Tour de France: Riesenspektakel am Mont Ventoux, tosender Jubel für alle

Was für eine großartige Stimmung! Die 100. Tour de France hatte auf der 15. Etappe in der Provence von Givors zum Mont Ventoux einen spektakulären Höhepunkt. Wer am gestrigen Sonntag als Zuschauer oder Fotograf (oder beides) an der Strecke dabei sein wollte, musste zeitig planen und sein Plätzchen einnehmen. So war die Auffahrt von Bédoin aus, wo auch die Strecke entlangführte, bereits am Samstagmorgen komplett dicht. Nichts ging mehr. Kein Rauf, kein Runter. Zumindest nicht mehr mit einem PKW oder gar mit einem der vielen Wohnwagen. Nur noch zu Fuß oder mit dem mitgebrachten Fahrrad konnte die Route abgelaufen bzw. abgefahren werden.

Am Renntag selbst blieb nur noch die Auffahrt von Malaucéne auf. Aber auch von dort aus musste man bereits sehr früh los. Sechs Kilometer vor dem Gipfel war auch hier Schluss. Hier hieß es auf Schusters Rappen oder auf dem Rad das letzte Stück bewältigen. Da es jedoch nicht einfach war, seinen mitgebrachten Drahtesel irgendwo entlang der proppenvollen Strecke abzustellen, war es in der Tat besser, sich zu Fuß zum Ort des Geschehens zu begeben. Bereits gegen 11:30 Uhr war es auf dem Gipfel des 1.912 Meter hohen Mont Ventoux, der einst den Kelten und in der Gegenwart den Radsportfreunden heilig ist, sehr voll.

Der vegetationsarme Mont Ventoux, der auch „Windiger Berg“ genannt wird und in der Tat im Sommer vom kalt wirkenden Mistral heimgesucht wird, liegt in den Provenzalischen Voralpen und ist geprägt von deutlicher Verkarstung. Bei sehr gutem Wetter kann man vom Gipfel aus die höchsten Gipfel sowohl der Alpen als auch der Pyrenäen sehen. Erstmals überregional bekannt wurde der Mont Ventoux Dank der Besteigung durch den italienischen Dichter und Humanisten Francesco Petrarca im Jahre 1336. Exakt 615 Jahre später stand der Mont Ventoux erstmals auf dem Streckenplan der Tour de France. Traurige Berühmtheit erlangte der Berg am 13. Juli 1967, als der englische Radprofi Tom Simpson anderthalb Kilometer vor dem Gipfel zusammenbrach und noch am Unfallort verstarb. Simpson war allerdings nicht der einzige Radsportler, der am Mont Ventoux zu Tode kam. Jährlich sterben zahlreiche Radamateure, die sich beim Aufstieg versuchen.

Bisherige Etappensieger am Mont Ventoux waren Charly Gaul (1958), Raymond Poulidor (1965), Eddy Merckx (1970), Bernard Thévenet (1972), Jean-François Bernard (1987), Marco Pantani (2000), Richard Virenque (2002) und Juan Manuel Gárate (2009). Sechs weitere Male (1951, 1952, 1955, 1967, 1974 und 1994) wurde der Mont Ventoux zudem im Rahmen der Tour de France überquert. Viermal konnte ein Franzose die dortige Etappe gewinnen, dreimal lag ein Franzose bei der Überquerung vorn. Stichwort Frankreich: Bevor das Fahrerfeld der 100. Tour de France den Mont Ventoux erreichte, überflog eine Fliegerstaffel der französischen Armee den Gipfel und versprühte Nebel in den Farben der Tricolore.

Die Stimmung stieg. Kostüme wurden angelegt, die Namen der jeweiligen Helden wurden auf den Asphalt geschrieben. Man begann sich untereinander kennenzulernen. Slowakische Sagan-Fans und die Franzosen. Die Australier und die Polen. Und selbstverständliche die Briten. Briten, Briten, überall Briten. Diese wollten die große Froome-Show erleben und wurden nicht enttäuscht. Am frühen Nachmittag quälten sich die letzten Radsportfans den Berg hinauf und wurden von den anderen frenetisch angefeuert. Gegen 15 Uhr kam schließlich die riesige Werbe-Karawane und heizte die Stimmung unter den Zuschauern mit lauter Musik und reichlich Werbegeschenken weiter mächtig an.

Kurz darauf überflog der erste Helikopter im Tiefflug den Berg und wenig später stiegen die drei Übertragungshubschrauber zwei Serpentinen weiter unten über der ersten Kuppe auf. Ein klares Zeichen dafür, dass die Spitze im Anmarsch war. Die Stimmung begann nun richtig zu kochen. Auf der unteren Serpentine waren die ersten Pressemotorräder zu sehen und die beiden führenden Fahrer Nairo Alexander Quintana Rojas und Christopher Froome tauchten hinter der Biegung auf. Handfackeln wurden gezündet, roter Rauch stieg auf, Fahnen wurden geschwenkt. Eine unglaubliche Stimmungswoge schaukelte sich mit den beiden Führenden den Berg hinauf.

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Als die beiden ein Stück höher waren, rannten rechts und links die begeisterten Fans neben den Spitzenreitern her und feuerten sie lautstark an. Auch die slowakische Sagan-Fraktion und die norwegischen Boasson-Hagen-Fans (obwohl der gar nicht mehr im Rennen ist, er schied mit einem Schlüsselbeinbruch nach einem Sturz aus) sorgten für eine großartige Stimmung. Und das Gute: Jeder Fahrer hinter den beiden Führenden bekam von allen Zuschauern den gleichen lautstarken Applaus und wurde wie ein Etappensieger umjubelt und gefeiert. Keine Frage: Ein unvergessener Tag sowohl für die Fans als auch für die Fahrer.

Als erster Brite konnte Chris Froome einen Etappensieg am Mont Ventoux feiern. Zweiter der 15. Etappe wurde Nairo Alexander Quintana Rojas, der derzeit das weiße Trikot tragen darf. Den dritten Rang holte der spanischer Fahrer Mikel Nieve Iturralde vor seinem Landsmann Joaquin Rodrigues Oliver. Alberto Contador wurde mit einem Rückstand von einer Minute und 40 Sekunden Sechster. Bester deutscher Fahrer dieser spektakulären Etappe wurde Andreas Klöden (Team Radioshack Leopard). Mit einem Rückstand von zehn Minuten und 42 Sekunden erreichte er gemeinsam mit seinem Teamkameraden Andy Schleck als 38. die Ziellinie.

In Zusammenarbeit mit Arne Mill

Fotos: Arne Mill

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