Deutscher Vierer in der Qualifikation nicht überzeugend: Nur 5. Platz in Grenchen

BM Updated 16 Oktober 2015
Deutscher Vierer in der Qualifikation nicht überzeugend: Nur 5. Platz in Grenchen

DeutschDie diesjährigen Bahnradsport-Europameisterschaften in Grenchen begannen für die deutschen Mannschaftsverfolger alles andere als erwartet. Obwohl die Frauen mit Charlotte Becker aus Berlin, Mieke Kröger, Stephanie Pohl und Gudrun Stock unter zehn Teams in der Qualifikation den fünften Platz in einer Fahrzeit von 4:33,326 Minuten belegten und damit im Rahmen ihrer Möglichkeiten blieben, war der Abstand zu dem siegenden Team aus Grossbritannien mit mehr als zwölf (!) Sekunden doch erheblich. Die 1. Runde der besten acht Teams wurde zwar erreicht, aber den Frauen bleibt maximal der Lauf um Bronze, den man allerdings nur mit einer erheblichen Steigerung erreichen kann. Der zeitliche Abstand zu den in der Qualifikation zweitplatzierten Russen ist mit knapp drei Sekunden nicht allzu groß, jedoch sollte gegen die Mannschaft aus Irland eine Zeit von 4:30 Minuten anvisiert werden, um die Chancen zu wahren.

DNicht die Erwartungen erfüllte dagegen der Männer-Vierer mit Henning Bommel aus Berlin, Leon Rohde, Kersten Thiele und Domenic Weinstein, die in der Qualifikation unter 14 Teams mit einer Fahrzeit von 4:02,341 Minuten nur den sechsten Platz und damit die 1. Runde erreichten, jedoch ebenfalls maximal noch um Bronze fahren können. Warum man es eventuell „ruhiger“ angehen ließ und auf den derzeit zweitschnellsten Verfolger Nils Schomber verzichtete, bleibt ein kleines Rätsel. Die vorher hochgeschraubten Erwartungen mit einer Zeit knapp unter vier Minuten waren mehr als Makulatur und dürften im Lager des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) für Ernüchterung gesorgt haben.

GBSouverän in der Qualifikation fuhr auch hier Grossbritannien mit Bradley Wiggins an der Spitze, die mit 3:57,277 Minuten Bestzeit fuhren und nur die Schweiz mit einem überragenden Stefan Küng blieb mit 3:59,026 Minuten noch unter der 4-Minuten Marke. Der deutsche Vierer trifft in der 1. Runde auf die Mannschaft von Belgien, die u.a. mit Kenny de Ketele, Jasper de Buyst und Gijs van Hoecke ein nicht zu unterschätzendes Quartett am Start haben. Bleibt zu hoffen, dass vielleicht mit Nils Schomber die Belgier distanziert werden können, um damit die kleine Chance auf Bronze zu wahren.

Am Vormittag des zweiten Tages bleibt für Levy & Co. nur die drittbeste Zeit

teamsprintDer zweite Tag begann mit den Qualifikationen im Teamsprint der Frauen und Männer und hier zählten die deutschen Starter zu den Favoriten. Bei den Frauen waren zehn Nationen am Start und die erfolgsgewohnten Deutschen Kristina Vogel und Miriam Welte hatten insbesondere die starken Russinnen Anastasiia Voinova und Daria Shmeleva zu fürchten. Im vergangenen Jahr war Voinova dreifache Europameisterin im Sprint, 500 m Zeitfahren und Teamsprint, den sie noch mit Elena Brezhniva gewonnen hatte. Die beiden Fahrerinnen aus Russland realisierten mit 32,324 Sekunden die Bestzeit und treffen im abendlichen Finale um Gold nun wie erwartet auf Miriam Welte und Kristina Vogel, deren Zeit von 32,611 Sekunden als Zweite der Quali noch Steigerungspotenzial aufweist.

DDie männlichen Teamsprinter konnten nicht ganz die erwartete Leistung abrufen und landeten mit 43,537 Sekunden auf dem dritten Platz unter zehn Teams. Damit erreichten Robert Förstemann, Max Niederlag und Maximilian Levy „nur“ das kleine Finale um Bronze gegen Frankreich, während etwas überraschend die Niederlande und die in der Qualifikation schnellsten Polen (43,127 Sekunden) das Finale um Gold bestreiten.

