Es gibt wohl kaum eine Rundfahrt, die einen kompletteren Fahrer abverlangt wie die auf vier Etappen in drei Tagen verteilte Oderrundfahrt ganz im Osten der Republik. Um so erstaunlicher, dass sich hier immer wieder Teams aus Tschechien, Luxemburg und Kontinental Teams aus dem Westen der Republik einfinden, um sich im wahrsten Sinne des Wortes so richtig die Kante zu geben. Im wesentlichen liegt das aber an der klein aber fein organisierten Tour, durchgeführt vom Frankfurter Radsportclub um Dan Radtke, der seit der Wiederbelebung vor drei Jahren einen hervorragenden Job macht. Es gibt hier keine üppigen Preisgelder. Hier fährt man wirklich noch, um den eigenen Schweinehund zu besiegen und um die Ehre. Genau wie Anfang der 60er Jahre, als die Oderrundfahrt zum ersten Mal ausgetragen wurde.
Rückblick auf die Oderrundfahrt 2012
So manch einer aus den alten Bundesländern fühlte sich gerade beim Abschlussrennen im Ortsteil Wuhden von Podelzig in diese Zeit zurückversetzt. Einige Teilnehmer und Sieger aus den vergangenen Jahren, wie Marcel Kittel und Rüdiger Selig fahren heute in den besten ProTour und ContinentalPro Teams der Welt. Dies zeigt welchen Stellenwert diese Rundfahrt hat. Wer sich hier durchbeißt, hat sich den Namen Lizenzfahrer redlich verdient.
1. Tag – 1. Etappe 75km RR in F/O:
Rundstreckenrennen in der Frankfurter Innenstadt auf einem 1,5 Kilometer langen L-förmigen Kurs mit zwei 180 Grad- und zwei 90 Grad-Kurven, einem 500 Meter langen Anstieg mit acht Prozent Steigung, der 50-mal überfahren werden muss. Drei Sprintwertungen zwischendurch, wobei es drei, zwei und eine Bonussekunde zu gewinnen gibt. Am Ende wird das Gelbe Trikot für den Tagessieger und das Weiße für den besten Sprinter vergeben.
Alle Fahrer sind hochmotiviert und so wird auch vom ersten Meter an Vollgas gefahren.
Nach etwa der Hälfte des Rennens konnte sich eine 12-köpfige Spitzengruppe, mit drei Fahrern aus dem tschechischen Team Sparta Prag, drei Fahrern vom Team Nutrixxion, zwei aus dem Team Univega, einer vom Team Specialized, einer vom Team Lexxi, einer vom Team Raiko Stölting und einer vom Dresdener SC, absetzen, die einen Vorsprung von einer Minute und 20 Sekunden herausfuhr. Das war natürlich ein ganz schönes Polster und somit war klar, dass auch der Gesamtsieger aus dieser Gruppe kommen würde. Die erste Etappe gewann souverän Nils Plötner vom Team Raiko Stölting. Das weiße Trikot sicherte sich Max Walsleben vom Team Nutrixxion.
2. Tag – 2. Etappe 140,4 km SR in der Oderniederung:
Regen und Gewitterwolken verdunkelten den Himmel, der von immer wieder durchzuckenden Blitzen erhellt wurde. Zwei Stunden vor dem Start begann es dann in Sturzbächen hernieder zu prasseln. Doch zum Start hin hörte es zumindest auf zu regnen, die nassen Straßen blieben, auf denen sich eine schwüle Hitze entwickelte. Auf den schmalen Wirtschaftswegen in der Thälmannsiedlung, über welche die 2. Etappe führen sollte, sahen die Fahrer bereits nach der 1. Runde aus wie bei einem Querfeldeinrennen. In der ersten Hälfte des Rennens, versuchten immer wieder kleinere Ausreißergruppen die Flucht nach vorn. Nach gut der Hälfte der 140 zurückzulegenden Kilometer konnte sich dann doch eine 3er Gruppe auf dem pottflachen 10 Kilometer langen Rundkurs absetzen. Nach kurzer Rücksprache der Favoriten untereinander ließ man die Ausreißer bis auf 2 Minuten und 20 Sekunden gewähren. Zwei Runden vor Schluss organisierte man die kontinuierliche Nachführarbeit. Vier Kilometer vor dem Ziel waren die Ausreißer gestellt und es lief alles auf einen Massensprint hinaus. Diesen konnte der Bahnfahrer Erik Mohs vom Team Jenatec für sich entscheiden. Zweiter wurde Erik Baumann (Team Univega), der sich damit das gelbe Trikot eroberte. Das Weiße blieb auf den Schultern von Max Walsleben.
2. Tag – 3. Etappe 19,8 km EZF in der Oderniederung:
Die schwüle Nachmittagshitze wurde noch einmal kurz nach dem Start der ersten Fahrer durch einen heftigen Regenschauer unterbrochen. Für die meisten blieb es dann aber doch bis zum Ende trocken. In diesem Einzelzeitfahren sollte der Grundstein für den Gesamtsieg gelegt werden. Niels Plötner holte sich nicht nur den Etappensieg, sondern baute seinen Vorsprung um gut eine halbe Minute aus. Auf Platz zwei fuhr der Tscheche Tomas Okrouhlicky vor und den dritten Platz in der Gesamtwertung sicherte sich Max Walsleben aufgrund der vielen Bonussekunden, die er sich auf den ersten beiden Etappen in den Zwischensprints ergattert hatte.
