Die U23 Rundfahrt war in ihrer 38. Auflage nicht nur die längste, sondern auch mit acht Renntagen (Prolog plus sieben Etappen) über 1.045 Kilometer die derzeit längste Rundfahrt in Deutschland. Mit 20 Teams international hervorragend besetzt, kamen die 120 Fahrer aus 15 Ländern und drei Kontinenten. Den langen Weg aus Übersee, um sich mit den besten Nachwuchsfahrern der Welt zu messen, nahmen die Fahrer aus Australien, Neuseeland und den USA auf sich. Vom heimischen Kontinent stellten sich zwei starke russische Teams, die Nationalmannschaften Schwedens, Großbritanniens, Dänemarks und die starken Niederländer vom Team Rabobank Development der Herausforderung.
38. Internationale Thüringen Rundfahrt: Rückblick aufs Renngeschehen
Aus Deutschland war das Team Stölting mit dem frisch gebackenen Deutschen U23-Meister im Straßenrennen Silvio Herklotz am stärksten einzuschätzen, aber auch das LKT Team Brandenburg, welches in der Vergangenheit immer wieder für einen Etappensieg gut war. Für das Thüringer Energie Team galt es natürlich in heimischen Gefilden besonders Stärke zu zeigen. Jörg Werner brachte daher mit dem Australier Jack Cummings (Juniorenweltmeister im Bahnvierer) und dem Neuseeländer Alex Frame zum ersten mal ein international stark besetztes Team an den Start. Die größte Last ruhte natürlich auf den Deutschen U23 Meister im Einzelzeitfahren und Zeitfahr-Etappenzweiten der Bayern Rundfahrt Jasha Sütterlin.
Doch die Konkurrenz ließ natürlich mit nicht weniger klangvollen Namen aufhorchen, wie dem U23 WM Dritten im Einzelzeitfahren Damien Howson vom Australischen Nationalteam oder dem Dänen Lasse Norman Hansen, dem Olympiasieger von London im Omnium. Die Organisatoren um Renndirektor Stephan Schreck waren sich ihrer Verantwortung voll bewusst, den Akteuren natürlich einiges bieten zu müssen. So wurde die Rundfahrt nach dem Prolog gleich mit der ersten Etappe auf der Klassikerstrecke der Erfurter Hainleite eröffnet. Topografisch anspruchsvoll ging es über den Kyffhäuser und anschließend gleich dreimal über die zwölf Prozent steile Arnstädter Hohle.
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Während Deutschland mit den Fluten des Hochwassers zu kämpfen hatte, mussten auch in Thüringen die Fahrer gegen starken Wind und Dauerregen auf der 1. Etappe ankämpfen. Um so eindrucksvoller setzte sich nach seinem starken Auftritt bei der Bayern Rundfahrt der junge Berliner Silvio Herklotz vom Team Stölting in Szene, als er 2000m vor dem Ziel mit dem Polen Lukasz Wisniowski dem Feld entschwand und einen hauchdünnen Vorsprung von 6 Sekunden ins Ziel rettete. Schwer gebeutelt wurde das LKT Team Brandenburg gleich auf dem zweiten Tagesabschnitt. Der junge hoffnungsvolle Sprinter Willi Willwohl, der jüngst bei der Tour de Berlin drei Etappensiege einfuhr und mit dem auch in Thüringen für den eine oder anderen Tageserfolg zu rechnen sein sollte, brach sich bei einem Sturz den Arm und musste die Rundfahrt beenden.
Auch auf der zweiten Etappe war das Team Stölting am Ausgang des Rennens maßgeblich beteiligt. Auf dem 185 Kilometer langen Teilabschnitt siegte Jan Dieteren im Massensprint. Dritter wurde der Sohn der deutschen Sprinterlegende Rick Zabel hinter seinem Teamkollegen Nick van der Lijke (beide vom niederländischen Nachwuchs-Team Rabobank). Doch zuvor bestimmte über 170 Kilometer eine fünfköpfige Ausreißergruppe das Renngeschehen. In dieser Spitzengruppe war auch der Stuttgarter Tim Schlichenmaier vom Team Bergstrasse Jenatec vertreten. Er konnte sich das grüne Trikot des besten Sprinters sichern und sollte es bis zum Ende der Rundfahrt auf seinen Schultern behalten. Wieder erwischte es das LKT Team Brandenburg. Matthias Plarre war am dritten Tag der Rundfahrt zu Fall gekommen und hatte nach seinem schweren Sturz kaum noch einen Fetzen Haut am Körper. Er konnte zwar die Rundfahrt fortsetzen, doch die starken Schmerzen machten ihm in den folgenden Tagen schwer zu schaffen.