In der 1. Runde der Mannschaftsverfolgung der Frauen gab es für das deutsche Team in unveränderter Besetzung mit 4:32,535 Minuten zwar eine zeitliche Verbesserung gegenüber dem Vortag, jedoch musste man gegen Irland eine doch etwas überraschende Niederlage einstecken. Am Abend werden die deutschen Frauen lediglich um Platz sieben gegen Frankreich fahren und damit dürften sie ihr Ziel nicht ganz erreicht haben. Dennoch ein Lob vor allem für Charlotte Becker und Mieke Kröger, die in diesem Jahr ein umfangreiches Straßenprogramm absolviert haben und sich dennoch in den Dienst der Mannschaft stellten. Im spannenden Finale um den Titel sind die erneut Bestzeit fahrenden Britinnen (4:17,708 Minuten) klarer Favorit gegen die Mannschaft aus Russland, die über zehn Sekunden langsamer in der 1. Runde waren.

schweizBei den Männern dürfte das Finale an Spannung kaum zu überbieten sein. Die Lokalmatadoren aus der Schweiz mit Stefan Küng, Silvan Dillier, Thery Schir und Frank Pasche fuhren in der 1. Runde nicht nur zum Sieg gegen Frankreich, sondern sie erzielten die absolute Bestzeit von 3:56,791 Minuten, die selbst die favorisierten Briten mit 3:57,513 Minuten beim Sieg über Russland nicht erreichten. Das Velodrome Suisse wird am Abend buchstäblich Kopf stehen, wenn Küng & Co. gegen Grossbritannien nach der Goldmedaille  greifen. Eine tolle Zeit fuhren auch die Dänen um Lasse Norman Hansen mit 3:56,960 Minuten gegen die Italiener, doch hatten sie in der Qualifikation fast sechs Sekunden mehr benötigt und nur Platz fünf erreicht. So bleibt für die Nordländer mit der zweitbesten Zeit der 1. Runde lediglich der Lauf um die Bronzemedaille gegen Frankreich.

DDer deutsche Vierer setzte erwartungsgemäß gegen Belgien Nils Schomber ein, für den Leon Rohde weichen musste. Die erzielte Zeit von 4:01,026 Minuten, damit nur gut eine Sekunde schneller als am Vortag, reichte am Ende nur hauchdünn zum Sieg gegen die Belgier (4:01,192 Minuten), deren dritter (!) Mann zum Schluss etwas abreißen lassen musste. Der Lauf um Platz fünf am heutigen Abend gegen Russland kann mit Sicherheit – auch wenn alles auf Olympia im nächsten Jahr ausgerichtet ist – nicht als optimal angesehen werden. Man hat deutlich gesehen, dass die internationale Spitze enger zusammengerückt ist und es noch viel an konzentrierter Arbeit bedarf, um bei den kommenden Weltmeisterschaften im Frühjahr sowie bei den Olympischen Spielen bei der Medaillenvergabe ein Wörtchen mitzusprechen.

Britische Frauen trumpfen zu Beginn der Abendveranstaltung auf

FranceMit den Finalläufen der Frauen in der Mannschaftsverfolgung begann die Abendveranstaltung und hier waren zunächst die Deutschen am Zuge, die im Kampf um Platz 7 auf die französische Equipe trafen und dabei erneutes Lehrgeld zahlen mussten. Mit Lisa Klein anstelle von Stephanie Pohl, die für das spätere Punktefahren geschont wurde, hatten sie gegen die Französinnen keine Chance, fuhren nur 4:33,097 Minuten und waren damit knapp drei Sekunden langsamer und belegten am Ende nur Platz 8. Eine richtige Lehrstunde erteilten im Finale um Gold die Frauen aus Grossbritannien in der Besetzung Laura Trott, Katie Archibald, Elinor Barker und Joanna Rowsell der russischen Mannschaft, die aufgrund eines rasanten Startes der Britinnen frühzeitig eingeholt wurden. Die Zeit von 4:17,010 Minuten bedeutete erneut eine Steigerung für die britische Mannschaft, die in Europa das Maß aller Dinge darstellt. Die Bronzemedaille ging überraschend an Weissrussland, die in mäßigen 4:32,595 Minuten die Polinnen auf den undankbaren 4. Platz distanzierten. 

