landete mit 4:01 Minuten Rückstand im Mittelfeld.
Bei der Schweizer Straßenmeisterschaft im Vorjahr belegte sie schon den 11. Platz, ein durchaus achtbarer Einstand, der ihr radsportliches Talent unterstrich. Nach den guten Ergebnissen in den beiden Rundfahrten in diesem Jahr (s.o.) standen Ende Juni die Schweizer Zeitfahr- bzw. Straßenmeisterschaften 2022 auf ihrem Programm, die für sie leider ohne Ergebnis blieben. Im Einzelzeitfahren war sie heftig gestürzt und musste das Rennen aufgeben, so dass auch ein Start im Straßenrennen nicht möglich war.
„Ich habe bei der Tour de Suisse viel gelernt, die für mich eine wertvolle und gelungene Tour war. Die Erkenntnis, dass ich mit dem Feld mithalten kann, war für mich das Wichtigste, auch wenn es noch einige Punkte gibt, an denen ich arbeiten kann“, erklärte uns Lea Fuchs, die unbedingt weitere Rennen mit den Wheel Divas bestreiten möchte. „Es wird aber nicht so einfach sein aufgrund des weiten Anfahrtsweges und der Organisation mit meiner Arbeit. Ich arbeite Vollzeit in einem Ingenieurbüro als Wasserbauingenieurin, wobei ich aber den Radsport noch lange weiter betreiben möchte und er voraussichtlich Bestandteil meines Lebens bleiben wird“, ließ sie uns wissen. Von ihrem privaten Umfeld erfährt sie starke Unterstützung, um das Maximum an Leistung herauszuholen. Dabei hilft ihr neben den Wheel Divas auch ihr Stammverein Cycling Team Ost, um Schritt für Schritt voranzukommen und vielleicht mal ihren großen Traum von einer Europa- oder Weltmeisterschaft verwirklichen zu können.
Die Schweizerin gilt derzeit als Aushängeschild der Wheel Divas, die für die noch ausstehenden Rennen der Rad-Bundesliga auf ihre Mitwirkung hoffen. Beim zweiten Rennen der Rad-Bundesliga, der Deutschen Meisterschaft im Einzelzeitfahren in Marsberg, war Franziska Leuchter auf Platz 33 Bestplatzierte der Wheel Divas, gefolgt von Janina Morin Bender (34.) und Maria Marb (37.), die damit Platz vier in der Tagesmannschaftswertung belegten. Nach den ersten beiden Rennen nehmen die Wheel Divas in der Gesamt-Mannschaftswertung Platz zwei mit 58 Punkten ein, während das TEAM STUTTGART mit 65 Punkten die Führung übernommen hat. Insgesamt konnten bislang 14 Teams punkten, so dass die Leistung des Berliner Teams mehr als zufriedenstellend ist. Noch acht Rennen sind bis Ende September zu absolvieren, wobei beim Einzelzeitfahren und den zwei Straßenrennen in Bad Dürrheim, als RiderMan ausgeschrieben, auch Lea Fuchs gern dabei sein möchte.
Nicht unerwähnt sollen auch Linda Paduch, Maren Thümmler, Lisa Marie Masnik, Sophie Fiedler, Fenja Gerpott, Antonia Mühlbach und Lotta Schoenemeyer bleiben, wobei Letztere als einzige von Anfang an dabei ist. Das Engagement aller Beteiligten um Teammanagerin Sina Päske und Clemens Ludwig als Sportlicher Leiter ist groß, alle sind mit Begeisterung bei der Sache und haben etwas geschaffen, das es zu honorieren gilt. Dazu zählt auch das neugeschaffene Wheel Devils Cycling Team der Junioren unter der Sportlichen Leitung von Michael Lemke, das derzeit sechs Fahrer umfasst, zu denen Felix Fleischmann, Jerome Buth, Paul Quabs, Philipp Selbmann, Franz Emil Rieve und Laurin Stein gehören. Das bislang beste Ergebnis erzielte Felix Fleischmann bei den 58. Gippinger Radsporttagen, wo er hinter Luca Martin vom STEVENS Juniorenteam Thüringen einen ausgezeichneten zweiten Platz belegte.
Das Engagement aller Beteiligten ohne jegliche Unterstützung seitens des Berliner Radsport Verbandes ist nur zu bewundern. Ein Zusammenwirken beider Seiten zur Förderung des Radsportnachwuchses insgesamt wäre in der Zukunft nur zu begrüßen, allein uns fehlt der Glaube, wenn wir die Querelen um die 28. Internationale kids-tour Berlin beobachten. Ob sie wirklich im nächsten Monat stattfindet, das steht mehr denn je noch in den Sternen. Arme Sportstadt Berlin!
Bericht: Bernd Mülle
Fotos: Arne Mill