Rückblick und Fazit: 80. UCI Rad-Weltmeisterschaften in der Toskana 2013

AM Updated 02 Oktober 2013
Brasilien bei der UCI WM

Rui CostaBei stürmischen Böen und heftigem Dauerregen endeten mit dem Straßenrennen der Männer Elite die Straßen-Radweltmeisterschaften in der Toskana. Trotz des schlechten Wetters haben sich hunderttausende Radsportfans aus den verschiedensten Ländern eingefunden, um beim großen Finale in Florenz für eine einzigartige Stimmung an der Strecke zu sorgen, ihre Helden und Idole lautstark mit einer Vielzahl von selbstgebastelten Transparenten, Bannern, Fahnen und den ausgefallensten Kostümen anzufeuern. Anders als an den Tagen zuvor, wo vor allem in der Innenstadt eher Touristen den Parcours entlang der Zeitfahrstrecke säumten, haben sich zu den Straßeneinzelwettbewerben gerade am Pass hinauf nach Fiesole die richtig eingefleischten Radsportfans aus Polen, Tschechien, der Slowakei, Norwegen, Belgien, den Niederlanden und natürlich Italiener über Italiener eingefunden. 

WMMusikanlagen wurden aufgebaut, Verpflegungszelte für den eigenen Fantross eingerichtet und Chorgesänge in den verschiedensten Landessprachen sorgten entlang der 16,57 Kilometer langen Schlussrunde für gute Laune und eine fantastische Stimmung. Diese Atmosphäre wird wohl auch den ein oder anderen Profi dazu bewogen haben, trotz des schlechten Wetters und einiger heftiger Stürze trotzdem wieder aufs Rad zu steigen und das Rennen über die gesamte Distanz von 272,26 Kilometer zu beenden, auch wenn das Endergebnis letztlich keine entscheidende Rolle mehr spielte.

WMEinige Fahrer konnten das Rennen nach mehreren Stürzen, Rippen-, Schlüsselbein- und Schulterfrakturen nicht fortsetzen, wie der US amerikanische Vueltasieger Christopher Horner oder der Spanier Samuel Sanchez. Auch den deutschen Kapitän Dominik Nerz hat es erwischt und er musste das Rennen frühzeitig beenden. Das deutsche Team bot trotzdem eine sehr gute Vorstellung und trotzte des schlechten Wetters mit Kämpferherz und einer starken Moral. Allen voran der Sprinter John Degenkolb, der bis zum Eingang der letzten Runde immer in der Spitze des Hauptfeldes zu sehen war. Als der Italiener Vincenzo Nibali am letzten Anstieg hinauf nach Fiesole das Finale eröffnete, musste er allerdings doch passen und den Bergfahrern den Kampf um das Regenbogentrikot überlassen. Auch der gebürtige Zschopauer Marcus Burghardt aus dem BMC Racing Team erwies sich als hervorragender Beschützer seiner beiden Kapitäne Nerz und Degenkolb. In der Vorletzten Runde initiierte er noch einmal eine Attacke, die aber von den Belgiern und Italienern neutralisiert wurde. Der Berliner rundete das Gesamtergebnis der deutschen Mannschaft ab, als er sich im Finale den 14. Rang erkämpfte. Fabian Wegmann ebenfalls durch mehrere Stürze gehandicapt, kämpfte sich immer wieder ins Feld zurück. Im Finale fehlte ihm aber doch die Kraft, im Kampf um die vorderen Plätze mit einzugreifen.


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Männer EliteDas Rennen machten schließlich die beiden Spanier Joaquin Rodriguez, Alejandro Valverde, der Portugiese Rui Costa und der Italiener Vincenzo Nibali in einem unglaublich packenden Finale unter sich aus. Rui Costa war es schließlich, der lang genug wartete, bis die anderen drei Kampfhähne sich ihre Krallen abgewetzt hatten, um dann am Mandela Forum in Florenz das begehrte Regenbogentrikot für ein Jahr in Empfang zu nehmen. Costa hatte in diesem Jahr bereits bei der Tour de France bewiesen, als sein Kapitän Alejandro Valverde im Kampf um das Podium in Paris chancenlos zurück lag und er freie Fahrt hatte, dass er ein Fahrer mit sehr viel Übersicht ist und neben seiner Cleverness durchaus auch das Vermögen besitzt, bei schweren Etappenankünften um den Gesamtsieg mitzufahren.