GBDie Männer aus Grossbritannien machten es den Frauen nach und waren im Kampf um Gold von den starken Schweizern um Stefan Küng nicht zu schlagen. In der Besetzung Jonathan Dibben, Owain Doull, Andrew Tennant und Bradley Wiggins, ergänzt in den Vorkämpfen um Steven Burke und Matthew Gibson, siegten sie in 3:55,243 Minuten mit zwei Sekunden vor den Schweizern, die mit ihrer Silbermedaille vor heimischen Publikum mehr als zufrieden sein konnten. Das starke dänische Team um Lasse Norman Hansen und Rasmus Christian Quaade schlug im Duell um Bronze die französische Mannschaft um den exzellenten Straßensprinter und Weltmeister im Madison Bryan Coquard, wobei auch diese beiden Teams unter vier Minuten fuhren. Im Lauf um Platz 5 fuhr die deutsche Mannschaft wieder mit Leon Rohde, der dieses Mal Henning Bommel ersetzte. Der Gegner aus Russland verlangte den Deutschen einiges ab, aber mit 4:01,299 Minuten waren sie den zum Ende stärker werdenden Deutschen, die mit 4:00,933 Minuten ihre Bestzeit fuhren, knapp unterlegen. Die Leistung in diesem Finale war zwar ein kleiner Lichtblick, aber die verpatzte Medaille und die nicht realisierbare Zeit unter vier Minuten müssen letztlich enttäuschen.

Danach standen die Finalläufe im Teamsprint auf dem Programm und zunächst gewann die Niederlande bei den Frauen die Bronzemedaille gegen Spanien, bevor das deutsche Team mit Miriam Welte und Kristina Vogel gegen Russland um Gold fuhr. Aber die erfolgsgewohnten Deutschen hatten gegen Anastasiia Voinova und Daria Shmeleva kaum eine Chance und mussten sich relativ klar geschlagen in 33,013 Sekunden gegen 32,443 Sekunden der Russinnen mit der Silbermedaille begnügen, was aber im Hinblick aus das bekannte Missgeschick von Miriam Welte im Vorfeld der Europameisterschaft als ein durchaus akzeptables Resultat zu bezeichnen ist.

Im Finale der Männer drehten die Niederländer das Qualifikationsresultat gegen die Polen um und holten sich in der Besetzung Nils van’t Hoenderdaal, Jeffrey Hoogland und Hugo Haak in 43,232 Sekunden den Titel vor den Polen, die mit 43,358 Sekunden den Silberrang belegten. Die Bronzemedaille blieb für die deutsche Mannschaft übrig, die in diesem Finale gegen Frankreich als Schlussmann für Maximilian Levy den Chemnitzer Joachim Eilers einsetzte, der eine starke Finalrunde fuhr und die Vorgaben von Robert Förstemann und Max Niederlag souverän vollendete. Die Franzosen benötigten 43,794 Sekunden, während die Deutschen 43,210 Sekunden fuhren und damit sogar schneller als die neuen Europameister waren.

Als nächste Entscheidung stand das Scratchrennen der Männer über 15 km an, das durch ein kampfbetontes Rennen mit mehreren Rundengewinnen äußerst spannend verlief. Ganz stark präsentierte sich dabei der Spanier Sebastian Mora, der als einziger zwei Rundengewinne vollzog und in einer Fahrzeit von 16:35,313 Minuten souveräner Titelträger wurde. Den Sprint der einmal überrundeten Fahrer gewann der Schweizer Lokalmatador Tristan Marguet, der vor dem Polen Adrian Teklinski eine weitere Silbermedaille für die Eidgenossen erspurtete. Während der in Berlin ansässige Österreicher Andreas Müller einen guten 5. Platz herausfuhr, enttäuschte der Scratch-Weltmeister Lucas Liss auf ganzer Linie, als er mit zwei Verlustrunden einen indiskutablen 17. Platz belegte.

Das abschließende Punktefahren der Frauen über 25 km wurde ebenfalls von einer Fahrerin dominiert, die zwei Rundengewinne herausfahren konnte. Die auch in Berlin bekannte Polin Katarzyna Pawlowska siegte mit 46 Punkten vor der Französin Elise Delzenne mit 35 Punkten, die mit dem letzten Spurt sich die Silbermedaille sicherte. Der amtierenden Weltmeisterin in dieser Disziplin Stephanie Pohl aus Deutschland fehlten am Ende mit 32 Punkten nur drei winzige Zähler, dennoch ist der Bronzerang in ihrer Spezialdisziplin aller Ehren wert.

Damit schloss am Ende der zweite Tag mit immerhin drei Medaillen für das deutsche Team ab, das aber dennoch mit einer Silber- und zwei Bronzemedaillen deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb und derzeit Rang 7 des Medaillenspiegels einnimmt.

(Anmerkung: Die erste Version der Überschrift bezog sich auf den 6. Platz in der Qualifikation!)

Text: Bernd Mülle 

Fotos: Arne Mill

> zur turus-Fotostrecke: Bahn-EM 2015

 

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