Mit einem Husarenstreich auf der dritten Etappe, gelang dem Berliner Silvio Herklotz die Fahrt ins gelbe Trikot des gesamt Führenden. Nach 90 km des 153 km langen Tagesabschnittes im Anstieg zur dritten Bergwertung schaffte es der erst 19jährige vom Team Stölting, sich zusammen mit den russischen Nationalfahrer Alexander Foliforow vom Feld abzusetzen. Auf der Schlussrunde um Neuhaus am Rennweg ließ der Berliner den Russen sogar stehen und sah schon als der sichere Sieger aus. Doch ein Einbruch auf den letzten Kilometern ließ die Verfolger immer schneller heranfliegen und so wurde er auf der Zielgeraden noch von dem Franzosen Julian Alaphilippe und dem Briten Simon Yates gestellt.
Am vierten Tag wollte das Thüringer Energie Team die Scharte wieder auswetzen, die sie sich am Vortag eingehandelt hatten, als ihr aussichtsreichster Kandidat auf gelb, Jasha Sütterlin einen Rückstand von 4:47 Minuten hinnehmen musste. Der gebürtige Berliner Maximilian Schachmann vom Thüringer Energie Team schaffte es zusammen mit dem Schweden Robert Pölder auf der 171 Kilometer langen Etappe dem Feld zu entkommen. Zwischenzeitlich betrug der Vorsprung über zwei Minuten. Doch auf der Schlussrunde wurden beide Ausreißer wieder vom Feld gestellt und es kam zur Sprintentscheidung. Eines der größten Nachwuchstalente, welches die Australier vom 5. Kontinent mitbrachten, der erst 18jährige Junioren Vize Weltmeister des Straßenrennens im vergangenen Jahr, Caleb Ewan war es, der die Etappe in Langewiesen für sich entscheiden konnte.
Die fünfte Etappe, das Einzelzeitfahren in Streufdorf an der Bayerischen Grenze, sollte die Vorentscheidung bringen. Es zeigte sich einmal mehr, dass die Nationen, die in dieser harten Disziplin, wo jeder Fahrer gegen sich selbst und gegen die Zeit kämpfen muss, die Nase vorn hatten, die in der jüngsten Vergangenheit am intensivsten an der Aeroposition ihrer Fahrer und der Materialoptimierung gearbeitet hatten. Leider gehören Deutschlands Nachwuchsfahrer nicht dazu. Obwohl der derzeit beste Zeitfahrer der Welt im Thüringer Energie Team sein Handwerk gelernt hat und das entscheidende Know-how für diese Disziplin aus Deutschland kommt, hat man die Entwicklung weitestgehend ignoriert und verschlafen. Anders hingegen die Australier, US Amerikaner, Briten, Dänen, Niederländer und Russen, denen diese Erkenntnisse nicht verborgen blieben und die sich seit Jahren von Spezialisten aus Deutschland betreuen lassen.
Mit deutlichem Erfolg! Gleich drei Australier schafften es im Kampf gegen die Uhr unter die besten Sechs. Kein Wunder, denn Garant des Erfolgs ist der Kölner Aerodynamikspezialist Lars Teutenberg (mit 41 Jahren selbst Dritter der Deutschen Meisterschaft der Elite im Einzelzeitfahren 2012), der jahrelang das Team Highroad betreute, somit auch Toni Martin zu seinen Erfolgen führte und jetzt für das australische Orica GreenEdge Team zuständig ist.