3. Tag – 4. Etappe 154 km SR Rund um den Zeisigberg
Und dieser Zeisigberg hat es in sich. Gut ein Kilometer Kopfsteinpflaster aus reinen Feldsteinen. 16 Prozent steil, 14-mal zu erklimmen, nass und glitschig vom Regen aus der vergangenen Nacht. Schwüle Hitze ein wahres Freudenfest für alle noch im Pelothon Verbliebenen.
Da wurde dann auch schon mal ein Stück den Berg hinauf gerannt, wenn das Hinterrad auf dem nassen Kopfsteinpflaster keinen Gripp mehr hatte oder sich ein vorausfahrender Fahrer verschaltete und plötzlich in der Steigung stehen blieb.
Etliche gerissene Ketten und andere Materialschäden sowie physische Schwächen zwangen dann doch 40 Prozent der Teilnehmer zur Aufgabe. Den im Feld verbliebenen Fahrern, die sich eisern, mit schmerzverzerrtem Gesicht über die volle Distanz mit kämpferischem Einsatz bis zur Ziellinie durchgebissen haben, gebührt aller höchster Respekt.
So gab es am Ende natürlich einen verdienten Sieger. Auch wenn er auf der letzten Etappe arge Probleme hatte und von seinen Mannschaftskameraden regelrecht durch das Rennen gepeitscht werden musste, konnte Nils Plötner vom Team Raiko Stölting das Gelbe Trikot mit nach Hause nehmen. Platz zwei ging nach Tschechien an Tomas Okrouhlicky vom Team Sparta Prag. Den dritten Platz und das weiße Trikot des besten Sprinters sicherte sich mit dem Sieg der letzten Etappe souverän Max Walsleben vom Team Nutrixxion.
In den drei Tagen entstand so etwas wie eine richtig familiäre Atmosphäre unter allen Teilnehmern und Betreuern. Man half sich gegenseitig wo es nur ging, reichte auch Fahrern anderer Teams Trinkflaschen. So sollte Radsport eigentlich immer sein und trotz der Härte dieser Rundfahrt, die dem Fahrer alles abverlangt, hat es allen riesen Spaß gemacht. Auch wenn der ein oder andere etwas Pech hatte und während dieser Tage arg gebeutelt wurde, steht für die meisten Teilnehmer auf jeden Fall fest: Wir sind im nächsten Jahr wieder dabei!
Parallel dazu wurden auch noch zwei Rennen im Rahmen des Storck Bicycle MOL Cup ausgetragen. Am Samstag ging es über 64,8 Kilometer in der Oderniederung und am Sonntag hatten auch die Jedermänner das Vergnügen den Zeisigberg siebenmal zu erklimmen.
Am Samstag auf der flachen Runde, ebenfalls mit Start und Ziel in der Thälmannsiedlung, siegte bei den Männern Dennis Vögeding (Team Velodelight) und konnte somit seinen Vorsprung in der Gesamtwertung weiter ausbauen. Zweiter wurde Marek Bosniatzki (Team Storck Cyclestore Berlin) und Platz drei belegte Christian Müller vom Team Univega. Bei den Frauen siegte Lydia Wegemund (Team Stevens Biehler) vor Julia Plewe (vom PSV Cycling Team) und Stefanie Wolters (Triteam Berlin).
Der Sonntag sollte auch den Jedermännern alles abverlangen. Obwohl die 16 Prozent steile Feldsteinpassage abgetrocknet war, war die Strecke nicht unbedingt viel leichter. Das allseits beliebte Sprichwort: „Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt“ kam doch bei einigen Fahrern früher als erwartet zur praktischen Anwendung. Nicht ganz ohne Eigenverschulden, denn die meisten haben ihre Kräfte doch stark überschätzt und waren mit dem falschen Ritzelpaket unterwegs. Sie mussten dann schmerzhaft feststellen, dass es auch in Brandenburg Berge gibt, die eher mit dem 27er oder gar 28er Ritzel und vorn vielleicht besser mit einem 36er Kettenblatt zu fahren gewesen wären anstatt mit einem 23er oder gar 21er Ritzel.
Am Ende setzten sich wieder die Favoriten durch. Marek Bosniatzki gewann vor Dennis Vögeding und Christoph Klipp. Bei den Frauen erreichten nur zwei Fahrerinnen das Ziel, die eisern bis zum bitteren Ende kämpften. Lydia Wegemund (Team Stevens Biehler) siegte vor Julia Plewe (vom PSV Cycling Team).
Auch bei den Jedermännern gab es hinterher viel aufzuarbeiten und so wurde der prägende Streckenabschnitt natürlich noch einmal ausschweifend verbal rekonstruiert.
Für das leibliche Wohl der Aktiven war ausreichend gesorgt und so konnte man sich im Anschluss an das Rennens noch bei Kaffee, Kuchen, Bratwurst und einem Kaltgetränk niederlassen und ausgiebig austauschen.
> zur turus-Fotostrecke: 2. Etappe – Rund in der Oderniederung
> zur turus-Fotostrecke: Einzelzeitfahren in der Thälmannsiedlung
> zur turus-Fotostrecke: Rund um den Zeisigberg (Elite & Jedermann)
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