FrauenAm Tag zuvor hatten die Frauen bei wesentlich angenehmerem Wetter das Vergnügen aus 141 Teilnehmerinnen über 140,05 Kilometer die Weltmeisterin im Straßeneinzelrennen zu ermitteln. Dabei ging es für die Damen fünfmal hinauf nach Fiesole und ebenfalls fünf mal war die 16 Prozent steile Rampe auf der Via Salviati zu überwinden. Hier zeigte sich sehr deutlich, dass nur wenige Fahrerinnen das Leistungsniveau hatten, auf dem harten und anspruchsvollen Kurs zu bestehen. Von den 46 Fahrerinnen, die das Ziel erreichten, hatten 31 einen Rückstand von mehr als 5 Minuten. Die deutsche Mannschaft, die sich im Vorfeld ein schweres Rennen wünschte, brachte mit Trixi Worrack als 20. und Claudia Häusler als zwölftplatzierte zwei Fahrerinnen ins Ziel. Häusler, die bereits in der vorletzten Runde Probleme an der steilen Rampe der Via Salviati hatte, war im Finale, als die Niederländerinnen und Italienerinnen ihr Feuerwerk zündeten, chancenlos.

VosTrixi Worrack hatte bis zur vorletzten Runde einen sehr guten Job gemacht und mehrfach die Ausreißerinnen durch konsequente Nachführarbeit zurückgeholt. Am Ende konnte aber auch sie in den schweren Anstiegen den Spitzenfahrerinnen nicht mehr folgen. Im Finale auf der Via Paoli am Mandela Forum siegte in einer beeindruckenden Vorstellung die Niederländerin Marianne Vos vor der Schwedin Emma Johansson und Rossella Ratto aus Italien. Nicht zu Unrecht wurde die Olympiasiegerin von London 2012, unter dem Jubel zahlreicher angereister holländischer Fans als Eddy Merckx des Frauenradsports bezeichnet.

JuniorenAm Vormittag hatten die Junioren die gleiche Distanz zu absolvieren. Bereits früh bildete sich eine große knapp 20 Mann starke Spitzengruppe, in der fast alle führenden Radsportnationen vertreten waren. Auch die deutschen waren mit Marco König in der Spitzengruppe vertreten und hatten somit alles richtig gemacht. Als es auf die fünfmal zu umfahrende Schlussrunde ging, zerfiel die Gruppe sehr schnell. Die US-Amerikaner und die Dänen waren nicht mit ihren besten Bergfahrern in der Fluchtgruppe vertreten und begannen im Feld ordentlich Druck zu machen.

PoelSomit schmolz der fünfminütige Vorsprung wie Schnee in der Sonne und zwei Runden vor Schluss war auch der Letzte der Ausreißer gestellt. In der letzten Runde im letzten Anstieg auf der Via Salviati konnte sich die entscheidende Gruppe, aus 24 Fahrern bestehend, absetzen. Leider verpasste Julian Schulze, den am letzten Anstieg Krämpfe in den Beinen plagten, den Sprung in diese Gruppe, so dass das deutsche Team sich am Ende nach einem harten Arbeitstag mit Rang 27 zufriedengeben musste. Das Regenbogentrikot holte sich Mathieu van der Poel aus den Niederlanden vor Mads Pedersen aus Dänemark und dem Albaner Iltjan Nika.

HerklotzIm Rennen der U23 sah es aus deutscher Sicht ähnlich aus wie bei den Frauen. Eigentlich waren nur zwei Fahrer dem anspruchsvollen Kurs in der Toskana auf der siebenmal zu umfahrenden Schlussrunde gewachsen. Somit war für den Freiburger Jasha Sütterlin, der in der kommenden Saison vom Thüringer Energie Team zum spanischen Movistar Pro Team wechselt, ein reichliches Stück Arbeit zu bewältigen. Er sollte seinem Kapitän, dem Berliner Silvio Herklotz vom Stölting Team, fürs Finale den Rücken frei halten. Er bewältigte diesen Job bravourös und konnte sich sogar in der drittletzten Runde kurzzeitig mit einer Fluchtgruppe absetzen, die aber nach wenigen Kilometern wieder gestellt wurde.

SiegerHerklotz war im Finale in der Spitzengruppe vorn mit dabei, verpasste aber den entscheidenden Zeitpunkt als der spätere Sieger, der Slowene Matej Mohoric sich mit dem Zweitplatzierten, dem Südafrikaner Louis Meintjes aus der Spitzengruppe absetzte. Insgesamt konnte der erst 19-jährige Silvio Herklotz aber mit Platz 8 nach einer hervorragenden Saison (Platz 25 Bayernrundfahrt, Deutscher Meister U23 Straßeneinzelrennen, zwei Tage im gelben Trikot bei der Thüringen Rundfahrt) zufrieden sein. Zumal er kurz zuvor noch mit einer Erkältung zu kämpfen hatte. Somit ist sein Ergebnis, im ersten Jahr als U23-Fahrer aus deutscher Sicht mit am wertvollsten zu bewerten.