Auch der deutsche U23 Meister in dieser Disziplin und Zweitplatzierte des Zeitfahrens der Bayern Rundfahrt, hatte im Kampf um das Podium keine Chance. Platz 5 mit 43 Sekunden Rückstand auf den führenden Campbell Flakemore war die bittere Erkenntnis des Tages. Das gelbe Trikot übernahm der Drittplatzierte des Zeitfahrens Dylan van Baarle vom niederländischen Team Rabobank. Zwar nur Vierter im Tagesklassement aber in der Gesamtswertung nach der 5. Etappe nur 3 Sekunden zurück saß der dänische Olympiasieger im Omnium, Lasse Norman Hansen dem Niederländer verdammt dicht im Nacken und so konnte man sich auf den letzten beiden anspruchsvollen Etappen mit Start und Ziel in Ichtershausen auf zwei sehr spannende Renntage einstellen, die es topografisch in sich hatten.
Auf der 6. Etappe zündete die dänische Equipe ihr Feuerwerk mit dem Ziel, dem Niederländer Dylan van Baarle das gelbe Trikot abzujagen. Auf dem 173 Kilometer langen Tagesabschnitt mit insgesamt sechs Bergwertungen initiierte der Däne Magnus Cort Nielsen bereits nach 27 Kilometern eine Ausreißergruppe, in der auch sein Teamkollege Michael Andersen vertreten war. Der große Coup, den Führenden van Baarle vom Team Rabobank in Bedrängnis zu bringen gelang ihnen zwar nicht, denn auf der Schlussrunde zerrann der Vorsprung der sechs Ausreißer wie Sand durch die Finger. Die beherzte Schlussattacke der beiden Dänen sicherte ihnen jedoch den Doppelsieg in der Tageswertung vor dem Briten Simon Yates.
Auf dem letzten Tagesabschnitt der Rundfahrt versuchte der Thüringer Jasha Sütterlin auf seinem Heimrennen noch einmal Flagge zu zeigen und war zusammen mit einem weiteren Deutschen, Ruben Zepuntke vom Team Rabobank in der Spitzengruppe vertreten. Drei Kilometer vor dem Ziel wurde die Gruppe gestellt und es kam erneut zum Massensprint in dem der Australier Caleb Ewan seinen Zweiten Tageserfolg der Rundfahrt feiern durfte. Das gelbe Trikot den Gesamtführenden blieb am Ende auf den Schultern des Niederländers Dylan van Baarle vom Team Rabobank. Drei Sekunden dahinter landete der Däne Lasse Norman Hansen auf dem Zweiten Rang. Platz Drei ging an den australischen Prologsieger und Zeitfahretappenzweiten Damien Howson.
Das Bergtrikot sicherte sich der Däne Magnus Cort Nielsen und das des Punktbesten ging durch den Sieg der finalen Etappe nach Australien an Caleb Ewan. Bester Nachwuchsfahrer wurde der US-Amerikaner Taylor Eisenhart, sicherlich eines der vielversprechendsten Allroundtalente der Zukunft. Das Trikot des besten Sprinters blieb nach der zweiten Etappe auf den Schultern von Tim Schlichenmaier (Team Bergstrasse Jenatec). Bester Deutscher wurde der Berliner Silvio Herklotz mit Platz 8 in der Gesamtwertung vom Team Stölting. Jonas Koch vom LKT Team Brandenburg wurde Zwölfter und Christopher Hatz vom Team Bergstrasse Jenatec Dreizehnter.
Auch wenn die Thüringer Mannen ihrem erwünschten Erfolg in diesem Jahr hinterher gefahren sind, war deutlich zu spüren, dass Thüringen seinem Namen als sportbegeistertes Bundesland alle Ehre macht. Vorbei an vielen attraktiven Sehenswürdigkeiten, die das Land zu bieten hat, wie dem Kyffhäuser, den Drei Gleichen und natürlich hinauf zur Wintersporthochburg Oberhof wurde sowohl vom äußerem Eindruck wie auch bei der topografischen Streckenführung nichts ausgespart.
„Die Jungs wollen alle einmal Profi werden und so müssen sie sich an die härte einer anspruchsvollen Rundfahrt gewöhnen“, so das Statement des Rundfahrtsleiters Stephan Schreck. „Wir haben an acht Tagen Spitzensport auf allerhöchstem Niveau erleben dürfen und werden auch in Zukunft daran arbeiten die Rundfahrt weiter zu entwickeln. Es gibt immer etwas, was wir noch verbessern können.“ So die selbstkritische Gesamteinschätzung des ehemaligen Telekom-Profis.
Fotos: Arne Mill
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