Der britische Radprofi Bradley Wiggins gewinnt die Tour de France 2012. Zu Ende ging ein Radsportspektakel, das vor allen Dingen in Frankreich und nun wohl auch in Großbritannien hoch im Kurs steht. Ein mediales Großereignis. Ein Wettkampf, bei dem nicht nur der körperliche Einsatz, sondern auch das Material entscheidend ist. Radrennen auf Hightech-Rädern. Das sah gewiss vor 60 Jahren noch völlig anders aus. Beim Blick auf historische Aufnahmen wird vor allen Dingen eine Sache auf Anhieb deutlich: Damals wurde in der Regel noch ohne Helm gefahren!
Radsport vor 60 Jahren: Rückblick auf den Klassiker Berlin – Angermünde – Berlin
Was nicht heißen soll, dass es noch keine Fahrradhelme gab. Bereits in den 20er Jahren kamen bei einzelnen Radrennen Hartschalenhelme zum Einsatz. Allerdings waren diese unbequem zu tragen und verhinderten auf Grund des direkten Aufliegens eine Wärmeabfuhr durch den Fahrtwind. Im Breitensport setzten sich die Fahrradhelme erst in den 70er Jahren nach und nach durch. Und man glaubt es kaum: Erst im Jahre 2003 wurde von Seiten der UCI (Union Cycliste Internationale) eine Helmpflicht bei Radrennen eingeführt! Auslöser war der tödliche Sturz des kasachischen Radprofis Andrej Kiwilew auf der Tour Paris – Nizza. Damals hatten sich einige Spitzenfahrer noch immer gegen die Helmpflicht gesträubt, inzwischen gehören die bunten Fahrradhelme auch im Profiradsport zum Alltag.
Anfang der 50er Jahre ging es noch oben ohne auf die Bahn oder die Straße. So auch bei der traditionellen Radfernfahrt von Berlin nach Angermünde und zurück. Dieses Eintages-Radrennen wurde in der DDR meist im April als Eröffnung der Straßensaison ausgetragen. Von Berlin aus ging es zur im nordöstlichen Winkel von Brandenburg (Bezirk Frankfurt/Oder) gelegenen 15.000-Einwohner-Stadt Angermünde und nach einer Schleife zurück in die Hauptstadt.
Die Strecke hatte es durchaus in sich. Häufig war sie um die 200 Kilometer lang, 1969 mussten die Teilnehmer sogar 240 Kilometer bewältigen. Sicherlich ein echter Hieb auf einem Rennrad, dass noch nicht so leicht war wie die heutigen Modelle aus Karbon. Ein Blick auf die Aufnahmen vom April 1952: Baumwollene Kleidung, Lederhandschuhe, Trinkflaschen aus Aluminium steckten bei vielen Fahrern am Lenker, auf den meisten Köpfen saß eine Kappe (Cap). Die einen trugen das Schirmchen nach vorn, die anderen drehten die Kappe aus leichtem Stoff lässig nach hinten. Und die Bilder beweisen: Das Rennen zog bereits Anfang der 50er Jahre zahlreiche Zuschauer an die Strecke. Ein richtiges Getummel gab es am Start-Ziel-Bereich. Moderatoren stimmten bereits damals die Radsportfans ein. Über der Start-Ziel-Linie hingen im April 1952 die Fahnen der Sportvereinigung Post und die Embleme des FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) und der FDJ (Freie Deutsche Jugend).
Im April 1952 konnte der 1928 in Berlin geborene Rudi Kirchhoff den Klassiker Berlin – Angermünde – Berlin gewinnen. Kirchhoff gewann zudem insgesamt viermal das Rennen „Rund um Berlin“ und belegte 1954 den dritten Rang der Gesamtwertung der DDR-Rundfahrt.
Einem anderen großen deutschen Radrennfahrer zu Ehren bekam der Klassiker Berlin – Angermünde – Berlin ab 1957 den Namen „Erich-Schulz-Gedenkrennen“. Im Jahr zuvor stürzte der 1914 ebenfalls in Berlin geborene Erich Schulz auf der sechsten Etappe der DDR-Rundfahrt zwischen Halle uns Eisleben und verstarb noch an der Unglücksstelle.
Bis 1990 wurde das Erich-Schulz-Gedenkrennen in dieser Form ausgetragen. Zweimal musste es abgesagt werden. 1962 auf Grund einer Infektion in Ostberlin und im Bezirk Frankfurt/Oder, 1987 wegen der teilweise gravierenden Straßenschäden. Bemerkenswert: Im Frühjahr 1981 konnte Matthias Kittel das Rennen für sich entscheiden. Er ist der Vater von Marcel Kittel, der derzeit beim Team Argos-Shimano (zuvor Skil-Shimano) unter Vertrag ist und bereits etliche Erfolge einfahren konnte. Wie der Vater so der Sohn. Das gilt auch für den Vater des deutschen Bahn- und Straßenradrennfahrers Marcel Barth. 1986 konnte Thomas Barth beim Rennen Berlin – Angermünde – Berlin triumphieren. Bekannt dürfte zudem der Sieger von 1984 sein: Uwe Raab kam damals nach 165 Kilometern als erster ins Ziel. Beim letzten Rennen im Frühjahr 1990 kam es zu einem Novum. Das erste Mal bekam kein Deutscher bzw. DDR-Radrennfahrer der Siegerkranz um den Hals gelegt. Der Niederländer David Pots überraschte die Konkurrenz und trug sich in die glanzvolle Siegerliste ein.
Fotos: Bilder vom Rennen 1952, unten Marcel Kittel 2011 (turus-Fotoarchiv)
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