JuniorinnenDie Juniorinnen machten den Auftakt. Ihnen wurde zwar die Anfahrt nach Florenz erspart, aber auch sie mussten fünfmal über die schwere 16,6 Kilometer Runde über Fiesole und die Via Salviati. Bereits in der ersten technisch anspruchsvollen Abfahrt hinunter von Fiesole konnte sich die Eichstätterin Anna Knauer zusammen mit der Ukrainerin Olena Demydova vom Feld absetzen und hatte 20 Sekunden Vorsprung heraus gefahren. Lediglich die Russin Anastasiia Iakovenko schaffte noch den Sprung aus dem Feld und verstärkte die Ausreißerinnen zu einem Trio. In der zweiten Runde setzten die Dänen Amalie Dideriksen, die ebenfalls wie Anna Knauer starke Qualitäten auf der Bahn besitzt, zusammen mit der Kolumbianerin Jessenia Meneses Gonzalez nach und die Gruppe wuchs auf fünf Fahrerinnen an.

DeutscheIn der dritten Runde bekam die Deutsche jedoch erste Probleme, konnte sich aber als gute Abfahrerin wieder zurück nach vorn kämpfen. In der 4. Runde verließen sie jedoch endgültig die Kräfte und sie musste ihre Mitstreiterinnen ziehen lassen. Dennoch zeigte ihr couragiertes Auftreten im Straßenrennen, dass sie durchaus in der Lage ist, auf der Straße im anspruchsvollen Terrain mit den Besten mitzuhalten. Zumal das ständige Hin- und Herwechseln zwischen Bahn und Straße nicht unbedingt leicht ist. Nach einer starken und sehr langen Saison mit dem WM-Titel in Glasgow auf der Bahn im Omnium, sollte ihr der Auftritt in Florenz Mut für die kommende Saison geben, in der sie sich dann im ersten Jahr bei den Frauen beweisen muss.

DäninDas 19-köpfige Hauptfeld schaffte es den zwischenzeitlich bis auf 2 Minuten angewachsenen Vorsprung noch auf 30 Sekunden zu verringern. Lisa Klein, die sich mit in dieser Gruppe befand, belegte am Ende als beste Deutsche Rang 11 und verpasste knapp den Sprung in die Top Ten. Tatjana Paller wurde 26. Und Anna Knauer erreichte als 46. das Ziel. Luisa Kattinger belegte als vierte deutsche Starterin Platz 56. Den Sieg holte sich die Dänin Amalie Dideriksen im Sprint vor der Russin Anastasiia Iakovenko und Olena Demydova aus der Ukraine.

KnauerInsgesamt war der Auftritt der deutschen Mannschaft in der Toskana eher durchwachsen. Die Sportler haben sich gut verkauft und mit kämpferischem Einsatz in Szene gesetzt, auch wenn der kämpferische Auftritt nicht immer zum erwarteten Erfolg geführt hat. Doch wenn man hohe Erwartungen in seine Sportler setzt muss man auch einiges dafür tun. Die WM in der Toskana hat sehr deutlich gezeigt, dass die Konkurrenz nicht schläft. Fahrer aus Ländern wie Eritrea, Südafrika, Albanien drängen ebenfalls in die Weltspitze und sind nicht mehr nur interessantes, exotisches und schmückendes Beiwerk. Ganz zu schweigen von Ländern wie den USA, Australien, Belgien, den Niederlanden, Italien und Frankreich.

UCI WMEs gibt hierzulande reichlich Arbeit die auf die Vereine, Landesverbände und den Bund Deutscher Radfahrer wartet, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein und nicht den Anschluss zu verlieren. Größte Problematik sind die immer weniger werdenden Straßenrennen und Rundfahrten für Junioren, Juniorinnen und U23-Fahrer. Ohne die wichtigen Rennkilometer langer Straßenrennen und Rundfahrten werden deutsche Rennradfahrer in Zukunft wohl kaum konkurrenzfähig bleiben. Zu wenige Teams im Nachwuchsbereich die für ambitionierte Fahrer, die ins Profigeschäft einsteigen wollen eine Alternative wären. Ganz düster sieht es mit dem deutschen Frauenradsport aus. Die Damen haben nur die Alternative ins Ausland zu wechseln.

Sicherlich haben die negative Berichterstattung im Radsport bzw. die ausbleibende Übertragung der WM nicht förderlich dazu beigetragen die Situation zu verbessern. Doch selbst wenn man in den kommenden Jahren nach den Erfolgen deutscher Radsportler wieder in die Übertragung und Berichterstattung des Radsports einsteigen sollte, wenn die Erfolge der nachfolgenden Generation ausbleiben, wird die Begeisterung nicht allzu lange anhalten.

Fotos: Arne Mill

> zu den turus-Fotostrecken: UCI Straßen-WM 2013

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